Friedrich Dieckmann Die unbegriffene Elbhangkugel Manfred von Ardenne in Sinop und in Dresden i Auch die, welche sich über den verderblichen Charakter des Naziregimes im klaren waren, gerieten durch den von Hitler entfesselten Weltkrieg in einen Zwiespalt; er lag darin, das Ende des Reiches nicht wünschen zu können, das hinter der bedingungslosen Kapitulation als dem einzigen Ausweg stand, den die feindlichen Mächte dem kriegfüh renden Deutschland gelassen hatten. Auch Manfred v. Ardenne, der Zögling einer preu ßisch-konservativen Offiziersfamilie, befand sich in diesem Zwiespalt; die Bedrängnis der Situation löste sich erst, als nach den Bombenteppichen, mit denen englische und ame rikanische Luftflotten Berlin belegt hatten, das Ende nahte, in Gestalt der auf Berlin vor rückenden Sowjetarmee. Manfred v. Ardennes Vorkehrungen auf dieses Ende hin sind perfekt; die auf Berlin zurollende Katastrophe zeigt ihn auf dem Höhepunkt seines Leitungsgenies. Er schützt sein längst unter die Erde verlegtes Institut vor Endkampfeventualitäten und verteidigt es gegen die finale Hysterie der Blockwarte; der Pistolenschuß eines durchdrehenden Ortsgruppenleiters geht glücklicherweise ins Leere. Dann trifft der Achtunddreißigjäh rige Vorkehrungen gegen die Risiken des Überrollt-Werdens und läßt die eingetretenen Bombenschäden beheben; der von Peter Adolf Thiessen, dem befreundeten Chemiker, zu ihm dirigierte Sowjetgeneral trifft ihn und seine Mitarbeiter wie auf einer Insel der Unversehrtheit an. Die ihm von den Nazibehörden angebotene Absetzung nach Westen hat er ausgeschlagen; er kann und will das Institut und seine auf ihn eingeschworenen Mitarbeiter nicht im Stich lassen. Zu der Wissenschaftsfreundlichkeit der östlichen Sieger haben ihm zwei ganz ver schiedene Männer Mut gemacht, sein Schwiegeronkel Werner Bergengruen, der balti sche Schriftsteller und bedeutende Tolstoi-Übersetzer, und sonderbarerweise auch Fritz Houtermans, der eminente, 1933 aus Deutschland vertriebene Physiker-Kollege, dem das Stalin-Regime - er war 1934 in die Sowjetunion emigriert - übel mitgespielt hatte. Ardennes Erwartung wird nicht getäuscht; nach einer Wartezeit in der Nähe von Mos kau, die ihn zur Niederschrift von Kindheits- und Jugenderinnerungen anregt (wenn er längere Zeit untätig sei, bekennt er, falle er in Depressionen), gilt es, in Sinop nahe dem georgischen Suchumi - er kann sich die Gegend aussuchen - ein Institut aufzubauen. Dafür kommen ihm die Baupläne zugute, die er für die Erweiterung seiner Berliner Laboratorien in Auftrag gegeben hatte; unterdes ist in 750 Kisten die gesamte Berliner