43 aufleben konnten. Vor allem die jüdische Tra dition, ein Zehntel des Einkommens für reli giöse oder soziale Zwecke zu verwenden, hatte sich von Generation zu Generation vererbt. Sie wurde nun auf säkulare Felder, auch auf Kunst und Wissenschaft, ausgeweitet. Die Quellen enthalten allerdings keinerlei Hinweise, die es rechtfertigen würden, diesen religiösen Wur zeln Priorität zuzumessen. Auch der latente Antisemitismus der Wilhel minischen und Weimarer Gesellschaft sollte, selbst wenn er kulturell angepaßte Juden wie die Arnholds durchaus prägte, nicht überbe tont werden. Ganz besonders gilt dies für den Parteienantisemitismus, den die meisten jüdi schen Familien als eine Art Kinderkrankheit ansahen. Wenn überhaupt, dann wirkte in die sem Kontext etwas anderes wirklich verletzend und insofern möglicherweise auch das soziale und kulturelle Engagement fördernd - die vielen kleinen, nicht offen antisemitischen k i u j i'-’k—j a lij Nadelstiche im Alltag. Ob es bei den Arnholds Bankhaus der Gebruder Arnhold um 1875 ö nun die lange Zurücksetzung bei der Verlei hung des Kommerzienratstitels in Sachsen war oder die Einsicht, daß man bestimmten Studen tenkorporationen nicht beitreten könne — jene unsichtbaren und doch fühlbaren Barrieren, die Zugänge versperrten, die weniger dem Menschen oder Bankier als vielmehr »dem Juden« gal ten, sie schmerzten auch die erfolgreichsten Wirtschaftsbürger. 14) Max und Georg Arnhold fühlten sich daher — von der verpflichtenden Kraft des Eigentums überzeugt — gefordert, den emanzipatorischen Ansatz stärken und Brücken bauen zu helfen: So verfügte Max Arnhold testamentarisch die Errichtung einer mit 100 000 RM ausgestatteten und von Vertretern aller Konfessionen geleiteten »Sozialen Stiftung«. Ihre Erträge sollten Vereinen zufließen, »die keinerlei Unterschied in bezug auf Geschlecht, Alter, Religion, Bekenntnis und Nationalität weder satzungsmäßig noch tatsächlich machen.« 15 * Die Arnholds zielten freilich weniger darauf ab zu beweisen, daß sie »bessere Deutsche« seien; sie wollten in erster Linie als Bürger unter Bürgern akzeptiert und als (Mit-)Träger einer bürgerlichen Kultur, wie sie Deutsch land mit einem Goethe, Schiller oder Heine hervorgebracht hatte, wahrgenommen werden. Aus dieser Sicht sollten - bei aller berechtigten Betonung der spezifischen Situation der Juden - zwei weitere Aspekte stärkere Berücksichtigung finden: das originär bürgerliche Selbstverständ nis und die Unternehmerethik dieser wirtschaftlich so exponierten Familie. So ist daran zu erin nern, daß »Newcomer« wie die Arnholds nicht allein durch ihr schnell wachsendes Vermögen zum Bürger werden konnten; Besitz an sich entfaltete noch keine wirklich vergesellschaftende