Mö für den Deutschen Buchhandel und für die mit ihm verwandten Geschäftszweige. Hcrausgcgeben von den Deputirten des Vereins der Buchhändler zu Leipzig. Amtliches Blatt des Börsenvereins. 21. Dienstags, den 12. März 1839. Die Literatur Rußlands im Jahre 1838. Man ist gewohnt, Rußland in intellektueller Beziehung noch auf eine ziemlich tiefe Stufe zu stellen, und besonders Französische Blätter gefallen sich darin, es als ein Land dar zustellen, wo Künste und Wissenschaften noch sehr im Argen liegen; wenn auch natürlich ein Vergleich Rußlands in Bezug auf literarische Fortbildung mit Deutschland, Frankreich und England bis jetzt gar noch nicht anzustellen ist, so muß man doch anerkennen, daß seine Fortschritte in den letzten Jahren von großer Bedeutung sind, und die nachfolgende kurze Uebersicht der Russischen Literatur von 1838 dürfte geeignet sein, manche Vorurtheile zu ver bannen, und zeigen, wie sehr man dort bemüht ist, die Wissenschaften zu fördern. Der rege Sinn für historische Studien, den seit An fang dieses Jahrhunderts besonders Frankreich und Deutsch land zeigen, hat sich auch auf Rußland ausgedehnt, und wie man in erstcren Ländern endlose Forschungen in Bezug auf dunkle Stellen ihrer Geschichte anstellen sieht, so haben auch die Russen angefangen, ein helleres Licht über die ältesten Zeiten der ihrigen zu verbreiten. Die Chronik von Nestor hält man nicht mehr für un fehlbar, und Karamsin's berühmtes Werk über die Geschichte Rußlands genügt eben so wenig mehr. Dem ersten Werke ist ein vielfaches Verdienst nicht abzusprcchen, nur bedurfte es eines tüchtigen Eommentares, und das Ministerium des Unterrichts, dieses Bedürfniß erkennend, hat eine wissen schaftliche Commission ernannt mit dem Aufträge, den Text dieser Chronik nach den vorhandenen Manuscripten zu be- 6r Jahrgang. richtigen und eine möglichst vollkommne Ausgabe derselben zu veranstalten. Ueberall forscht man nach Traditionen, Denkmälern, Karten und allen Handschriften, welchen die Zustände Ruß lands während der Jahrhunderte der Dunkelheit und Roh heit erhellen könnten. Die Regierung unterstützt diesen Eifer und hat die Herausgabe einer Sammlung von Doku menten begonnen, welche sich auf die National-Altcrthü- mcr beziehen. Es sind hiervon bereits vier Bände erschienen, das Resultat einer archäologischen Expedition, an deren Spitze P. Ströff und I. Berednicoff standen. Die Archive der vielen Klöster, der Gerichte, ja alle alten Gebäude sind sorgsam durchsucht worden und haben eine große Menge von Manuskripten zu Tage gefördert, welche von hoher Wichtigkeit für die Kenntniß der Verwaltung der Provinzen in früheren Zeiten, der religiösen Gebräuche, der Sitten und Institutionen sind. Solche Arbeiten können nur mit Unterstützung der kaiserlichen Regierung fortgesetzt werden, und sie ist nicht karg darin. Diese von der Regierung gezeigte Theilnahme für solche historische Forschungen hat auch die des Publikums erregt, wovon der Beweis ist, daß in keinem Jahre früher so viele historische Werke erschienen sind, als 1838. Das Wich tigste dürfte „Bulgarin's Rußland" sein, wovon 4 Bände vorliegen. Der Zweck des Herausgebers ist, eine allgemeine Uebersicht der Geschichte, Geographie, Statistik und Literatur zu geben. In Rücksicht auf die statistischen Angaben steht dieses Werk weit über dem vor mehrern Jah ren von Schnitzler in Französischer Sprache erschienenen Versuche, doch ist zu bedenken, daß Bulgarin auch unendlich mehr Hilfsquellen zu Gebote standen, als Schnitzler, sein Plan auch weit umfassender ist. Eine Uebersehung von 38