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Die Pommeranen zu Gützkow hatten sich kurz vor Ankunft des Missionars um 1220 einen neuen Tempel errichtet. Er bildete eine Hauptzierde der Stadt. Als der Sendbote daranging, auch ihn zu zerstören, baten sie ihn flehentlich, ihn doch als christliches Gotteshaus zu weihen. Aber ihre Bitten halfen nichts. Für das Jahr 970 ist uns aber noch eine wichtige Stelle bezeugt, Bistümer sollen überall in den Orten angelegt werden, in denen der Aberglaube heidnischer Gebräuche am meisten blühte: Zeitz, Meißen, Merseburg, Brandenburg, Havelberg und Posen. So kennen wir wenigstens aus dem Gebiete der Soraben und Liutizen einige der Kultplätze. Eine andere, fast über die ganze Erde verbreitete Anschauung ist die des Tabu. Gewisse Gegenstände, Orte, Personen zu ge wissen Zeiten oder überhaupt zu berühren, ist verboten (unrein!) Z. B. waren der Tempelbezirk auf Rügen und das Proveheilig- tum bei Lübeck tabuiert. Ausgenommen sind davon der Priester, der Opfernde und der, der sich in Todesgefahr dahin flüchtete. Der heilige Bezirk darf nicht mit profan vergossenem Blute, selbst nicht von Stammesfeinden befleckt werden. (Siehe die Entweihung von Kirchen im Mittelalter und noch vor wenigen Wochen in Oberschlesien, die zu Schließung und neuer Weihe führten!) Dann aber sind auch Gegenstände, die im Tempel auf bewahrt werden, tabuiert: Die Feldzeichen, weil sie außerdem das Bild des Gottes trugen, ferner ist von einem tabuierten Schilde überliefert, daß er mit in den Krieg als Siegesbringer genommen ward. Als ein Missionar sich iii seiner Todesangst, verfolgt von den wütenden Pommeranen. ll27 in das Heiligtum des Gerovit flüchtet, sucht er nach einer Waffe, findet aber keine, nur ein goldener Schild hängt an der Wand. Den ergreift er und springt mit ihm zum Tempel hinaus unter die Heiden. Die, das sehen, und entsetzt fliehen oder vor Schreck sich hinwerfen, war eins! Und so rettete das Tabu dem braven Kleriker das Leben. Man sieht aber daraus, wie stark es auf die naiven Ge müter wirkte. Um 950 endlich wird aus Böhmen berichtet, daß dort das Essen junger Hühner verboten sei. Solche Speiseverbote (bei den Juden die Schweine!) sind über die ganze Erde verbreitet und finden ihre Erklärung gleichfalls im Tabu. Menschenopfer, Orakel, Zauber, Loswerfen und noch viele andere Gebräuche sind uns aus jenen Zeiten überliefert. Doch genug davon! 7. Man pflegt die kulturelle Höhe eines Volkes gemeinhin nach seiner Kunst zu beurteilen. Wie stehts damit aber bei den Nordslaven? Nun, wir haben kein Kunstwerk ihrer Kultur mehr in unfern Museen, wir müssen daher wiederum in den Schrift stellern nachsuchen. Die Götterstatuen in den Tempeln waren Rundskulpturen, Reliefs an Tür und Wand sind schon oben geschildert worden. Diese Arbeiten waren wohl aus Holz oder gebranntem Ton. Aber auch ein Erzstandbild wird um 963 in Wagrien erwähnt. Die oben erwähnten wetterfesten Farben, die Wind und Regen trotzten, waren vielleicht in Brandmalerei aufgesetzt, wie man es heute noch bei den Südslaven findet. Dann werden aber auch noch um 1090 Tanzmasken für die Totenfeste in Böhmen an gefertigt. Daß aber außer der bildenden Kunst auch die Musik vertreten war, beweisen die oben erwähnten Hörner zum Blasen, wenn man sich nicht darunter ein lediglich beim Kult gebrauchtes Instrument oorzustellen hat. Um 970 aber werden ganz allgemein Saiten- und Blasinstrumente erwälmt, wie sie gebaut waren, geht leider nicht aus der Stelle hervor. Aber die kleine wendische Geige und der Dudelsack, die man noch heute aus wendischen Hochzeiten hört, entstammen altslavischem Kulturgut. Wenn sich auch die bildende Kunst uns meist als kultische Kunst darstellt und die Musik als Tanz- und Festmusik zeigt, so müssen wir doch zugeben, daß beide Kunstzweige auch bei den Nordslaven gewertet wurden. Hauptsächlich ist an unserer mangelnden Kenntnis ihrer Kultur das Fehlen von Erzeugnissen ihrer Kunst schuld. * * Ich habe im Vorstehenden einen winzig kleinen Bruchteil des vorhandenen Materials vorgelegt. Es fehlen noch gänzlich die Angaben über Architektur und Wohnbau, über Siedelungs- und Agrarwesen, über die Hauseinrichtung, Kleidung und Schmuck, über Anthropologie, Beschäftigung, Nahrungs- und Genußmi tel, über Waffen und Handwerk, über Verkehr und Handel, Spiel, Zählen, Messen und Medizin. Von allem ist viel überkommen, und auch die vorstehenden Angaben stellen lange nicht alles das dar, was wir über die behandelten Gebiete wissen. Aber der Raum ist beschränkt und mein Ziel habe ich wohl erreicht: Wenn heute oder morgen dem Leser jemand sagen will, daß die ost elbischen Slaven ein kulturloses Jäger- und Fischervolk gewesen seien, so wird er diese Ansicht als falsch zurückweisen können. Nun wird ja viel von der Kultur, die die europäischen Völker besaßen, aus ihr Indogermanentum zurückgeführt. Aber ich habe mich bemüht, in aller Kürze oben die Fäden nufzudecken, die die Slaven in Sitte und Brauch mit der Menschheit als Ganzes gemeinsam haben. Der Mensch hat zu allen Zeiten und in allen Ländern ein gewisses Maß von elementaren Gedanken, die oft überraschende Ähnlichkeit in weit von einander gelegenen Ge bieten haben. Auch in Bezug auf das Indogermanenproblem werden wir unsere Anschauungen noch korrigieren müssen. * * * Um möglichst schnell die Lücke über die Slavenkultur in unserer Literatur auszufüllen, wurde dieser populäre Artikel geschrieben, eine wissenschaftliche Darstellung wird seinerzeit erfolgen! NlNNNNMMNNNMNMMMMMMMMMMMMlMNNINMMNMMMMMMMMIMMMM Heimat-Erinnerungen Frühling! Er ist gekommen zu uns ins tzeimaltal, das Herz, was eng beklommen in banger Winterqual, wird froh und heiter wieder bei Hellem Sonnenschein. Der Vöglein Frühiingslieder schmeicheln ins Herz sich ein. Da träumt man von seligen Zeiten, jetzt liegend in fernen Weiten Kindheit, dein Abglanz wird nie schwinden, ob Freud, ob Leid das Leben bringt, der Frühling wird stets neu verkünden der Jugend Lied, das nie verklingt. Wie schwer auch ist das Leben, ein Kampf mit einem Wort, Freude wird's immer geben an ganz bestimmtem Ort: Die Heimat ist's und schuldig sind wir ihr warmen Dank, dort war's ja, wo geduldig der Mutter Lied erklang, nach Tages Freuden und Kummer sang sie ihr Kind in den Schlummer. Bis dann der Sandmann ist gekommen, ins warme Deltchen er sich stahl, und hat den Schläfer mitgenommen ins Märchenland: Es war einmal. Heimat, wie klingt so prächtig dies eine schlichte Wort! Geheimnisvoll und mächtig zicht's uns an diesen Ort: und wohl dem, der noch findet das Fleckchen, welches nur der Kindheit Glück verkündet im Geiste — Hcimatflur! — Doch weh', wer die Heimat vergessen, wem nie sie genügend gewesen! Denn was auch bringen mag das Leben, ob bittre Armut, reichen Prunk, kann es im Leben Schönres geben als — selige Erinnerung?! — Charlotte Hartmann, Rosenthal