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Auerthal-Zeitung : 10.02.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id173565485X-189902100
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id173565485X-18990210
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-173565485X-18990210
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungAuerthal-Zeitung
- Jahr1899
- Monat1899-02
- Tag1899-02-10
- Monat1899-02
- Jahr1899
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- Auerthal-Zeitung : 10.02.1899
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R-lMfche Kascha«. Dr«1fchla«d. * Nun ist auch der zweite deutsche Reichs kanzler, Äraf Caprivi, gestorben. Seit seinem AmtSrücktritt hat man wenig von ihm gehört; von dem Gute Skyren bei Krossen, wo er wohnte, kam er nur selten nach Berlin. Caprivi hat ein Alter von 88 Jahren erreicht. Am Donnerstag findet die Beerdigung in Skyren statt. *Der Kaiser richtete an den General v. Müller, den Neffen Caprivis, folgendes Tele gramm : .Soeben von der Nachricht vom Hin scheiden Ihres Onkels, des Generals der In fanterie, Grafen v. Caprivi, überrascht, spreche Ich Ihnen und der Familie des Heimgegangenen Meine teilnahmsvolle Mittrauer auS. Als Sol dat von seinem Kriegsherrn immer hochgeschätzt, als Reichskanzler Mein arbeitsfreudiger, über- zeugungStreuer Mitarbeiter, hat Graf Caprivi auch in der Zurückgezogenheit seiner Jnaktivität es verstanden, fick die Anerkennung und Dank barkeit seines Königs und Kaisers zu erwerben." *Jm Brandenburgischen Pro- vinziallandtage hat der Kaiser am Freitag wieder eine längere Rede gehalten, in der er seine persönliche Verantwortlichkeit dem Herrscher im Himmel gegenüber betonte, von der er wie alle seine Vorgänger auf dem branden- burgisch-preußischen Throne durchdrungen sei. Der Hohe Redner zog auch seine Palästinareise in den Kreis seiner Betrachtungen; am Oelberge habe er gewissermaßen sich von neuem den Fahneneid geschworen, nichts unversucht zu lassen, um daS deutsche Volk in sich zu einigen und das, waS eS trennen könnte, zu beseitigen. In Anspielung auf die Friedenskonferenz äußerte der Monarch: -So lange in der Menschheit die unerlöste Sünde herrscht, so lange wird eS Krieg und Haß, Neid und Zwietracht geben, und so lange wird ein Mensch versuchen, den anderen zu Übervorteilen. Was aber unter den Menschen, das ist auch unter den Völkem Ge setz. Deswegen wollen wir trachten, daß wir Germanen wenigstens zusammenhalten wie ein fester Block." Die Rede hat einen tiefen Ein druck gemacht. *Der Erbprinz von Sachsen-Ko - burg-Gotha, der seit längerer Zeit kränk lich war, ist am Montag in Martinsbrunn bei Meran ,m Alter von 24 Jahren gestorben. Er war der einzige Sohn des herzoglichen Paares, das bekanntlich erst vor kurzem seine Silberhochzeit gefeiert hatte. Die Thronfolger schaft geht nunmehr auf den jüngeren Bruder des regierenden Herzogs, den drittältesten Sohn der Königin von England, Herzog Arthur von Connaught, über, der im 49. Lebensjahre steht. *An neuen Gesetzentwürfen find seitens der Regierung dem Reichstag zu gegangen: der Entwurf eines Hypothekenbank gesetzes, der Gesetzentwurf betr. die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen und die I« Heinze. * Die Eingaben verschiedener Gemeinden wegen Heranziehung des Reichsfiskus zu den Gemeindelasten find nach offiziöser Mitteilung als wenig ausstchtsvoll anzusehen. Zum Trost wird darauf hingewiesen, daß bei den Gemeinden Gaarden und Ellerbeck sich insofern ein Ausweg hat finden lassen, als in den Etat der Marineverwaltung bestimmte Summen eingestcllt find, die zur Gewährung von Beihilfen an diese Gemeinden bestimmt find. Ob sich für andere Gemeinden in ähn licher Weise sorgen ließe, würde von der Ge staltung der örtlichen Verhältnisse abhängen, jedenfalls von dem Nachweise der Schädigung kommunaler Interessen. Oesterreich-Ungar«. * In Oesterreich spricht sich eine einstimmig beschlossene Resolution der deutschen Volkspartei gegen die unrechtmäßige Herrschaft des 8 14, welche wieder be gonnen hat, aus, ferner gegen den durch Er laß der Sprachenverordnungen für Böhmen und Mähren und durch eine Reihe sonstiger Maßregeln verübten rechtswidrigen Angriff auf den nationalen Besitzstand des deutschen Volkes und fordert dazu auf, unge - beugten Mutes iyiWiderstandezu verharren, bis die entscheidende Wendung zum Bessern eingetreten. Ferner warnt die Resolu tion vor übertriebener Zuversicht und entsagender Hoffnungslosigkeit und weist auf die Notwendig keit hin, daß m so erregter Zeit jedes kleinliche Gezänk schweige und alle Parteien, denen die Wohlfahrt des deutschen Volks- stammeS am Herzen liegt, sich in der Ver teidigung der Rechte desselben zusammenfinden. Die Partei wird die Aufstellung der national- politischen Forderungen der Deutschen mit Nach druck betreiben und fordert schließlich zu festem Zusammenhalten und unbeugsamem Wider stande auf. * Die Vertreter der deutschen Volkspartei, der deutschen Fortschrittspartei, der christlich, sozialen Vereinigung und der freien deutschen Vereinigung haben sich zu einer Kund gebung geeinigt, in der die Badenischen Svrachenverordnungen getadelt, und als Ursache der ganzen verderblichen Ent wickelung der inneren Verhältnisse bezeichnet werden und das Zusammenhalten der Deutschen betont wird. Fsrankreich. * Der Kammerausschuß, welcher die Vorlage der Regierung wegen lieber- tragung der Revision in der Dreyfussache an den gesamten Kassationshof vorzu beraten hatte, hat die Vorlage mit 9 gegen 2 Stimmen ab gelehnt. Es bedeutet daS eine schwere Niederlage der Revifionsgegner und des Ministeriums, das wahrscheinlich zurück- steten wird. Lvanien. *Wie auS Madrid verlautet, hat Aguinaldo neue Bedingungen für die Freilassung der spanischen Gefangenen gestellt. Er verzichtet jetzt auf die Idee, daß Spanien die philippinische Republik anerkennen und sich mit rhr zum Kampfe gegen die Amerikaner ver bünden solle, aber die neuen Bedingungen find auch unmöglich. Aguinaldo verlangt nämlich, daß Spanien ihm zwölf Geschütze und 14 000 Mausergewehre liefere. Rußland. * Einer Petersburger offiziösen Meldung zu folge ist der Zusammentritt der Abrüstungs konferenz weiter verschoben worden. Die Hauptursache des Verzuges sei, daß die italienische Regierung Schwierigkeiten mache, weil der Vatikan eingeladen sei, Vertreter zur Konferenz zu entsenden. Sie erblicke darin eine Anerkennung der weltlichen Macht des Papstes. Außerdem hätten einige Mächte verlangt, daß das Programm einigen keineswegs unerheblichen Aenderungen unter worfen werde, — so berichtet man wenigstens aus London. Balkanstaaten. * Nach einer Athener Meldung wird die Re gierung die noch in Griechenland weilenden Flüchtlinge aus Kandia, etwa 4000 Individuen, unentgeltlich nach ihrer Heimat be fördern lassen und ihnen außerdem Geldunter stützungen zur Deckung ihrer Bedürfnisse für einen Monat zuweisen. Die meisten dieser Flüchtlinge werden Griechenland in den nächsten Tagen verlassen. Amerika. *Der Senat in Washington hat mit der kleinen Mehrheit von drei Stimmen den spanisch-amerikanischenFriedens- vertrag genehmigt. * Zu den Unruhen in Uruguay wird aus Buenos Ayres folgendes berichtet: Die Städte Antigas und Santa Rosa proklamierten die Revolution. Die Revolutionäre, sofort um das Zehnfache verstärkt, marschierten unter Oberst Tezanos auf Salta. Die Regierungstruppen find in der Hauptstadt Montevideo konzentriert, vor der man den Entscheidungskampf er wartet. Asten. *Die chinesische Kaiserin ordnete die Verhaftung aller Lehrer und Studenten des Pekinger Kollegs wegen Sympathien mit dem Reformator Kanghuwei an. Die meisten Schüler entflohen; man glaubt, die Verhafteten werden lebenSlüngltch etngesperrt werden. "Am 4. d. abends griffen die Filipinos Manila an: doch gelang eS den Amerikanern, erstere auS ihren Stellungen zu vertreiben. Mehrere Filipinos wurden gefangen genommen: die Zahl ihrer Toten und Verwundeten ist noch unbekannt. Aus de« Reichstage. Der Reichstag setzte am 4. d. die zweite Be ratung de» Postetat« fort. Die Debatte drehte sich um die von den Abag. Bassermann und Müller- Gagan eingebrachten Resoluttonen. Am 6. d. wird die Spezialberatung de» Poft - etat» fortgesetzt bei dem Titel „Vorsteher der Postämter erster Klaffe" u. s. w. Zu demselben be antragt Abg. Bassermann (nat.-lib.) folgende Reso lution: „Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, dahin zu wirken, daß bei der veränderten Regelung de» Gehaltes der Postdirektorcn eine Schädigung der jetzt im Amte befindlichen Direktoren gegenüber dem früheren System vermieden werde." Redner be gründet diesen Antrag mit den vielfach laut ge wordenen Befürchtungen, daß auch in dieser Beamten, kategorie ähnliche Schädigungen eintreten könnten, wie in anderen Kategorien. Direktor im Reichspostamt Wittko erwidert, die Verwaltung fei bemüht gewesen, diese Schädi gungen dadurch nach Möglichkeit abzuwenden, daß sie mr jede der drei Gruppen in dieser Beamten kategorie einen besonderen ÄcsoldungSplan aufgestellt habe. So sympathisch der Postverwaltung daher der Antrag an sich sei, so bitte er doch das Haus, dem selben zur Zeit keine Folge zu geben. Abg. Müller-Sagan (frs. Vp.) fragt an, wann oie neuen Bestimmungen über die Arbeitszeit der Beamten in Kraft treten sollen und beschwert sich dann über die Beeinflussung von Postbeamten in Tilsit durch den Oberpostdircktor v. PourtalsS. Staatssekretär v. PodbielSki: Die politi schen Eingriffe von Beamten habe er nie gebilligt und werde er nie billigen. Er habe dem Oberpost direktor auch in diesem Falle sein Mißfallen zum Ausdruck gebracht. Auch in anderm Fällen, die nicht an die Oeffentlichkeit gelangt seien, habe er Remedur geschaffen. Daß trotz aller seiner Be mühungen hier und da Mißgriffe vorkämen, könne er nicht perhindcrn, denn auch die Oberpostdirektorcn seien Menschen und Irrtümern unterworfen. Er selbst fühle sich in dieser Beziehung nicht schuldfrei. Abg. Lcnzmann (frs. Vp.) findet die Art des Vorgehens des Staatssekretärs gegen seine Beamten und dann die Ablehnung der Verantwortlichkeit dem Reichstage gegenüber doch etwas zu kavalleriemäßig. Das Vorgehen des PostdirektorS in Hagen, der bei cineui Anträge auf Erteilung einer Postvollmacht erklärt habe, für ihn existiere das rheinisch-westfälische Güterrccht nicht, sei ungesetzlich. Staatssekretär v. PodbielSki erwidert, über den letzteren Fall sei er nicht informiert, da die Sache noch nicht bis an daS Reichspostamt gelangt sei. Man solle aber doch nicht aus einzelnen Fällen den Schluß ziehen, daß die Verwaltung im allge meinen es an Höflichkeit fehlen lasse. Er habe es seinen Beamten von Anfang seiner Thätigkcit an zur Pflicht gemacht, dem Publikum höflich gegen- uberzutreten. Abg. Singer (soz.): Der Versuch des Staats sekretärs, sich aus der Schlinge zu ziehen, sei ent schieden mißglückt. Mit der Zurückverweisung der in der Resolution angeregten Frage an die Budget verwaltung sei er einverstanden. Staatssekretär v. PodbielSki erklärt, die Verantwortlichkeit für seine Beamten übernehme er selbstverständlich in allen Fällen. Von einem Ver suche, sich aus der Schlinge zu ziehm, könne bei ihm gar keine Rede sein. Abg. Lieber (Zcntr.): Wenn vielfach die Beamten zu Uebergriffen verleitet wurden, so sei dies vielleicht die Folge der überaus heftigen Aus fälle gewisser Organe gegen die Beamten der Reichs postverwaltung und ihren Chefs. Er erinnere nur an den neulich bereits vom Abg. v. Kardorff ge kennzeichneten Angriff des .Vorwärts' auf den Staatssekretär, der an Gefühlsroheit alles hinter sich lasse. Auch in vielen Artikeln des .Postboten' finde er eine Sprache, die in den Kreisen der Postbeamten selbst Entrüstung hervorgerusen habe, weil sie einen Teil der Beamten gegen den anderen aufreizen müsse. Mit der Zurückverweisung des Titels und des An trages an die Budgetkommission seien seine Freunde einverstanden. Staatssekretär v. PodbielSki fügt seinen früheren Ausführungen hinzu, daß in der.Tilsiter Zeitung' ein Aufruf geschehen war, der eine auf reizende Sprache führte. Er habe deshalb dem gerichtlichen Verfahren freien Lauf gelassen, dem Oberpostdtrektor aber seine Mßbilligung ausgedrückt. Hab« der Vorsteher de» Postamt» m Tilsit zu Un recht Zeitungen zurückgehalten, so werde er den Schuldigen zur Verantwortung ziehen. Damit schließt die Diskussion. — Der Titel wird mit dem Antrag Bassermann an die Budgetkommission zurückgewtesen. Belm Tttel -Telegraphen- und Telephon-Se- hilfinnen teilt auf eine Anfrage de» Abg. Müller- Sagan Unterstaat»sekretär Fritsch mit, die Fernsprech- Gehilsinnen müßten eine bestimmte Ausbildungszeit durchmachen, und sie würden von Anfang an darüber unterrichtet, daß sie während dieser Ausbildungszeit eine Entschädigung nicht zu beanspruchen haben. Abg. Prinz Schönaich-Carola th (Hosp, d. Nat.-lib.) dankt dem Staatssekretär für die Förderung der Bestrebungen auf Erweiteruna der BerufSthätigkeit der Frauen auf dem Gebiete seine» Ressort». Aba. Vielhaben (Antis.) will den Frauen gern die Erweiterung ihrer BerufSthätigkeit gönnen, eS dürfe dabei aber nicht zum Grundsatz werden, daß man die Frauen annrhme, um die Postverwal- tuna billiger zu gestalten. Der Titel wird bewilligt. Bei den auf die Unterbeamten bezüglichen Titeln wünscht Abg. Möller-Dortmund besondere Berück sichtigung der Arbeiter in den Jndustriegegcnden mit Hohen Arbeitslöhnen bei der Verteilung von Teue rungszulagen. Geheimrat v. Neumann verweist darauf, daß der Etat bei den Stellenzulagen bereits über die Wünsche des Reichstag» hinausgegangen sei, weiter gehende Wünsche für einzelne Gegenden seim schwer zu berücksichtigen. Die Titel werden darauf bewilligt. Bei dem Titel „WohnungSgeldzuschüffe" teilt auf eine Anfrage des Aba. Singer Staatssekretär Frhr. v. Thielmann mit, daß die angestellten Erwägungen über die militärischen Servisgelder und die WohnungSgeldzuschüffe noch nicht abgeschlossen sind. Vorläufig sei nur eine un gefähre Uebereinsttmmung beider scstgestellt. Aber ein sicheres Ergebnis sei erst nach Abschluß der Er hebungen festzustellen. Der Titel wird bewilligt. Beim Titel „Entschädigungen für Postagcnten" («00 -750 Mk.) befürwortet Abg. Prinz Schönaich-Carolath eine Er höhung dieser Entschädigung für die Verwalter großer Agenturen mit sich steigerndem Betriebe, sowie Ent schädigung solcher Verwalter bei der Umwandlung von Agenturen in Postämter dritter Klasse. Unterstaatssekretär Fritsch erwidert, es werde auch jetzt bei der Bemessung der Entschädigung Rück sicht auf den Umfang der Geschäfte und die Dienst zeit genommen. Eine Entschädigung beim Aus scheiden der Beamten aus dem Dienste sei ebenfalls nicht ausgeschlossen. Der Tiiel wird bewilligt. Beim Titel „Posthilfsboten u. f. w." teilt auf eine Anfrage des Abg. Singer Direktor Wittko mit, daß binnen kurzem neue Bestimmungen darüber ergehen sollen, wenn zur Entlastung von Unterbeamten Hilfskräfte eingestellt werden sollen. Der Titel wird bewilligt. Beim Titel „Zuschuß zu dm Kleiderkaffen" teilt Staatssekretär v. PodbielSki mit, daß der Kaiser genehmigt hat, daß demnächst, dem Wunsche des Hauses entsprechend, eine leichte Sommer-Uniform für die Landbriesträgcr angeschafft werde. Der Titel wird bewilligt. Ebmso der Rest des OrdinariumS. Sodann wird die Weiterberatung vertagt. Im Abgeordnetenhaus wurde am 4. d. in der der ersten Beratung der Gesetzentwurf betr. die ärztlichen Ehrengerichte einer Kommission überwiese». Abg. Virchow (Frs. Vp.) kritisierte die in Aussicht genommene Organisation der ärztlichen Ehrengerichte und bestritt, daß man der Kurpfuscherei auf dem Wege des Entwurfs ein Ende machen könne. Kultusminister Dr. Bosse berief sich darauf, daß die Mehrzahl der Aerzte den Entwurf wünschten, der von jeder politischen Tendenz frei sei. Am Montag überwies das Abgeordnetenhaus nach kurzer Beratung die Novelle zu den An siedelungsgesetzen, welche die Ansiedelungen auf Bergwerksterrains einzuschränken beabsichtigt, an eine Kommission, und erledigte dann nach unerheblicher Erörterung die Etats der direkten Steuern (die Ein kommensteuer ist mit 145 Mill. Mk. veranschlagt, 12 Mill, mehr als im Vorjahr), sowie einige kleinere Etats. Minister v. Miquel erklärte die Klagen über zu häufige Beanstandung von Steuererklärungen für unberechtigt, zunial es sich meist um steuerkräftige Personen handle. Die Weber -er «Kansa. 4s Novelle von A. R. Ran gab», syoltttzungg „Wenn du mir versprichst, sie im Leben zu schützen und glücklich zu machen, so ist Elga dein." „Ob ick sie glücklich machen werde?" rief Oskar. „Mein ganzes Leben, meine ganze Hoffnung, dereinst selig zu werden, gebe ich mit Freuden für ihr Glück dahin. Aber, Mutter, meine Liebe allein genügt nicht, wenn Elga die selbe nicht teilt." „Elgas Liebel" rief die Alte. ausgebracht. „Ueber Elgas Liebe habe ich zu verfügen, mache dir deshalb keine Sorgen! Elga ist deine Braut, sage ick dir." Oskar hielt es nach dieser für ihn so be- ruhigenden Zusage der Alten nicht für nötig, weitere Bedenklichketten zu erheben. Außerdem sagte ihm auch seine Eigenliebe, daß die Art und Weise, wie daS junge Mädchen seine Hul digungen entgegen nahm, ihn zu den freudigsten Hoffnungen berechtigte. Indessen um seinem Gewissen vollständig Genüge zu thun, sagte er zu Grumbrige: „Ich danke Tuck, Mutter, für das köstliche Geschenk. Aber ick will es nicht allein aus Euren Händen empfangen. Ich werde Gelegen heit finden, für mich selbst zu sprechen." Aber Grumbrige war keine von denen, die den Willen anderer dem ihrigen gegenüber für maßgebend erachten, und denselben Abend noch redete sie mit Elga. „Meine Tochter," sagte sie, „ick habe über deine Zukunft bestimmt. Ich habe für dich einen geschickten Handwerker zum Gatten gewählt, der nicht verfehlen wird, bald die höchsten Stellun gen in seinem Gewerbe einzunehmen. Er ist ein rechtschaffener und braver Mann, der dich innig liebt und dich glücklich machen wird." „Wer ist eS?" fragte Elga. „Oskar Syvem," erwiderte die Alte. „Großmutter I o Großmutter!" rief das Mädchen. „Ich bin ja glücklich, wie ich bin! Warum willst du mich von dir stoßen ? Du hast noch lange Jahre vor dir, und so lange du lebst, laß mich bei dir bleiben." „Ich habe es einmal beschlossen," sagte Grumbrige heftig, „und du kennst mich und weißt, daß das, was ich einmal bestimmt habe, auch geschieht. Oskar wird morgen in den Verband der Hansa ausgenommen und den nächsten Sonn tag in meine Familie." „Aber Großmutter," bat das Mädchen, „laß mir wenigstens Zeit zum Ueberlegen. Warum Oskar? Weißt du denn, ob er mich liebt? Weißt du, ob er in seinem Vaterlande nicht schon durch ein Versprechen gebunden ist, ob seine Hoffnungen nicht einen höheren Flug nehmen werden, wenn er in seiner Laufbahn Erfolg findet? Wamm gerade er? Soll man etwa sagen, daß du ihn bei dir nur ausgenom men, um ihm deine Enkelin aufzubürden? Wenn du unwiderruflich meiner ledig sein willst, gibt es da nicht noch einen anderen geschickten Handwerker, der ehrsam und wohlhabend ist?" „Kind," sagte die Alte rauh, „es ist unnütz, daß du überlegst, wo ich alles wohl bedacht habe. OSkar ist durch kein anderes Versprechen gebunden, auch hat er kein anderes Streben, als dein Gatte zu werden. Es liegt die Kluft eines Mordes zwischen ihm und mir, und nur du kannst dieselbe ausfüllen. Ich beraubte ihn seines Vaters, und als Sühne für des Vaters Blut gebe ich dich dem Sohne. So war es bestimmt, und so soll es geschehen;" mit diesen Worten ging die Alte hinaus. Wie erstarrt, blieb Elga einige Augenblicke stehen, dann warf sie sich vor dem Bilde der heiligen Jungfrau auf die Kniee, welches über ihrem Bette hing, und den Kopf in die Kissen begraben, sendete sie trostlos schluchzend heiße Gebete um Rettung zu der Gebenedeiten empor. Auch Oskar verbrachte die Nacht in großer Aufregung und Unmhe. Die bevorstehende Feierlichkeit, welche ihm zu Ehren am morgen den Tage stattfinden sollte, und durch welche, wenn auch nicht sein Schicksal entschieden, so ihm doch die Aussicht auf neue Hoffnungen er öffnet werden sollte, besonders aber die Worte der Mten und die süße Verheißung, welche die selben enthielten, klangen beständig in seinen Ohreu, verscheuchten den Schlaf aus seinen Augen und setzten das Kaleidoskop seiner Ein bildungskraft in Bewegung. Gegen Mitternacht war eS ihm plötzlich, als höre er eine Stimme flüstern, träumte er, oder war es wirklich die Stimme Elgas? Die Augen geschlossen, gab er sich dem un aussprechlichen Zauber hin, in welchem diese Gehörstäuschung ihn befangen hielt. Nach und nach aber schien eS ihm, als sei eS kein Spiel seiner Einbildungskraft, sondern Wirklichkeit. Er glaubte leichte Schritte im Garten, unter seinem Fenster zu vernehmen. So leicht sprang er auf und ritte an das Fenster, aber der trübe Mond war mit Wolken bedeckt, und er war nicht sicher, ob es eine menschliche Gestalt sei, die sich hinter den Bäumen entfernte, oder ob es die Zweige waren, welche der Nachtwind hin und her bewegte. Erwartete eine Zeitlang; da er aber nichts weiter sah noch hörte, kam er zu dem Schluffe, daß es der Wind gewesen sei, er legte sich deshalb wieder zu Bett und schlief bald vollständig be ruhigt ein. 5. Kaum war der Sonntag angebrochen, als die Abgesandten der Weber erschienen, um Oskar feierlich zur Kirche abzuholen, wo die sämtlichen Mitglieder der Gilde schon versammelt waren, um die Messe zu hören. An der Kirchthür stand ein mit vier Ochsen bespannter Wagen. Nachdem man denselben mit Kränzen und grünen Zweigen geschmückt, bestieg der Altmeister mit Oskar denselben, ihnen folgten zwei Syndiken, zwei Weber und zwei Lehrlinge. Alle auf dem Wagen stehend, fuhren sie langsam im festlichen Aufzuge durch die Hauptstraßen der Stadt, Trompeter ritten voran, und unter Hochrufen auf daS Wohl des neu aufgenommenen Hanseaten OSkar Syvem folgten die andern Glieder des Bundes. Nach diesem öffentlichen Umzuge hielt man vor der Herberge GrumbrigeS, wo zu Ehre« der Aufnahme OSkars ein Festmahl hergerich- tet war. Zuerst an der Tafel saß der Altmeister der Weber, die andern setzten sich nach ihrem Range, und diejenigen, welche keinen besonderen Rang
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