Illustrierte Monatsschrift für Kunde der deutschen Dorzeif. Jahrg. I. Herausgegeben von Dr. Chr. Meyer, München. Nr. 12. Philippine Welser. Von Christian Meyer, V or nunmehr zweiundzwanzig Jahren habe ich an der Hand der urkundlichen Zeugnisse des mir damals unterstellten Augsburger Stadt archivs den Sagenkranz, der sich im Laufe der Jahrhunderte um die historische Gestalt der Augsburger Badedienerin Agnes Bemauer, der späteren Geliebten Herzog Albrechts von Bayern, gebildet hatte, zerpflückt und das Bild derselben in seiner geschichtlichen Wahrheit, frei von allen späteren Zuthaten, zu zeichnen versucht. Heute will ich das Gleiche mit eiuer anderen Augs burgerin thun, deren Name noch bekannter, deren Erscheinung aber womöglich noch sagenhafter entstellt ist: Philippine Welser, die Gemahlin Erzherzog Ferdinands von Österreich. Ihr Bild weicht in den meisten Punkten von dem ihrer Vorgängerin ab. Namentlich unterscheidet sie der harmonische Abschlufs ihres Lebensloses von der unglücklichen Bemauerin. Sodann war Phi lippine Welser einem alten und vornehmen Partriziergeschlecht entsprossen, während Agnes Bemauer von niederer Herkunft war. Endlich ist das Band, das Philippine mit dem deutschen Kaisersohn verknüpte, ein i rechtsgiltige, wenigstens später vom Kaiserhofe anerkannte Ehe gewesen, während Agnes nur die Geliebte des Bayern herzogs war. Beide Frauen gleichen sich le diglich darin, dafs sie beide aus Augsburg stammen, durch hervorragende körperliche Schönheit einen gewissen Ruf bei den zeitgenössischen Geschichts schreibern erlangt und das Interesse von Fürsten söhnen dauernd an ihre Person gefesselt haben, sowie endlich darin, dafs Mit- und Nachwelt einen Kranz von Sagen um ihre Gestalten gewoben haben, die aufzuklären und richtig zu stellen jetzt, bei der Armut guter gleichzeitiger Nach richten, eine schwierige Arbeit ist. Während jedoch die Aufstellung der Ge schichte der Agnes Bernauer das Resultat eigener eingehender Studien war, kann ich mich hin sichtlich der Welserin darauf beschränken, ein Resume der Arbeiten anderer zu geben. Zu nächst ist hier zu nennen ein Geschlechtsgenosse Philippinens: Freiherr Johann Michael von Welser, der die Mufse fast seines ganzen Lebens daran gewendet hat, das urkundliche Material über seine berühmte Verwandte zu sammeln. Im Jahre 1864 wurde dasselbe zunächst als Manuskript gedruckt, später sodann in der Zeitschrift des Augsburger historischen Vereins, (Jahrgang XIV) auch weiteren Kreisen erschlossen. Nach Welser haben na mentlich Hirn (in seinem gröfseren Geschichts werk über Erzherzog Ferdinand, Philippinens Gemahl) und der Innsbrucker Archivdirektor von Schönherr weiteres urkundliches Material zur Lebensgeschichte der Welserin beigebracht. In allemeuester Zeit ist sodann durch Wendelin Boeheim in .Wien der Versuch gemacht worden,