59 Wolfram Steude Musik im Dresdner Residenzschloß Die Darstellung dessen, was am Hof zu Dresden im Laufe der Jahrhunderte an Musik unter schiedlicher Art erklungen ist, bedeutete, cum grano salis, eine Darstellung der Musikpflege im Lande insoweit, wie dieses »Land«, also die Mark Meißen, dann Kursachsen und schließ lich das Königreich, seine kulturprägenden Impulse vom Hofe empfing. Das war im An fangsstadium des markmeißnischen Territoriums und im Königreich des 19. Jahrhunderts, ja schon im ausgehenden 18. Jahrhundert, weitaus geringer als in den Perioden einer relativ starken Zentralgewalt, etwa vom mittleren 16. bis zum mittleren 18. Jahrhundert, in denen zugleich mit der Durchorganisation der Landesverwaltung in gewisser Weise eine solche des kulturellen Lebens einherging, denkt man etwa an das Schul- und Kirchenwesen und die damit verbundene Musikpflege. Die folgende Skizze kann nur mit wenigen Streiflichtern zu beleuchten versuchen, was eigent lich einer ausführlichen Darstellung bedarf, einer Gesamtdarstellung der Dresdner Musikge schichte und ihrer Prägung in hohem Grade durch die Musikpflege am Hof, die noch'immer ein Desiderat ist trotz - oder vielleicht wegen - ihres Facettenreichtums. Diese große Lücke in der Geschichtsschreibung der Dresdner und sächsischen Musikkultur bedeutet ja nicht nur den Mangel einer Auflistung der wichtigsten Musikereignisse und -produktionen in chronolo gischer Reihenfolge durch die Jahrhunderte, sondern sie bedeutet auch, und das in gravieren der Weise, den bislang ausgebliebenen Versuch, anhand einer solchen Überschau die geistige Physiognomie der Dresdner und sächsischen Musikkultur zu erfassen und zu zeichnen. (Man denke dabei z. B. an die mitteldeutsch-sächsische Abneigung gegen jedwede überdimensionale Monumentalität.) Manche bisher unterbewertete, weil wenig erkundete Periode - zu denken ist dabei an das ausgehende Mittelalter sowie die ersten und letzten Jahrzehnte des 18. Jahr hunderts - würde deutlichere, vielleicht sogar überraschende Konturen bekommen, andere würden eine weniger enthusiastische, sachlichere Darstellung finden und von daher eine rich tigere Bewertung erfahren können. Nahezu unerforscht ist die mittelalterliche Musikpflege in der Mark Meißen und also in Dresden. Die Forschungen zur Frühgeschichte der Stadt, insbesondere deren Intensivierung durch die archäologischen Grabungen seit den 1980er Jahren bis heute, haben uns den Palast Markgraf Heinrich des Erlauchten am Westende des großen Burgbezirks erneut in Erinnerung gerufen, der nach 1265 erbaut worden ist und zusammen mit dem Burghof der Burggrafen von Doh-