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gehen können an jener allen Sammlung von Gesetzen, Rechten und Gewohnheiten, die einst ein Eike von Repkow schon im frühen Mittelalter mit weitem Blicke als Sachsenspiegel für sein Niedersachsenland zu klaren Satzungen zusammengefaßt hatte, als der süddeutsche Minnesänger Walter von der Vogel- weide ob der zerfahrenen Rechtsbestimmungen in deutschen Landen noch kurz zuvor wehe geklagt hatte: „Gewalt fährt auf den Straßen, Und Fried und Recht sind sehre wund." Wer aber war Eike von Repkow, urkundlich auch Eceo, Ebko und Eyke von Rebkow oder Reppechowe genannt? Nun, Eike war der Schöffe zu Salbke an der Elbe, der als Ritter drunten im Elblande auf Reppechowe saß. Er stammte aus schöffenbar freier Familie, war in seiner Jugend Edel. Knabe und Knappe am Hofe Dietrichs des Bedrängten zu Meißen gewesen und befleißigte sich dann an der Universität Bologna, dem damals berühmtesten Sitze juristischer Gelehr samkeit, des Studiums der Rechte. Er erhielt später die Schwertleite im Kriegsdienste des Fürsten Heinrich von An halt. — Auf der hohen Rechtsschule zu Bologna, wo aus schließlich das römische Recht gelehrt wurde, war ihm beim Wälzen des Oorpu8 juri8 Justinians klar die Erkenntnis auf gestiegen, daß seinem Sachsenvolke nicht das römische, sondern nur ein allgemeines deutsches Recht, das auf heimischem Grunde nach heimischen Gewohnheiten und Begriffen erwachsen sein mußte, frommen könnte. — So folgte er denn gern dem Wunsche und Rufe seines Gerichtsherrn und Freundes, des Grafen Hoyer vom Falkenstein, und sammelte und schrieb, zunächst lateinisch (1215 — 1219) und dann deutsch (1230), auf dessen Burg ein dem starken Ahnengeiste und dem treuen Heimatgrunde entwachsenes deutsches Rechtsbuch, das er den Sachsenspiegel nannte. Die wohl echte Urschrift dieses Buches befindet sich in der Staatsbibliothek zu Berlin, aber auch Quedlinburg behauptet, droben in seinem alten Kaiserschloffe die erste Niederschrift des Sachsenspiegels zu besitzen. Den Schauplatz dieser großen Geistestat mußte ich schauen, ich mutzte einmal in jenen Räumen der hohen Burg Falken stein geweilt haben, wo einst Eike von Repkow gelebt und ein Gesetzbuch niedergeschrieben hatte, unter dem viele unserer eigenen Borfahren auch in unserer engeren Heimat hier jahrhundertelang gelebt und Recht gesprochen hatten. Ich mußte durch jene rauschenden Wälder gewandert sein, wo er sich am schäumenden Selkeflusse und am leise murmelnden Quell des Heidebornes frische Kraft zu neuem Schaffen gesucht hatte. Und so zog ich denn an einem Herbsttage des Jahres 1925 vom stolzen Herzogschlosse zu Ballenstedt auf waldiger Höhe über den Lumpenstieg hinaus nach Südosten. — Da grüßt von drüben links der trutzige Turm von Opperode her- über, grüßt aus grüner Aue fernher das Städtchen Ermsleben, die Heimat des Dichters Gleim und grüßt das Schloß Meis- darf der Grafen von der Affeburg-Falkenstein, die heute auch Herren des Falkensteines selbst find. Hinter dem ersten Forsthaus trete ich ein in des Waldes Dämmerungen. Dunkle Wolkenfetzen jagen wie einzelne graue Wölfe an dem sonst blauen Himmel dahin, sie geben so recht ein Bild der vergangenen alten Tage dieser einst umdüsterten und dann doch geistig so hell erleuchteten Heimat des Sachsen- sviegels. Steil geht es auf und ab quer durch tiefe Bachtäler, wo der Zaunkönig drunten im Dickicht schnurzt, wo die Mistel drossel droben in der Fichtenkrone schnarrt, und wo der Baum läufer fernher klagend sein „Wihä, wihä" ertönen läßt. — Nach ungefähr zwei Stunden steigen wir fast senkrecht hinab ins Selketal und kommen im Grunde am Gasthofe zum Falken vorüber. Nahebei ist die Eckhards- oder Kloppstockklippe, wo Kloppstock als Gast der Grafen von der Asseburg eine Ode seines „Messias" dichtete. Wir überqueren das Selkeflüßchen und steigen drüben im Walde unter gewaltigen Bäumen in 20 Minuten hinauf zum Falkensteine. Droben durchschreiten wir eine zerfallene Außenmauer, die ehemals als äußere Um wallung den ersten Schutz gegen Feinde bot, und dann stehen wir dort, wo einst Graben und Zugbrücke den Schritt hemmten, stehen vor den stolzen Mauern der Burg, die schon um das Jahr 1100 auf einer Klippe des roten Iaspisfelsens erbaut worden ist. Sie ist die einzige Burg im Harze aus dem frühen Mittelalter, die allen Stürmen, auch denen des 30- jährigen Krieges, standhielt. So ist sie die einzige Feste in diesem Berglande aus jener Zeit, die noch heute fast un verändert stolz emporragt, während alle andern zu Ruinen geworden und in Staub und Trümmer gesunken sind. — Einst schritt man durch 7 Tore, ehe man zum innern Burg- Hofe kam: heute ist der Weg abgekürzt, schon hinter dem zweiten Tore gehen wir über eine Treppe und durch die Küche in den engen, aber charakteristischen Hofraum. Rechts steht das malerische Brunnenhäuschen aus Holz über dem 63 m tiefen Burgbrunnen, und daneben an der Hauswand ragt noch der alte Galgen drohend in unsere Zeit herein. Auch eine alte Kapelle, in der einst Luther selbst predigte, erweckt mit ihrer uralten Einrichtung unsere lebhafteste Teilnahme. All die Innenräume in ihrer meist noch ursprünglichen Form wären wohl der Einzelbeschreibung wert, doch es würde zu weit führen, von den Wohnzimmern und von der Spinn stube, vom Speise, und Ritiersaale, von der Dirnitz und vom Fräuleinsgange eingehend zu berichten. Nur ein Raum ist uns heute noch vor allem wichtig, es ist das mit Decken- und Wandtäfelung versehene Arbeitszimmer des Grafen Hoyer, worin Eike von Repkow vor mehr als 700 Jahren seinen Sachsenspiegel mit außergewöhnlicher Tatkraft und Aus dauer verfaßte. Ein Gemälde von Lukas Kranach, drei kost bare Elfenbeinschnitzereien von Cellini und eine von Blücher geschenkte wertvolle Metalloase eines griechischen Meisters ver vollständigen die Würde des erinnerungsschweren Raumes, wo wir mit hoher Andacht verweilen. Dann steigen wir zum Schluffe hinaus auf den Bergfried, und von seiner Zinne herab nehmen wir Abschied vom grünen Selketale und vom liefen Waldgebiet, dessen ungezählte Bäume heute noch wie ehedem die alte Burg umrauschen, die alte Burg, darinnen ein klarer deutscher Ordnungsgeist einst Stein um Stein zusammentrug zum ragenden Denkmal des ersten deutschen Rechtsbuches, dessen Gesetzesrunen später auch unserer Heimat hier tief ins Angesicht geschrieben wurden. So ging ich mit diesen Gedanken von dannen, ging sinnend vom Falkenstein hinauf nach dem fernen Bergstädtchen Harzgerode und dachte dabei: Eike von Repkow, Du Treuer am Deutschen Volke, Du sollst uns ein Vorbild sein. Auch wir wollen mühsam und ausdauernd Stein um Stein zusammen tragen, um aus den Trümmern unseres heute niedergebrochenen Vaterlandes ein wieder Achtung gebietendes Reich neu auf zubauen. 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