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etwas. Eins blieb ihm noch zu tun übrig, das mußte voll endet werden, wie mühsam ihm auch die ungewohnte Arbeit von der Hand ging. Nun, die Bäuerin würde schon daoonkommen, hatte sie doch immer eine zähe Natur gehabt. Uber sein Gesicht flog ein zuversichtlicher Schein. Aber im Nu war er auch schon wieder verflogen. Zwei tiefe Falten durchfurchten die Stirn, di-> Nasenflügel bebten. Die Augenbrauen zogen sich nach der Mitte zu drohend zu sammen. Kam da über den Hof ein Besuch gehumpelt, der bei all seiner Seltenheit doch noch unwillkommen genug war: der Schusterbarthl. Er war noch imm°r derselbe, höchstens daß seine Nase noch einen Schein violetter glühte. Er trug ein Frühlings kleid trotz des Sprühregens, einen Kittel aus dünnem Zeug von jener unbestimmbaren Farbe, die allen seinen Garderobe stücken eigen war. kttit trug er keinen, hatte aber seinen Schal in mehreren Windungen um den Kopf gelegt, da seine Glatze doch etwas empfindlich gegen den kalten Regen war. Seine Füße steckten in abgetretenen Holzstiefeln mit halbem Oberleder. Da sie ihm viel zu groß waren, bekam fern Gang etwas eigentümlich Schaukelndes. Sie blieben bei jedem Schritt im Morast stecken und seine Füge rutschten beim Herausziehen stets hoch in die Schäfte hinauf. Eine Weile saß er auf der Göpelstange, zog sein Fläschchen neroor, tat einen glucksenden Zug und setzte dann seine Stiesel in Bewegung, in den Schuppen hinein. Da fühlte er auch schon eine gewichtige Hand auf der Achsel. „Miserobles Biech, willst du dich wieder do eibürgern? Doru loß dir ock ja de Lost vergii hn!" Barthl lallte einige abwehrende Worte, während ihn Christians Arm dem Hoftore zuschob. An dem Lattengitter aber hielt sich der Alte Krampfhaft fest und ließ sein heiseres Gekicher hören. „Ich gieh ne, ich gieh ne." Er grinste den Knecht, der ihn einen Auqenbl ck losließ, hämisch an. „Hihihi,der Borthl und der Cb-istjau, die zwee, die machen d' Nacht licht." Knirschend vor Wut packte ihn Christian mit beiden Händen, liß ihn von den Latten los und stieß ihn mit aller Gewalt hinaus. Bebend blieb er eine Weile stehen, bis er sah, wie Barthl dem Teiche zuhumpelte, sich nochmals um drehte und mit höhnischem Lachen etwas zurückries, was aber dem Knechte unverständlich blieb. Der mochte wohl wieder eine Viertelstunde geflickt und geknotet haben, als Selma die Enten lockte, und da sich keine sehen ließ, zum Tore hinausging. Da fiel dem Chr stian ein, daß am Teiche, wo sie jetzt ihre Eliten suchen würde, auch der Schusterbarthl noch herumiungern könnte. Mit dem betrunkenen Schwätzer sollte sie nicht Zusammen stößen. Schnell warf Christian das Gestränge beiseite und schritt mit langen Schritten den beiden nach. Am Birkteich war die Maienpracht verschwunden. Die Birken ließen verdrießlich die übersättigten Zweige hängen. Am Boden standen schmutzige Pfützen. Die Fußwege, die sich zwischen den Bäumen hinschlängelten, waren glatt, schlüpfrig. Auf r-em srbmutzigqrauen Spiegel des Wassers schwammen r Ellieu und vl ueeud weiße Gänse, deren Geschnatter vis zum Huje hmütnrdiang. Hin und wieder suchte eine EnteansLand zu kommen,mußteaber stets an verschiedenen Stellen probieren, denn immer glitten ihre breiten Latschen auf dem schlüpfrigen Lehmboden aus. Die nassen Birkenkronen überschütteten den Schuster barthl, der unter ihnen hinlungerte, freigebig mit Sturz bädern, weswegen er aus dem unwilligen Gebrumm gar- nicht herauskam und nur immer mit den Kittelärmeln das Gesicht wischen mußte. Was er hier wollte, wußte er selbst nicht. Er stolperte eben gedankenlos dahin und stierte mit blöden Augen in die Weltgeschichte'hinein. Heute ging ihm doch olles quer. Vorhin war er aus dem Birkhofe geworfen worden, jetzt gossen ihm die Bäume ihr Wasser ins Gesicht, und die Ruten peitschten ihn. In den Stiefeln quietschte das Wasser, daß ihm die Kälte in die Füße fuhr. In den Magen konnte sie allerdings nicht, da heizte er ein. Ihm war recht verdrießlich zumute. Pom Wasser her schnatterte das Federvieh dem Eindring, ling abwehrend entgegen, was ihn nicht wenig aufreizte. Er warf einen Stein um den andern nach dem lärmenden Viehzeug, was dessen Protest nur noch mehr entfachte. Da rutschte er auf dem glitschigen Boden aus und saß in dem sumpfigen Morast, aus dem er sich schimpfend heraus arbeitete und sich auf eine Steinhalde setzte. „Wule, wule, bilei, bilei." Die Lockrufe kamen näher. Barthl dreht sich mißmutig um und gewahrte ein rotes Kopstuch. Selma fuhr zusammen, als sie des alten Tagediebes an- sichng ward. Aber sofort fuhr sie ihn grimmig an. „Woas wollt Ihr doa, Stromer?" Barthl guckte starr nach der schreienden Farbe ihres Kopftuches. „Feuer", grinste er. „Hat mers doch, besoffen is a schon wieder." „Brennts ba dir o?" „Räumt'ch fort, alcr Lappen! Ihr Hot hier nischt zu suchen." „Rut, rut. Do proassits und krachts." „Fortscharn sollt Ihr Euch! Habt Ihrs ghort?" „Gehört? Ja, ja. Woas wtllst'n?" Selma wollte an dem Alten vorbei. Mit dem brachte sie doch einmal nichts. Der redete aber sein kunterbuntes Zeug weiter. „Wu hoast doas Feuer har? Hoats der Christian gemacht?" „Woas hoast?" Der Name ließ sie stutzen. „Nu dort." Seine Handbewegung machte ihr erst klar, was er eigent lich meinte. „Warum solls der Christian gemacht hoan?" „Hihihi." Sein Gesicht verzerrte sich zu einer widerlichen Fratze. In Selma stieg ein banges Gefühl auf. „Nu ja, Barthl, do red ock!" „Hihihi, der Christian versticht'ch vf's Feuern." „Wiesu denn?" Doch Barthl beschäftigte sich mit seinem Seelenstärker. Wie er aber die Augen der Magd noch immer auf sich ruhen sah, begann er: „Nimm's Feuer weg! Doas brennt immer weiter." Er trat nahe an sie heran, daß sie schauernd zurückwich und fragte: „Du, ob's in Christian sein Kopp o brennt?" „Warum denn dort?" „Hihihi, der Christian hoat doch o ..." „Erzlump, elender", brüllte es da hinter dem nahen Brombeergesträuch. In tierischer Wut warf sich Christian auf den Blödsinnigen und stieß ihn mit einem Ruck in das nasse Maos. „Hielt dein Zung en Zaum, du Luder!"