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Das Wunder. „Höre, Röschen," sagte der Vater, „laß Du den Hans Hans sein, das ist nichts für Dich. Du hast Nichts und er hat Nichts, und aus Nichts wird Nichts!" „Ader, Vater!" entgegnete Röschen fast weinend, „aus Nichts hat ja Gott die Welt erschaffen." „Ja, das war in der goldenen Zeit, jetzt leben wir aber in der papiernen, und da gilt das Spruch wort: Aus Nichts wird Nichts." „Aber, Vater, meint Ihr denn, mein Herz ist eine Laterne, und ich kann die Liebe darin aus löschen, wie ein Stümpfchen Talglicht? Wenn ich den Hans nicht mehr sehen soll, so ist's aus mit mir. Und was habt Ihr denn gegen den Hans ?" „Der Hans wäre mir schon recht, aber seine seere Tasche nicht." Der Vater sagte noch Mancherlei, das, wie es bei verliebten Leuten immer der Fall ist, zu ei nem Ohre Röschens hinein und zum andern wieder herausging, und die Sache blieb beim Alten mit dem einzigen Unterschiede, das Hans immer dann erst zu Röschen schlich, wenn der Vater nicht zu Hause war. Eines Tages saßen die beiden Liebeslcute im Schatten der großen Linde im Garten, und kos'ten freundlich miteinander, keiner bösen Ahnung Raum gebend, als plötzlich Röschen gegen die Gartenthüre hinblickte, und sie sah den Vater, mit einer großen Axt bewaffnet, über den Hof daher kommen. Hans kletterte, wie eine Katze, auf die Linde, und ohne zu fragen, was Röschen da im Garten zu thun gehabt, erzählte ihr der Vater, cs habe ihn von einem großen Schatz geträumt, und ein Engel sagte ihm, er solle die große Linde umhauen, da würde er zwischen ihren Wurzeln eine Kiste mit Gold finden, Berliner Theaterstücke zu Anfang Johann Sigismund, Churfürst von Branden burg, gab einem gewissen Hans Stockfisch, gewöhn lich der englische Junker genannt, den Auftrag, eine Kompagnie Komödianten nach Berlin zu schaffen, wofür ihm ein jährlicher Gehalt von 200 Thalern nebst freier Station und zivei Essen als Deputat angewiesen wurde. die ihn reicher machen sollte, als den großen Mogul, und nun hob er auch die Axt und wollte anfangcu in die Linde cinzuhaucn, da fiel ihm aber Röschen ängstlich ein: „Was Lenkt Ihr denn, Vater! die schöne frische Linde — die hat die Großmutter gepflanzt, wie käm' da eine Kiste hinunter? Ihr werdet Euch geirrt haben, und der Engel hat Euch den alten Lindenbaum da rechts gezeigt. Der stand noch vor dem dreißigjährigen Kriege, unter dem kann wohl einmal Einer in drohender Zeit sein Geld vergraben haben." „Das kann auch sein," entgegnete der Alte, „ob er mir den großen oder den kleinen Baum gezeigt hat, das weiß ich selber nicht mehr recht." „Gewiß, Vater! cs ist der kleine." Und während der Alte fleißig hackte und hackte, betete Röschen in voller Angst: „Ach, heiliger Christoph! Helf mir aus der Noth und wirke ein kleines Wun der, sonst findet der Vater meinen Hans, nnd macht einen Mordspektakel, ja, er wäre im Stande, und verböte mir auf immer, mit dem lieben Jungen zu reden." Und wie der Alte eine halbe Stunde fleißig zugehackt hatte, fiel der alte Baum, und zwischen den Wurzeln war Alles gelb, — eitel alte Ducaten, und darunter viele andere größere Goldstücke. Und während Vater und Tochter jubelten, kroch auch Hans vom Baume herunter, ihre Freude zu theilcn. Den sah der Vater verwundert an, und sprach: ,, Wo kommst denn Du her? Dich habe ich im Traume nicht gesehen. " „ Ei, Vater!" entgegnete RösHbn schelmisch, „das ist der Schatz von der andern Linde." Und nach vier Wochen waren Hans und Rös chen Mann und Frau. des siebenzehnten Jahrhunderts. Aus einer vorhandenen Probe läßt sich urthci- len, von welcher Art die dramatischen Stücke wa ren, mit denen Hans Stockfisch sein Publikum be lustigte. Es erschien nämlich im Jahre 1618 zu Cöln an der Spree ein lustiges Spiel mit folgen dem Titel: ...ämsntes amentes, d. i. ein sehr an- muihiges Spiel von der blinden Liebe, oder wie