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bei der Mutter Hölzel in Steinigtwolmsdorf, wo mir uns nach langem Marsche stärkten, und wie fürsorgend, ja man könnte sagen, wie liebevoll die Ausnahme in der Jugend herberge von Cunewalde bei Mutter Krippenstapel. Wir sind schon viel gewandert, aber solch wohlfeiles, kräftiges Essen und eine so saubere Herberge mit viel guten Decken wie hier, fanden wir selten. Und der freundliche Ort, der sich im Tale hinzieht, erst abends erreichten wir ihn, als schon längst überall ans den Hvlzhäuschen gvldcnhell die Lichtlein aus den „Umbindern" schimmerten. Vor dem alten Gasthof „Zur blauen Kugel", wo auch wir einkehrten, hielt ein mächtiger Planwagen mit starken Schimmeln bespannt und dem weißen Fuhrmannssitz in der Sitzkelle, ganz noch wie zu Urgroßvaters Zeit. Ja, die Heimat, sie bietet so viel Schönes und Liebes, man muß nur mit einem recht frohen, sonnigen Herzen wandern. Sie ist auch für unsere Jugend und unser Volk der reine Jungbrunnen der Wiedergesundung! Der andere Morgen fand uns oben auf den Gipfel klippen des Czorncboh, des alten Götterberges der Wenden. Die vulkanentstandenen Berge der Lausitz waren einst alle höher, ihre Kegel ziemlich steil und spitz, ein nachfolgender Erdstoß in späterer Zeit erschütterte sie dermaßen, daß sie „den Kopf verloren", könnte man sagen, es stürzte die hohe Spitze ein, und nun bedeckt ein weites Trümmerfeld alle ihre Gipfel. Sv ist es auch auf dem Czvrnebvh. Es ist beinahe selbstverständlich, daß die Sage nach diesen Fels gebilden griff und ihre Phantasie daraus allerlei Dinge schnf, die zu Göttern und Teufeln in gleicher Weise in Be ziehung standen. Opfersteine sollen diese Klippen auf dem Czorneboh gewesen sein in grauer Heidenzeit, und noch zeigt man in dem einen eine Blutrinne, wo das Leben der geschlachteten Feinde ausflvß. In dem Opferbecken selbst ist immer — merkwürdigerweise auch an den heißesten Sommertagen — Wasser zu finden. Im Teufelsfenster, einem rechtwinkeligen Felsendurchbrnch, haben wir lange gesessen und alten Mären gelauscht: von der Schatzhöhle im Berge und dem Fürsten der bösen Geister, der in der Walpurgisnacht auch hier sein Wesen treibt. In Bautzen, dem alten Vudissin, steigen wir ans. „Wenn Bautzen und Meißen in Italien lägen," so schreibt ein anderer Schriftsteller, „wäre eine Wallfahrt dahin, so aber, wer kennt es?" Meine Jungen und Mädels aber sollten es kennen lernen, das sächsische Nürnberg. Von der Kron- prinzenbrttcke ans baut sich am malerischsten die alte, mittel alterliche Stadt auf mit ihren Manern nnd Türmen, mit der alten Wasserkunst, die in kriegsdurchtobter Zeit die Stadt mit gutem Trinkwasser versorgte, freilich floß da mals auch noch keine chlorhaltige Betze der Fabriken in die Spree! Am wuchtigen Lauenturme stiegen wir dann zum „Hexenhäusel" nieder, wohl dem ältesten Häuslein Bautzens. Klein und fast erdrückt liegt es in der engen Schlucht, mit Schiudelu bedacht, schiefen Fenstern im alte» Fachwerk und schräg »ach innen gesunkener Tür — und noch bewohnt. — Über den „Wendischen Friedhof", durch das malerische Mühltor sah man die wuchtigen Mauern aufstreben, auf Felsen gegründet, der in des Efeus grünen Armen ruhte, und vom Gemäuer hingen alte Holler sträucher schattenspcndend nieder. — Beim Eingang zu dem alten Schlosse Ortenburg steht noch der feste Turm, in dem Ma» einst den Lausitzer Näuberhauptmann Karaseck ge fangen hielt. Von dein kleinen eisernen Ausfallspförtchen am Nordhange aus schauen wir hinüber nach den grünen Hängen des Prvitzschenbcr.ges, wo am ersten Ostertage all jährlich das berühmte „Eierkollern" — mit Apfelsinen nnd Kuchen — zur namenlosen Freude der Jugend stattfindet. Lange und in ernstem Sinnen haben wir dann noch auf dem Friedhof von St. Nicolai zugebracht. Von der Nico- laikirchc deckte mau im Dreißigjährigen Krieg das Dach ab, stellte Kanonen dort ans, um die Stadt zu verteidigen. Der Feind schoß die Kirche in Trümmer, und so ist sie dann als Ruine liegen geblieben. Ein hohes Kreuzbild ist noch übrig von dem alten Gotteshaus, es hängt an der Altarwand. Der Friedhof mit seinen Gräbern ist längst bis in die Kirche hineingerückt, und heute umschließen die hohen Mauern mit den spitzgebogten Fenstern, in denen noch edles Maßwerk hängt, die vielen stillen Schläfer. Fremd sind uns ihre Namen, fremd auch vielfach die Auf schrift,' denn es ist Wendisch. — Bevor wir nun Abschied nehmen von der lieben alten Stadt, steigen wir die vielen Stufen empor im Turme des Domes von St. Petri, bis hinauf, wo die Glocken wohnen, die in stummer Größe wuchtig hängen, und höher noch bis über des Türmers Wohnung und genießen dort den entzückenden Rundblick in alle die Felderfluren der Nähe nnd die fernen Wald berge uud hinab in „alle Winkel und Gäßchen der Stadt." Längst sind wir daheim. Wie viel hat uns doch unsere Fahrt gegeben, reicher an Wissen, an Erleben, an Inner lichkeit sind wir geworden. Unsere süße Heimat hat sich unfern suchenden Wanderherzen erschlossen im Sonnengold nnd im Leuchten, das da hervorging vom glitzernden Strom, von Stätten der Arbeit nnd lichter Bergeshöhe, es ist zurückblieben in den empfindsamen Seelen der Jugend. Und wenn unser Volk Heimat und Vaterland lieben soll, inniger nnd tiefer als je, so muß die Jugend seine Schön heit kennen lernen. Ein Besuch im Reichenauer Heimatmuseum Im Laufe der letzten Jahre ist allenthalben in der Lausitz in erfreulichem Maße und erfolgreich das Bestreben in die Erscheinung getreten, für bestimmte Gemeinden und Bezirke Kulturdokumente des eingesessenen Volkstums aus vergangenen Zeiten, die auf Böden oder in Rumpelkam mern alter ortsangehöriger Familien entweder ein un beachtetes Dasein führen oder, was noch schlimmer ist, in stündiger Gefahr sind, voll ebenso spürnäsigen wie spekula tiven Altertumssammlern in weite Ferne entführt zu werden, als wertvolles Volkstum der Heimat zu erhalten nnd in geeigneter Weise der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Es ist dies einer der dankenswertesten Erfolge zielbewußter, praktischer Heimatschutzarbeit und ihres Vor kämpfers in unserem Landesverein, des Herrn Hvfrat Oskar Seiffert in Dresden. Daß die alten Sechsstädte Bautzen, Zittau, Löbau und natürlich auch das preußische Görlitz in dieser Hinsicht mit dem besten Beispiel vorangehen und zum Teil ganz köst liche Sammlungen wertvoller Heimataltertümer zusammen gebracht Haven, ist eine naheliegende Selbstverständlichkeit, wenn auch leider vielfach empfindlicher Raummangel die richtige Wertung der aufgestapelten Schätze erschwert, wenn nicht unmöglich macht. Aber auch sehr viel kleinere Orte können sich recht bemerkenswerter Heimatmuseen oder doch verheißungsvoller Anfänge dazu rühmen, und fast überall setzen sich selbstlose, tüchtige Männer für den schönen Ge danken ein. Der Berichterstatter hat in den letzten zwei oder drei Jahren die Heimatmuseen von Großröhrsdorf, Ebersbach, Eibau, Niederoderwitz, Herrnhut, Großschönau und Reichenbach (bei Görlitz) mit größter Befriedigung zu besichtigen Gelegenheit gehabt und zum Teil ziemlich ein gehend darüber berichtet. Dank liebenswürdigsten Entgegenkommens des Herrn Apothekers Schröder war cs mir kürzlich anch vergönnt, unter seiner Zachkundigen Führung das dem dortig.» Ge birgsverein gehörende Ortsmuseum der Gemeinde Reiche nau mit Muße eingehend zu betrachten. Herr Schröder hat unter außerordentlichem Aufwand an Zeit und per sönlicher Mühewaltung das in ziemlich unübersichtlichem Zustande übernommene Museum zweckdienlich geordnet j und in ein logisches System gebracht. Er ist dabei.auf das