IHto LAVttUtz krs^rnakkuvcte lL Rr. 7 - -i 1 - ^.r - 12. Jahrgang. Beilage zum General-Anzeiger Mai 19SS. Menn wir mit äem Kampfwagen fnkren. Zu der Zeit, da dies geschah, waren wir Kinder zu klein, um etwa zu wissen, daß unsere Eisenbahnlinie Dresden—Leipzig berühmt war als Nummer 1 in Sachsen; für uns war die Fahrt ein Ereignis aus ganz anderen Gründen, kleinen und kleinsten Ursachen nach Kinderart. Wir hatten durch die Groß- mutter ost genug von der „Zeit ohne Eisenbahn" gehört, wie sich Großmutter des Morgens um 5 Uhr von ihrem Wohnort Zitzschewig in Marsch gesetzt hatte mit dem Ziel Dresden, dort den Tag über ihre Besorgungen gemacht und am Spätnachmittag wieder nach Hause gewandert war, alles, ohne viel Aufhebens davon zu machen. Bis zum „Einnehmerhäuschen" waren ihr die Kinder ent- gegengekommen, denn Mitbringsel waren in jener guten, alten Zeit auch an der Tagesordnung, nur bestanden sie nicht in Milchschokolade oder Bananen, sondern in — Semmeln. In Dresden gab es nämlich jeden Tag frische Sem meln; nach Zitzschewig kam nur zweimal wöchentlich die Semmelfrau auS Meißen, im übrigen gab es hausbackenes Brot. Aber das alles waren Berichte, wenn auch Selbsterlebtes, so doch uach unserer Meinung uralt; denn dort drüben rollte und pustete ja der Zug — uicht doch! — der Dampfwagen. Alle Tage sah man ihn aus nächster Nähe, wenn man am Gradsteg an der Barriere stand und warten mußte, bis ein Güterzug von 60, 80 Wagen vorüber war, langsam, langsam, man konnte die Wagen zählen; wer die „meisten hatte", war stolz; die Jungens trieben etwas nicht ganz so Albernes: sie sammelten Lokomotivennamen mit einem Eifer, der die Schulstudien übertraf. Unsere Station war Weintraube, die Kleine Weintraube, zum Unterschied von der Goldenen. Man bog von -er Landstraße ab in den „schrägen Weg". In späteren Jahren begegnete man hier berühmte Lößnitzer, so Dr. Peschel, der täglich mit der großen Reisetasche uach dem Körnermuseum fuhr, oder Hofrat von Schuch, oder die hohe, stolze Erscheinuug -es Professors Oskar Pletsch. Weintraube hatte nicht etwa eine Unterführung wie heute; mag jedes Ding zwei Seiten haben, Weintraube hatte nur eine und das war sehr gut: da kam man nicht so leicht zu spät. Im Winter war die Geschichte gar uicht so einfach, sofern man morgen- 25 § s