Thomas Hänseroth »Nützliche Wissenschaften« in Dresden im 18. und frühen 19. Jahrhundert Einführung Unter den Selbstbeschreibungen von Gesellschaften der westlichen Moderne erfreut sich seit einiger Zeit das Konzept der «Wissensgesellschaft« einer besonderen Konjunk tur. Nicht wenige Soziologen, Philosophen und auch so manche Historiker sind im Anschlüssen die besonders von D. Bell und J.-F. Lyotard zuerst formulierten Befunde zum Charakter moderner bzw. postmoderner Gesellschaften der Auffassung, dass wir heute in einer so genannten »Knowledge Society« leben. Die fortschreitende Abhängigkeit aller gesellschaftlichen Teilbereiche von entsprechendem Wissen und die wachsende Einbeziehung der Mitglieder einer Gesellschaft in den Prozess der Wissensproduktion und -anwendung gelten dabei als zentrale Bestimmungsstücke und zugleich als ein Schlüssel für das Verständnis der westlichen Moderne schlechthin. 1 Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Wissensbasierung von Gesellschaften zählt zu den anthropologischen Konstanten. Wissen spielte seit jeher für menschliches Leben und Zusammenleben eine wesentliche Rolle, denn jedes soziale Handeln ist wissensge leitet. Zudem speiste sich die Dynamik der westlichen Gesellschaften schon seit dem europäischen Hochmittelalter zu einem Gutteil aus dem Faktor Wissen und seinem seit der Frühen Neuzeit exponentiell verlaufenden Wachstum. Neu ist aber offenkundig, dass diese Prozesse ein Ausmaß angenommen haben, in dem Arbeit und Produktion ihre zuvor dominant gesellschaftsprägende Kraft mehr und mehr verlieren und stattdessen das Teilsystem Wissenschaft seine Funktionen permanent erweitert und zur treibenden Kraft gesellschaftlichen und auch kulturellen Wandels wird. Wissen diffundiert in alle Bereiche, verwissenschaftlicht diese zunehmend und erlangt solcherart ausschlagge bende Bedeutung für die materielle und symbolische Reproduktion moderner Gesell schaften. Ein zentrales Element des säkularen Prozesses der Dynamisierung der Wissensproduk tion ist die Wissenschaftsorientierung der Technik 2 , die als ein Signum der Moderne schlechthin gilt. Zuständig dafür sind in erster Linie die Technik- und Naturwissenschaf ten, deren während der Frühen Neuzeit entstehende Erkenntnissysteme weithin als »nützliche Wissenschaften« konnotiert wurden. Nachdem die Wissenschaften bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Wesentlichen Weltbeschreibungen abgeliefert hatten, begannen sie seither, substantiell an der »Möblierung« der Welt mit Artefakten mitzuwirken und zugleich ein Sicherheitsversprechen dafür abzugeben. Technisches