34 faszinierende Aussagekraft des Dirigenten und die Hochform von Kreuzchor, Staatskapelle und Solisten bestätigte. Am 6. Februar 1971 dirigierte Mauersberger im Gedenken an den Dresdner „Dies ater“ noch einmal, stehend und auswendig, sein „Dresdner Requiem“. Die Aufführung in der Kreuzkir che begann mit 15 Minuten Verspätung, weil der alte Meister den Aufstieg zur Orgelempore kaum mehr schaffte. Er war das letzte Mal der spiritus rector seines Kreuzchores, dessen Auf gaben er über Jahrzehnte bestimmt, dessen Herzen er gewonnen und dessen internationalen Ruf er in diesem Jahrhundert begründet und bewahrt hat : eine einsame Musiker- und Kantorenerscheinung in seiner Haltung : „Nichts für mich, alles für den Chor“. Mauersberger hat sehr gern zwei allerdings ernst zu nehmende Scherzworte wiederholt, mit denen es sicher seine Richtigkeit hatte : „In Aachen habe ich geliebt, gelebt und gearbeitet; in Eisenach habe ich gelebt und gearbeitet; in Dresden nur noch gearbeitet“. Und beim Empfang anläßlich des 75. Geburtstages meinte er, „bis jetzt habe er das , Kreuz- und Querkantorat‘ gut überstanden“ und so wolle er es noch weiter halten. In der Frühe des 22. Februars 1971 verstarb er im Krankenhaus Oberloschwitz. Die staatliche Trauerfeier fand am 27. Februar im Gobelinsaal statt, die Gedenkvesper an demselben Tag in der Kreuzkirche. Als die Überführung des Sarges von Dresden zur Beisetzung in der Gruftkapelle nach Mauers berg erfolgte, herrschten Schnee- und Eisstürme bei glatten Straßen, als verweigere sich die Natur, den Mann dort aufzunehmen, wo er herstammte und immer wieder seine Kraft fand, um in Dresden sein Amt zu erfüllen, von keiner anderen Aufgabe abgelenkt, als Diener und Leiter seines Chores. Uns Heutigen erscheinen alle Umwege, Nöte, Krisen- und Ausnahme situationen geradezu als der verordnete Weg, den der Kreuzkantor beschreiten mußte, so daß wir — aus solcher Sicht — die Ära Mauersberger in ihrer ganzen Größe vielleicht erst jetzt voll erkennen. Literatur/Quellen 1 Mitzenheim, Moritz: Rudolf Mauersberger in Thüringen, in: „Kirchenmusik heute“, herausge geben von Hans Böhm, Union Verlag Berlin 1959, S. 67 f. 2 Söhngen, Oskar: in: „Kirchenmusik heute“, a. a. O., S. 82 f. 3 Wiesenhüter, Heinz: Brief an den Autor, Sept. » 1988 4 Ebenda und: Burkhardt, Karl: Fernmündlich an den Autor Thomas, Kurt: Ein Gedenken des Thomaskantors, in: „Kirchenmusik heute“, a. a. O., S. 30/31 Wiesenhütter, Heinz: Brief an den Autor, a. a. O. Kunath, Herbert: Fernmündlich an den Autor 1988 und Wiesenhütter, Heinz, a. a. O. Faltblatt der Dresdner Kreuzkirche, Januar 1989, S. 3