33 Karl Czok Der sogenannte Calvinistensturm in Leipzig 1593 it- Als in den Maitagen des Jahres 1593 die Häuser einiger wohlhabender Leipziger Bürger d gestürmt und geplündert wurden, sah es nach oberflächlicher Betrachtung so aus, als wäre dies hauptsächlich religiöser Überzeugung wegen geschehen: Von seiten der Tumultanten, weil sie der lutherischen Religion anhingen; seitens der Geschädigten, da sie Calvinisten ” waren. Dies brachte dem Aufruhr die Bezeichnung »Calvinistensturm« ein. 11 Leipzig war ; in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts neben Freiberg die wirtschaftliche Hauptstadt Kursachsens, Dresden seine noch bescheidene Residenz. Die zur Reichsmesse emporgestie gene Metropole stand noch in der ersten, wenn auch langsam zu Ende gehenden Blütepe riode. Sie profitierte von der Schwerpunktverschiebung des internationalen Handels und :ä - seiner Verkehrswege vom Mittelmeer an die Atlantikküste, was sich an wachsenden Han- ^ delsbeziehungen einheimischer Fernkaufleute zu Antwerpen und Lissabon ebenso zeigte wie zu den Ländern Ost- und Südosteuropas. Leipzig wurde jetzt zum Zentrum des Ost- ” West-Handels. Der allgemeine wirtschaftliche Aufschwung wirkte sich aber auch in der Produktion aus. Zwei Beispiele: 1588 kam es zur Gründung der ersten Manufaktur, die feinste Gold- und Silberfäden herstellte, welche dann in Seidenstoffe eingewirkt wurden. " 0 Ihr Gründer, Heinrich Ryssel, war aus Maastricht eingewandert, hatte 1587 das Bürger recht als niederländischer »Künstner, Maler und Seidensticker« erworben. Er beschäftigte Leipziger Handwerker und Frauen als Arbeiter und Spinnerinnen. Später stellte er noch einen Meister ein, der die Aufsicht über die Produktion übernahm, während er als Han- delsherr das Seidenwaren- und Edelsteingeschäft betrieb. In seiner religiösen Auffassung tl " war er Calvinist. Während des sogenannten Calvinistensturmes 1593 wurde sein Haus , rU i von den Tumultanten gestürmt und geplündert 21 . Sozialökonomisch die gleiche, aber noch eine bedeuteadere Stellung in Leipzig besaß Heinrich Cramer von Clausbruch. Ebenfalls aus den Niederlanden kommend, erwarb er nsl 1556 das Bürgerrecht, kaufte sich zwei Jahre später ein Haus für 5000 Gulden und betrieb den Tuchhandel sowie das Bergbaugeschäft im großen Stil. Seinen Anteil am Han del mit den Niederlanden verkaufte er schließlich für 240000 Gulden. 1577/78 erwarb er zwei Rittergüter, um darin eine Tuchmanufaktur einzurichten, welche die begehrten nie derländischen Tuche herstellte. Cramer ließ eine Walkmühle, ein Wirkerhaus, eine Färbe rei und ein Handelshaus sowie mehr als 100 kleine Häuser für die Handwerker, Gesellen und Arbeiter bauen, von denen zahlreiche aus den Niederlanden kamen. 31 Durch seine