53 Erik Lindner Jüdische Unternehmer in der Dresdner Zigarettenindustrie 1. Zur Zigarettengeschichte »Für den flüchtigen, nervenanregenden Genuß im schnellen Hasten und Treiben des moder nen Lebens« - dafür stand die Zigarette. Diese kaiserzeitliche Charakterisierung ist typisch für zwei Merkmale der damaligen Raucherkultur: Zigaretten galten als genußvoll und modern zugleich. Prominente Protagonisten dieser Mode waren Wilhelm II. oder Walther Rathenau. Die Branche florierte, Hunderte Fabriken waren entstanden und erfanden ständig neue Mar ken, die dem Image von Genuß und Lebewelt entsprechen sollten. Sie verhalfen der Zigarette gegenüber Pfeife und Zigarre zum Durchbruch, worauf der Staat 1906 mit der einträglichen Besteuerung reagierte. Dresden, Berlin, Hamburg und Köln bildeten die Zentren der deutschen Zigarettenindustrie, in der man Orienttabake nach türkischer oder russischer Art verarbeitete. Tabakhändler und Fabrikanten vom Balkan oder aus Rußland waren die frühen Spezialisten der Zigarettenher stellung. Bedeutende Dresdner Firmen wie Laferme und Jasmatzi gehen auf sie zurück. Tradi tionsreich war seit dem frühen 19. Jahrhundert der Tabakhandel von Juden auf dem Leipziger Brühl, was bei steigender Konjunktur ihre feste Marktstellung garantierte. Jüdische Geschäfts leute gewannen in Handel und Fabrikation eine wichtige Position: Bereits 1865 war in Elbing bei Danzig die Firma Loeser & Wolf gegründet worden, die sich zu einem Großbetrieb ent wickelte. Ein weiteres bedeutendes Unternehmen schuf Jacob Mandelbaum in Berlin: Manoli - die Bezeichnung entstand aus der Umkehrung des Namens seiner Frau Ilona M. - erzielte durchschlagenden Erfolg, u.a. durch Jugendstildesign in der Werbung. Obwohl es anfangs zahlreiche jüdische Unternehmer in der Branche gab, blieb es langfristig nur selten bei den ursprünglichen Besitzverhältnissen. Vor allem während der zwanziger Jahre führte der Konzentrationsprozeß zur Ausbildung fester Konzerngefüge. Nun dominierten Aktien- und Kommanditgesellschaften, wohingegen ursprüngliche Familienbetriebe an Bedeu tung verloren. Manchmal bestand allein der etablierte Firmenname fort, obwohl der Besitz durch Kapitalgesellschaften anonymisiert war. Es ist also mehr als problematisch, von »jüdi schen« Unternehmen zu sprechen, denn der Name allein gab keine sichere Auskunft über Firmenleitung, Inhaber oder Anteilseigner. Beispielsweise war Manoli seit den zwanziger Jah ren ein Teil des Reemtsma-Konzerns. Zu den wenigen beständigen und erfolgreichen mittel ständischen Betrieben mit jüdischer Leitung gehörten Garbaty in Berlin-Pankow sowie Lande und Yramos in Dresden.