Ulrich Kluge Sachsen nach dem Dreißigjährigen Krieg Zwischen Krise und Modernisierung ( 1648 - 1700 ) Mit dem Friedensjahr 1648 begann in der politischen Entwicklung Deutschlands und Mit teleuropas eine Etappe besonderen Gepräges, denn das internationale Kräftegefüge erfuhr langfristig wirkende Verschiebungen. Mit anderen Worten: Die kriegführenden Staaten von einst traten sich jetzt unter veränderten gesellschaftlich-wirtschaftlichen Bedingungen gegen über. Zu den Neuerungen gehörten das Nebeneinander christlicher Konfessionen auf recht lichem Fundament; mehr noch: Ein pluralistisches Staatengefüge entwickelt sich auf Kosten der habsburgischen und schwedischen Großdynastien. Der Westfälische Frieden selbst be saß Geltung als Reichsverfassungsgrundgesetz, aber auch als Konfessionsfrieden, und zwar bis zum Ende des Alten Reichs (1806). Damit begann keine ausgedehnte Friedensperiode, denn im Laufe des 18. Jahrhunderts fanden die konfessionspolitischen Regelungen bei den europäischen Herrschern immer weniger Beachtung. Fragen an die Geschichte Die internationale Szene mag im Folgenden nur den Hinter grund bilden für die hier vornehmlich interessierende sächsische Entwicklung im gesell schaftlichen und wirtschaftlichen Bereich. Ausgangspunkt sind der Krieg, die Kriegsfolgen und deren Überwindung. Alles in allem betrachtet handelt es sich bei der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts um ein Stück sächsischer Geschichte mit »Haken und Ösen«. Die Historiker sind sich keineswegs einig über den zentralen Sinn dieses Geschichtsverlaufs. Die Grundlinien der Forschungsdiskussion lassen sich im vorliegenden engen Rahmen allerdings nur von Fall zu Fall andeuten. Statt dessen geht die Darstellung vom Hauptanliegen der Zeitgenossen von damals aus: Überwindung der Kriegsfolgen, und zwar so schnell wie mög lich. Es geht um den gemeinschaftlichen Aufbauwillen, um die Erfahrungen, die ihn be stimmten, um den obrigkeitlichen Willen, der ihn lenkte und um die Erfolge, die ihn schließlich krönten oder die ausblieben. Aufgaben und Entwicklungsperioden Was zu unternehmen war, um aus der Katastophe so schnell wie möglich herauszukommen, diktierte das Dilemma, wie es bei Kriegsausbruch entstanden war: Wichtige Entwicklungstendenzen, die vor dem Krieg begonnen hatten, reiften nicht mehr aus. Das Kriegsgeschehen vernichtete außerdem eine Fülle volkswirt schaftlicher und weltwirtschaftlicher Verflechtungen. Die traditionellen Wirtschaftsver bindungen des Binnenmarktes rissen ab. Bäuerliche und gewerbliche Arbeit fielen der