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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.03.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-03-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188803024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-03
- Tag1888-03-02
- Monat1888-03
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.03.1888
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tz 12SV km preußischen Abgeordneten hau« näher ssegrssadete. L« wäre nun da« Nlcktigsie und Erns. .qste gewesen. wenn d»e Herren Mu>.cket und Neickensperger auj eine weitere DiS- cnssio» ihrer Anlc^ze verzichtet bLlten. Aber kaS widerstrebte der srnfinnigcu und nttramontanen Taktik. Die Anträge schienen eine» zu willkommenen AgitationSstcfs darzubiclen, um so leicht daraus zu verzichten. Gleichwahl vermochten die Antragsteller nickt, wie sie wohl gewünscht und gehofft haben mochten, die großen Masten für ihre Anträge zu erwärmen. Po» keiner Seite gingen Peti tionen ein, welche die gestellten Forderungen unterstützten. Und wenn ei» fortschrittlicher Rechtsanwalt wie Herr Munckel die B'banpliing anfslellt, daß ei» Laiengeiicht eine größere Bürgschaft biel.l für unabhängige und zuverlässige Recht sprechung als ein aus Rechtskundigen zusammengesetzte« Col legium. so muß daS selbst dem Laien paradox erscheinen, be weisen aber läßt eS sich ganz gewiß nicht. Nachdem nun der Reichstag mehrere Sitzungen an die Widerlegung der Herren Munckel und Ncichensperger verwendet hatte, sahen sich die Antragsteller endlich dock heute veranlaßt, ihre Anträge zurückzuziehen. Sic ersparen sich so wenigsten« die Feststellung einer eclaianlen Niedrrlage. Des Weilere» standen heute die bekannten Anträge der Zünftler wegen E nsührung deS Befähigungsnachweises für den HanViverksbclrieb zur zweiten Berathung. Man wird anerkennen müssen, daß die Negierung dem Ansturm aus die Gewirbecrdnuug b>S jetzt den »löss-chsten Widerstand entgegen» gesetzt hat. Mau kann da« Gleiche von den Gegnern der Anträge Ackermann und Genesten nicht sagen. WenigstenS wurden sie heute, zum Tbeil mit einer Stimme Mehrheit, zur Annahme gebracht. Hier liegt ein Sieg der mit dem C'i'trum verbündeten Cvnservativen vor. Man kann den .Frriiinnige»' den Dorwuis nicht ersparen, daß sie nichi vollzählig zur SlrUe waren, llnd wenn a»ch beispielsweise Herr Birchow die Psl chte», welche ihm die Nebernahine eine- ManvateS für Reichstag und Abgeordnetenhaus auferlegt, am besten in Egypten zu erfüllen glaubt, so sollten in so dringenden Fällen, wie eS der Schutz der Gcwerbesr iheit ist, wenigstens die anderen Freisinnigen zur Stelle sein. Man darf gespannt sein, wie dar Sliniinverhältuiß sich in der dritten Lesung gestalten wird. Im Abgeordnetenhaus«, wo die nächsten acht Tage wohl durch die Berathung deS C»llu-etat- in Anspruch ge nommen wird, hat Abg. von Hammerstein eine Reibe von Anträgen gestellt, welche bedeutende Mcbrbewillignnocn für die Zwecke der evangelische» Kirche belrefsen. Eine Art von Culturkamps scheint also auch von der..Lklen;;eitung»"-Partei in Aussicht genommen zu sein. Vielleicht handelt e- sich um «ine Art Cartcl zwischen unseren orthodoxen Reaclionairen und den Ultramonlanen. sich gegenseitig bei ihren Forderungen, welche die Stärkung oer „Kirche" aus Kosten deS SlaaleS dctressen, zu unterstützen. Co erklärt sich auch die sehr ge schraubte und gewundene AnSbruckSweise der ..Kreuz zeitung" gegenüber den Windlhorst'schen Anträgen. Beider Ansturm wird jedenfalls die nationallibcrale Partei geschlossen aus dem Plan finden * Die ossie! 8 sen .Berliner Politischen Nachrichten" bemerken über die Geschäftslage deS NeickStageS: Denn IN den ReickStagSkreisen der Wunsch besteht, die lausende ReichSlagSsession am 10. März zu schließen, so ist anzuerkennen, daß in dieser Session viel, zumeist sehr -öesriedigenbeS und selbst böchst DankenSwerthcS geleistet ist. Wir erinnern, von Geringerem abgesehen, nur an da« Land- wehr» und Militairanleihegesctz. die Zollnovelle, die Verlänge rung de« SocialistengesetzeS. DaS Gefühl, für jetzt genug aethan zu haben, und der Wunsch, die Erledigung weiterer schwerwiegender Ausgaben einer folgenden Session vorzu» behalten, »st daher erklärlich und bi« zu einem gewissen Grave berechtigt. Bei einem am lv. März d. I. in Aussicht zu »ehmenden ReichStag-schlusse würde allerding« eine Berathung sowohl de« GenossenschastSgesetze«. wie der Alter«» und Invalidenversicherung ausgeschlossen fein. Schon der Umsang de» Genossenschast-gesetze» macht e» mehr al« unwahrscheinlich, daß dasselbe auch nur bi« zum lv. März an den ReichSlog würde gelangen können. Der Entwurf der Alter«, und Invalidenversicherung wird voraussichtlich in ollrrnächster Zeit mit Allerhöchster Geneb- «igung dem BunveSralh vorgelegt werden können. Aber auch diese Vorlage beansprucht nach Umfang und Bedeutung, und zwar in noch höherem Maße al« da« Genosscnschastö- arsetz, die eingehendste Berathung durch den Buube-rath. Für diese Prüfung den weitesten Spielraum zu lassen, ist aber im Interesse der Sache au sich und besonder« noch au» dem Grunde geboten, weil seit der Veröffentlichung der Grundzüge daS Interesse der Betheiligtea und sachverstän digen Kreise in erfreulicher Weise wacbgerusen ist Praktiker und Theoretiker wetteifern, die Ergebnisse ihrer Prüfung in der Presse darzulhun. und die Literatur über die Materie ist zu einer stattlichen Fülle angewachsen, sie nimmt noch fort während zu. Dem BundeSrothc wird sich daher ein ungleich reicheres Material für die Prüfung des Entwurf- bieten, »l« eS bei der Entwersung der Grundzüge vorlag. Es kann daher nur der schließlichen Erledigung der Sacke förderlich fein, wenn der BundeSrath in voller Ruhe und Muße und ohne durch die Wünsche baldiger Vorlegung an den Reichstag gedrängt zu sei», seine Berathung vornchmen kann. Aus dem preußischen Landtage. * Berlin. 29. Februar. Da» Abgeordnetenhaus beriech beule den Antrag Prinz Arenberg. belreffcnd Wiedererlheilung der Coiporationsrrchle a» kalbolilche OrdenSniedeilassungea. D-r Antrag- strller sührte aus. daß der Antrag eine Forderung der Billigten sei uno nur R ckl-sicherheit schaffen wolle. Da- den Orden-nieder- lassungen gkl,Seine Vermögen werde jetzt von Staatsbeamten ver- waliel und dies, BlNviItuiiq lei weder ivotilseil, noch den Bedürlnissen der Niederlassungen cniivrechend. Minister von Goßler gab zu. daß jetzt einige R.cytsunklaryett in diesem Punkte Kerrsche und erklärte, daß demnächst ein Grletz-nlwnrs eingedracht werden solle, welcher den wieder zugetasiene» Niederlassungen di« Sicherung ihrer Cor- poratioii-rechtk gewa nt. Mit Rücksicht aus diele Erklärung wurde d-r Gegenstand von der Tagesordnung at'gesetzl Es soigle die Beraihung von Petitionen von geringerem Interesse „nd alsdann die zweite Lesung teS Antrag- Hitze-Lieber aus unve,kürzte Verüsse»Iüchung derIaKr,»- berichte der Fabrikinspecloren. Nach längerer Debatte, in welcher Minister». Bötticher die Nutzlosigkeit und Kostspieligkeit dieser Veröffent lichung darlegte, die Antragsteller und andere Redner aber den Nutzen sür die sociale Wissenschaft yervorlioben, wurde der Antrag entsprechend dem Vorschlag der Blidarlcomniiision adgelehnl. Es sollte die Bcrachnng der Petitionen verichiedeuer Siädte, die Be- stimmungen des Gesetze- ül»r die Pensioniriing der VoikSichulichrcr auch aus die Lel.rer an öffentlichen ge!,»denen Schulen aus.unebnen. Nach länger,-r Debatte wurden die Petitionen der Regierung zur Berückst yngun i überwiesen Mit einer die entsprechende Beibilse de- Siaaies betonenden Vciiicrkung. Morgen beginnt die Acralhung de« CulluSelatS. * Berlin, 29. Februar. Der Antrag Windtborst bezüglich der geistlichen Herrschaft in der Schute wird, soweit sich die Stimmung im Aogeordnelenhanse bi- jetzi übersehe» laßt, von keiner anderen Seile Unterstützung finden, so daß daS Lentrum mit den Polen damit allein stehe» wird. Selbst aui der äußersten Rechien ist man nicht geneigt, Herrn WiudlHorst bei tieiem Antrag, der die iiliromonlane» Ziele auch gar zu deutlich enthüllt hat. zu unlersiiitzeii. Es ivllen sich unter diese» Umständen selbst im Lenti um Bedenk-n regen, ob H-cr Windlhorft nicht mit der Einbringung einrS so weilg henden Antrags, der nur die völlige Vereinzciiing seiner Partei zur Darstellung bringen wird, einen Fehler ge- mochi hat. Die Trlmerfeier am basischen Hofe. " lieber die Traucrseicrlichkeiten am großherzoglichc» Hose von Bade» melrrt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" ans Karlsruhe. 21. Februar: Wenn in dem letzten Jahrzehnt die Stadt Sarl-rnhe in den Bordergrund der Togetiutereffe.« «rat und die Ausmerkiamkeit de« beutsehen Bolle» ans sich lenkte, sa waren e« stet« Ereignisse freudiger Natur, du auch außerhalb der gelbrothen Geenzpsäble milen psunde». mitgeselert wurden. So da« sünsundzwanz-giädrige Regieruag«- jubiiäum des Großherzog», die Vermählung der Prinzessin Victoria mit dem Kronprinzen von Schweden, die silberne Hochzeit de- er» touchiea Herricherpaare- und zuletzt noch die freudig begrüßte Ver mählung des Erbgroßh-rzogs mit der Prinzessin Httda von Nassau. Diesmal ist eS eine Veranlassung traurigster Art, weiche die badische Haupistadt zu einem vielgenannten Orte mach«; ein TrauersaU, der um so erschütternder wirkt, als ein junges, doffnuogSvolle« Lebe» jäb dem Tode veifiel. Daß hier eia schwere« Lew aui den Gemütdern lastet, erkennt der undeiangene Zuichaner sosort. Wer die prächiige Fächerftndt während ihrer großen Festiage gesehen, im Schmucke ihrer Triumvddogea. ihrer Fahuea, Masten und Laub,eivinde. der erkennt sie deute kaum wieder; Hoffnung und Freude haben sich «n Schmerz und Trauer verwandelt. Wo sonst die malerischen Volks trachten sich vor dein drei, »ahm gelagerten Residenzschlossr grupvirten, da stehen zahlreiche Männer und Frauen in Trauerkleibung und tue bnnien Farben mußien dem eintönige» Schwarz weichen. Aber die Trauer ist nicht nur äußerlich, auch da« Herz drS Badener- und vor Allen« des Karlsruhers ist dabei bctheiligi Uiib läßt ika auch den richtigen Weg, sie in seinem Auslreten zu beihäiiqen, finden. ES hätte einer wohlwollenden Mahnung, den Schmerz der erlauchten Estern durch möglichst stille« Verhallen zu ehren, kaum bedurjt, um keine laute Loaiion. die, wen» auch aut gemeint, hier wenig am Platze gewesen wäre, ouikommen zu lassen. So gestaltete sich denn die Ankunft des Sroßherzog- und der Frau Gcoßherzogin mit deo irdischen Ucbcrresten des verblichenen Prinzen zu einer tbeilnahmS- vollca. stummen Huldigung. Die Straßen waren übersülll. ober kein Laut war hörbar; e» war ein beredtes Schweigen, daS deo Tobten und die Lebenden ehrte. Der Trauerzuq ging die Karl- Friedrichstraße entlang; am Portal der Schlvßkirche — eS war um Mitternacht — stand der Hoiprcdiger lft. H lbing, um an ge weihter Siätte den »raueeiiden Eltern Warte de- Tröste- zu lagen und die Leiche mit einem stillen Bebele zu emviongen. Der Piälal Doll selbst war nach dem Eintieffen der Trauerkuade sosori nach Feeiburg geeilt. I» der Schloßkirche wurde der Sarg ausgebakrt und sand daselbst seine vorläufige Statte, bi« er morgen in die großherzogliche Brust übergeiüh.l werden soll. Alle Aaende bat seitdem an dem Sorge eine feierliche Andach! stailgesunde«, welcher der Großherzog und die G'eßtnrzogin mit ihrer nächslea Umgebung beiwohnien; die Ansprache hielt hierbei jedcSmal oer Hojprediger vr. Helbing. Am Sonntag Nachmittag war aus Anordnung deS Großherzog» der Zutritt zur Schioßk rcke sür Jedermann q>stattet, und es fand deshalb -ine w hrbajte VölkeiWanderung aus dem ganzen Groß- berzogibum nach Karlsruhe statt. AuS allen Theilen des reich ge segneten Landes kamen die schlichien Bewohner herbeigeeilt; aus dem Seekreise, aus dem sagenumwobenen Ovcrlande. von dorther, wo des Schiv'izwalds Berge sich nach der heiterrn Ebene senken, von Ali.Heidelberg, der Stadl an Ehren reich, und aus den Thälern de- OdenwaldeS, kamen sie hei beigeströmt. um dem lobten Prinzen eine letzte Huldigung zu erweise». Auch hier war trotz de- mnssen- hoslen Zudrange- die Haftung deS Pubstem»- eine durchaus ge messene. wohlanständige; ein Jeder von den Tausenden war sich de- ernste» Angeublickes vollbewußt. Sestern und h ute war der Zutritt zur Kirche nur Wenigen ge- stallet; zu denselben zäblte auch Schreiber dicier Zeilen, dem es ge- ftoiiel sein mag. bei dieser Gelegenheit seinen Danl >ür die alliettige, freundliche Unterstützung, die er gesunden, öffentlich au-znip,cchea.— Der Sarg war auch »in diese Stunde noch »ich» geichloisen, ober von den sterblichen Ueberreften, die er barg, war nichts zu ftben. lieber da- Antlitz hatte man ein weißes Luch gebreitet, der Körper selbst war über und über bedeckt mit kostbarste» Palmen und Kiänzen. Als letztes Gewand dal man dem Prinzen die Uniform des Leib-Grenadier- reg-ments Nr. 109 gegeben, dazu das Band des HausordenS der Treue, den Ster» dieses Ordens und das goldene ErinnerungSkskuz, genistet am goldenen Hochzeitstage Ihrer Kaiserliche» und König lichen Majestäten. Der Sarg war im Schiss der Kirche ousgebadn. dicht unter der Kanzel; am Fußende logen aus einem Tabourel Helm, Degen und Hanbichutje des Heimgegangenen FülsiensobneS. Ein Kommerherr, eia Oisicier und zwei Svldaie» hielte» die Ebremvache. Aus dem Sarge, um ibn herum und durch daS ganze Schiff der Kirche entlang thürimen sich die Palmen und Kränze zu sörmlichen Bergen. Von berusenster Seite weiß Berichterstatter, daß man um jene Stunde deren bereit- über sänibundertundiünlzig zälilte. Und dabei fehlten »och diejenigen, aus welche sicher die meisten und heißesten Thräuen gesellen, die des Kaisers und oer Kaiserin, die der erlauchten Eltern, der Geschwister »nd der nächsten Berwanolen. Es wäre »ermessen, diese auserlesene Btülbenpracht zu beschreiben und alle Diejenige» namhaft zu machen, von denen diese Spenden herrührlen Es seien ober doch wenigsten- einige Namen genannt, und zwar diejenigen, die gerade in der Viertelstunde, als Schreiber dieser Zeilen in diesem schlichten Goltcshauje weilte, ihre duftenden Gaben am -arge nieder- leqen ließen. Der Zusall führt also die Feder: die Kaiserin von Oesterreich und bereu Schwester, die Gräfin Trani, der Füist Karl Egon von Fürstenberg, die in Leipzig und die in Straß'urq ftudirenden Badener, die Giäfin Onola, Palastdame der Kaiserin, der gelammte Hofstaat de- Kaisers — eine pompöie Derorai-on. au- zehn Paliiienwedcln bestehend —. der portugiesische G,sandte MargniS de Penaficl, die Stadt Baden, die Bmichenichaslen und Eorps der technischen Hochschule in .Karlsruhe, die Lehrerschaft der Technischen Hochschule, die in Karlsruhe wohnenden Reserve- und Landwehrosficrere, tue Erste und Zweite Kammer, das Leib-Regiment Nr. 1t»9, der Herzog von Nassau, Prinz Karl von Baden »nd seine Gemahlin, die Gr äst» Rhena, der General v Degenseld. der Cnbin.ttS- raih der Kaiserin, Kammerherr von dem Knesebeck, der Fürst Hohcnlohc- Langenburg und Andere. In der Stunde, da diele geilen dem Leser g-druckt vor Augen stehen, hat Prinz Ludwig Wilhelm bereits seine letzte Ruhestätte in der Gruft seiner Adnen gciunden. Dieselbe befindet sich uiucr der am Marktplätze gelegenen, von Weindrenner in den Jahren 1807 bi» 18l7 erbauten evangelischen Stodikirche, und eS können hier noturgemäß nur diejenigen Mitglieder der großherzoglichen Fa milie ruhen, die nach letztgenanntem Jahre gestoede» sind. Die Zähringer der srühcre» Zeit sind zuin großen Theile in der Familiengruft in Piorzheim beigeietzt; der Gründer der Stadl Karlsruhe, Markgraf Karl, rubt, wie allbekannt, inmitten der Stadt, aui dem Moikiplotze, unter leiner von rothem Sandstein errichtctea Pmamide. Die jetzige Familiengrus» darf man sich als Unteikirche denken, den Läuten oben entivrechcn unten die Pleiter, welche di» Kreuzgewölbe tragen. Man hat ihnen einen himmelblauen Anstrich gegeben und sie Mit Steinen gkichmücki; das Symbol der Ewigkeit, trostvoller Hoffnung, gläubig chiistlichen Empfinden- auSgebreitet über die Särge, über Todesgrauen, über Erdenlcid und Ereenichmcrz. Aus erhöhten llnlecsütze» stihen hier die mächtige» Särge, ein jeder mit violettem Sammci überzogen, mit Goldbronze aeichniückt und mit silberner Toset versehen, welche den Name» de» Tobten enthält. Der Letzte, den mau hieri erqebctict, war der greise Großvater deS »etzt verstoibenen Prinzen Ludwig, der Markgeas M x, der jüngste Binder deS 1852 veistorbeneo Großherzog- L-ovold und mithin Onkel de- jetzt regierenden Großherzog-. Jetzt haben sich die Pionen der Gruft auss Neue geüssiut. und heute war man damit beschäftigt, bei, Blumen- und Palmeiiflor miS der Sctiloßk»che Hier her zu schasse», daß er sorlan aus der Nuhestatte des Prinzen lagere. Die Blumen werden bald vergehen und d:e Blälter verwelken, ober dat Gedächtnis Dessen, dem sie gellen, wird sortlcben. Telegraphisch wird un- gemclket: * Karlsruhe, 29 Februar. Die feierliche Beisetzung de- Prinzen Ludwig Wilhelm sand heule unter großer Betlieili. s gnng dcr Bevölkerung statt. Nach dem Trau,rg-bet in der Schloß- ! Arche wurde der Sarg IN de» Leichenw igen gehoben und in seier- ! lichem Zug-, der sich »m 12 Uhr unter dem Geläute sämmilichcr Blocke» in Bewegung letzte, »ach der Stadtkirche üdcrgeiiihrt. E>ue Abtdeilung der Le bgren diere eröffnet« den Zug; an dieselbe schlossen sich die Di'nericdait deS Verstorbenen sowie die Kanimerherren und I»> kcr. Generale de- dabischen Armeekorps trog n vor dem Leichen wagen die Orden deS Verstorbenen. Zu Leite» de- iechsipännige» Leichenwagen» besande» sich die Kamin rherreii und 4 Sial'-vific>tre. w-lch- daS Badetuch trugen. De-, Giotzderzoq und die übrigen sürst- ltchen Herrschaften jotgten in Wagen. Diese» schloss n sich an die Flügel-Adjutanten des Prinzen, die Ober-Hoi- und Hoichargen. dir Abgelandten der srenioe» Fürstlichkeiten, M Iqüeder de- SlaaiS- niinisteriuiii-, die Piäiid.nle» deS Landtag-, als Stellvertreter de- coi:i»>a»t»irenden Generals Gcneratlieuienant v. P ler-dviff. die G-neralilät und B rneier der Stadt Eine Abtheiliinq drS G enadierreginienI- ichleß den Zug. A S letzterer in der Staktkirche anlangte, begann Lr enp ei. Nach ein. i- hieraus solgenden Ehorat- gelang h„li Prälat Doll die Trauerrede. Die Gi eßh rzogiu und die sü,stücken Damen wohnte« dcr rranerseier in der Hotloge bei. Nack der Trauerrrde wurde der Sarg unter Kanone, bonner und Griong in die Giusl versenkt, wo die Leiche in Anwesenheit der höchsten Herrschaften eingrsegnet wurde. De, größte Tbeil der Ge sa äfte bl>eb geschlossen, die Balcon» der Häuser derjenigen Straßen, wetcke dcr Trauerzng passirle, waren schwarz verhängt. Ans dem Marktplätze war tue Trauervarade aiisgcstclll. Socialpolltlfches. * AuS dem Bericht der X. Commission de» Reichs tag« über d,eSonntag«arbeit entnehmen wir Folgende«: Zn 8- (welcher lautet: „Znm Arbeiten an Sonn- and F'fttageo können die Gewerbetreibenden die Arbeiter nicht der- vsl'chieu. — Welche Tage al- Festtage gelten, bestimmen unter Be rücksichtigung der örtliche» un» coliiessionellea Berbältnisse die Lanoc-regierungen"), über dessen Bestimmungen zunächst im Ganzen deballirt wurde, machte man von einer Seite baraui ausmerkjam, daß nach den Ergebnissen der Enquete in dcr Großindustrie dir Verhältnisse bezüglich der Sonntagsruhe diel günstiger lägen, als im Handwerk, worou- zu folgern ist, daß die Durchsührung bei jener möglich sei, dagegen beim Handwerk aus große Schwierigkeiten stoßen werbe. Wie könne man beispielsweise in Fabrikgrgenden dem Fiickichuster die Sonnlagsarbeit verbieten, wenn die Fabrikarbeiter überhaupt nur am Sonntage ihre Arbeit-stiesel eatsehreu könnten? Abgesehen ferner von den Nachtbeilea, welche die Unternehmer aus der Beschränkung der SonntagSarbeit. namentlich mit Rä isicht aus die aus ändlsche lloncurrenz, erleiden möchten, sei doch auch die Frage nicht leichthin abzuweisen, w.r dem Arbeiter den dadurch bedingten LohnauSsall ersetz«. Wenn dafür auch bei der Groß industrie eher ein Au-gleich durch Erhöhung der Löhne sollte geschasst werden, so ersetze dem Handwerker doch sicherlich den erlittenen Ver lust Niemand. Was aber die Großindustrie betreffe» so sei «S nöthig, Sbnllch wie chou bei der Arbeiterschutz Gesetzgebung wegen der Länge der Arbeit-, zeit, so auch hier sür die sogenannte Saisonarbeit ausreichenden Raum zu lassen. Die» seien, wenn man auch im klebrigen princlpiell mit de» ielen der Antragsteller im Allgemeinen einverstanden sei, doch die jedenkt», die man gegen deo vorliegenden Gesetzentwurf nicht unter drücken könne. Boa der überwiegenden Mehrheit der LommilstoaSmitglieder wurde dem gegenüber betont, daß gerade, weil noch im Handwerk die Sonnlagsarbeit so im Schwünge sei, hier dos Bedürsniß nach einer gesetzlichen Regelung besonders obwalte. Uebrigen» dürft nicht übersehen werden, daß die Sonntagsardcit dem Handwerker nicht unbcüingt. sondern nur die Beschäftigung der Geielleu und Lehrlinge am Sonntage verboten werben solle. Gehe man weiter, so muffe man das Verbot aus die Hausindustrie ousbeknen. was allerdings zu größeren Schwierigkeiten führen möchte. Deshalb habe man sich in dem Anträge aus das verbot der Beschäftigung von EKsellea und Lehrlingen in Werkstätten am Sonntage beschränkt. Daß die Arbeitgeber durch den Fortfall der SonntagSarbeit im Allgemeinen Nachtheil erleiden wuide», könne nicht zugegeben werben; denn ihnen würde die durch die Sonntagsruhe dem Arbeiter gewädne Erholung in der erhöhten Leistung-sadigkeit der Arbeiter zu Gute kommen, wenn sie nicht schon blos durch den Forlsall de- iogenaultten blauen Montage- einige, maßen entschädigt werden olften. Al-ßerdem seien die Arbeitgeber messter- in der Loge, sich durch ve, besserte AcirlebScinrichluoge» ober Verstärkung der Arbeit«, träfte zu Helsen. Die that'Lchl'che» Unbequemlichkeiten ober, welche gegenüber den b-Skerigen G-wöhivnqen da- Verbot der SonntagSarbeit iüe den Arbeitcrstanb herdeisühren möchie, würden für ibn durch große Vor- Iheile zweiselloS ouig,wogen. Der LohnauSsall löaur um so weniger Bedenken hervorruftn, als einmal nach den wirthschastlichen Gesetzen sich eine entipeechenbe Lohnerhöhung vollziehen müßte, und ander- eit», wie die Enquete zeige, in den Arbeiierkreisea selbst daraus gar n,ch> der sonst vielsach ihm btigeiiiesieiie W.rth gelegt werde. WaS oea in die Saisonarbeit anbrlriffi, so solle nicht verkannt werden, daß in gewissem Umiange dieser ein berechtigter Anspruch aui Be- rückiichtigung zur Seite stehe. Lielsuch jedoch werde d>cser Beg iss auch da onqewendet, wo die erhöhte Anspannung der Arbeitskräfte in einem begrenzten Zeiträume vermiede» werben könnt«, wenn der Unternehmer rechtzeitig sich mit der Arbeit eingerichtet und sie nicht auS Schlendrian bi» zuletzt habe onstehcii lassen. Der alt ins Feld ge führte Factor der Concurrenz könne insoweit überall nicht in Be- trackt kommen, als sie sich aus daS Inland beschränkt; denn wenn im Jnlande allen Betrieben gleichmäßig die Ausnutzung de- Sonn- tageS entzogen werde, io könne daraus Niemand seinem Concurrentcn gegenüber Bortbeil oder Nalftheil haben. Aber auch die ausländffche Concurrenz sei hier deshalb n,cht allzuftbr zu fürchten, weil einmal Deutschland mit seiner Arbeiterschntzgeictzgrdung nicht allein dastehr, Siaaien wie Oesterreich, die Schweiz ». A. ihm vielm dr vorange gangen seien, die Beschränkung gerade der Soniitog-orbri« aber de- kanntlich auch in England und Amerika in weitgehendem Maße bestehe und weil endlich ein solcher Vorgang, wie er nunmehr auch in Dculichland geschissen w rden solle, in den übrigen Ländern nvlhwe, big Nachfolge finden müsse Die- bedinge die Gleichheit der Int, icsse» deS Arbeilerstandes aller Enlturrö ker. Außerdem sei iür Viesen Puncl, wie auch sür die berechtigte» Bedürsniss: der Saison arbeit in der vorgeichlaqenea Bcsugmß des VundeSraih«. Ausnahmen von bei» Verbvte dcr SonntagSacdeil zu gestalten, au-recchcude Bor- sorge getroffen. Diesen Gesicht'vnnctea wurde in der Commission auch von der anderen Seite die Berechtigung nicht abgisprochen und dabei wieder holt hervorgehoben, daß die ouigeworscnen Bedenken nicht als eine d,recte Ablehnung der H.-reiiibezichung des Handwerks in den Ge- setzeSvorschlog zu betrachte» seien. Nur wünsche man e,ne aus giebigere Berücksichtigung der Io verjchicdenarligen Iateiesscn de- Handwerks und der Kleinbetriebe und eine Sicherstellung gegen zu weit gehende Beschränkung der Saisona'b it; man betürchie, baß beides schwerlich ohne die Mitwirkung der verbündeten Regierungen i» dem Gesetzentwurf zu erreichen sei. Insbesondere paßten die in dem Gei tzeuiwurs zugelassenen Ausnahme» (Arbeiten >»r AuS- sühruug Von Revaraturen, durch weiche der regelmäßige Fortgang des eigenen oder eine- iremden Betriebes bedingt ist, sowie Arbeiten, welche nach der Natur des Gewerbebetriebes einen Aufschub oder eine Unterbrechung nicht gestatten) wenig ans die Verhältnisse gerade de- Handwerks, und ob die Saisonarbeit darin einbegriffen sei, er scheine fraglich. Es blieben in beiden Beziehungen also nur uo-ch die Bestimmungen übrig, wonach der BunveSralh sür bestlmmle Gewerbe iveitere Ausnahmen zulassen und die OrlSpolizeibehörve in dringenden Fäll » die Zulassung der Beschäftigung gestatten könne; diese Fälle aber seien wiederum zu allgemein geiaht, al- daß darin eine Sicherhrit sür jene dem Geieyqeber von vornherein bekannten und seststchenden Ausnahmebedücsaisse erblickt werden könne. In Frage komme, ob man nicht dem Handwerke, ebenso wie e- im Ab sätze 2 sür den Handel vorgejchtagen sei, eine Anzahl Stunden am Sonntage unbedingt sreigebe; bei manchem Kleingewerbe, wie den Bäcker», Flesschern, Barbieren, werden solche Ausnahmen zugelassea werden müssen. Auch diese Ausführungen wurden von der Gegenseite angefochten und die drm Bunve-raihe i» dem Geseyeniwuise erlbeilien Beiug- n,sse jedensalls sür ou-reichend erachtet, um begründeten Ansprüchen auj SonntagSarbeit deS Hiindwerk» Rechnung zu tragen. Mit besonderer Lebhaftigkeit trat der Wunich hervor. In dem Gcsctzenlwurse selber die Gewerbearten zu benennen, sür welche generelle Ausnahmen gestaltet werde» iolllen. Hierbei wurde nameut- Ich aui den situier dem analogen G.setzvorschlage entgegengrsetzica Einwand der Rcich-regierung hmgewieien, daß man in der Fest sitzung der Ausnahmen dem Bundesralhe den bei weitem schwierig sten und veramwortunq-vollsten Theil dcr Ausgabe zuichiebe, ohne welche» da- Gesetz selbst nur eine Form ohne Inhalt sei. Dem gegenüber wurde geltend gemacht, daß einmal selbst unter Zuhftftnadme de» Ergebnisse- der Enquete sür die Commission bei der Lerschiebenartigkeft »nd Schwierigkeit der Materie die Lösung dieser Ausgabe unmögt ch und daß andererseits bei dem durch da» Forischreiien der Technik bedingten sorlwäbrenten Wechsel dcr Ver kält,usse in den verschiedenen Gewerbeorlen die Zweckmäßigkeit einer geietziichen F stlegung der Ausnahmen überhaupt zu bezweiseln sei. W-nn im 8- 16 der Gewerbeordnung die Anlage», zu deren Errick tung e» einer besonderen Geuevmigung bedori, namentlich an gezählt seien, so dürft darin deStnib kein ninßg,dlicher Vorgang ge suuden weiden, weil aus jenem Osibiete die Verhältnisse ungleich ein. jacher lägen. Ebenso wenig vasse hier da» dort >m Schlußsätze sür die Ergänzung und Abänderung de« Verzeichnisse» einqesüvrtc Ver- sadren, wonach der Beschluß de» Buude-ratdcS vorbehaltlich der Genehmigung de» ntchstsolgeadrn Reichstages ergeht Deu» während dort die Wiederaushebung eine« solchen Beschlüsse« de- BundesralheS nur zur Folge bat, daß künftig neue gew.-rbliche Anlagen der be treffenden Ar« je nacdvem wieder eniwcver der Genehmigung de» dürft» oder nicht, würde sie hier leicht Ichwere Nachtdeile iür die jenige» Betriebe herb« führen, welche beispielsweise ihre Einrichtungen unlei Rücksicht aus die vom Bundesralhe verstauet« Soiinloq-ordeit getroffen hätten. Der in dem Gesetze, twurse yrwädlte AuSiveq, wavurch die Festsetzung dem Bunde-rathe überlaßen und nur nne Miitdeilung an deu Reichstag gefordert wird, «mpsrhle sich sonach am meisten. Ein Vorschlag, statt de» BundeSrotbe» die Landesregierung mit der Festsitzung der Au-nobmea zu belasse», fand keinen Anklang, weil eine qteichi»äß,ge Regelung durch da» ganze Reich als w.ient- >,che Vorausietzung rer ganzen Maßregel erscheine. An- demselben Grande wurde ein Antrag, dem BundeSrath die Beiuqniß zu er» tkeilen, nicht nur sür das ganze Reich, landein auch sür Theile deS- selben Ausnahmen zu gestatten, obgelehnt. Dasselbe widersiihr einem Antrag«: im b. Absätze de- 8 tOü» det UroulrageS die Worte: „für alle Anlagen jeder brstiinnttra Gattung" und „jedoch immer MN k»r »lle I^^e, »1 stettvssr»«, Gatt»»«" »» streiche», »»«ft beabsichtigt war. dem Buadr-rathe die Möglichkeit »» -eben, bei der Gestattung von Au-uahmrn nicht aur zwischen de» verschied«»«» Gattung«» der Gewerbebetriebe, soader» auch ttmerhakb «i»er Gattung zwilchen de» eiazelaea Gewerbebetriebe» gleicher AN, je nach der größeren oder geringeren technischen Lollkammruhrft ihrer Einrichiungea. einen Unterschied zu machen. Es wurde die- theil» sür unstatthaft erachte«, weil eS zu Unbilligkeiten führe, theil- sür überstüisig, weil durch de» Begriff der Gattung, welcher für die verschiedenartige Behandlung maßgebend sein solle, auch »ach Aasicht der Herren Regleroogscommissare die Uatersckeidnng z. B. de» Dampf- und Hand- oder Dampf- und Wasserbetriebe« t» eiar» sonst gleichartigen Prodnctiouszweige schon zugelassea sei. vermischte«. — Berlin, 29 Februar. Der Kaiser brachte die gest rigen Abendstunden mit Erledigung von Regieruag«-Ange» legenheiten in seinem ArbeilSztinmer zu. Auch die Kaiserin halte gestern Nachmittag das königliche Palai» nicht verlassen. Dieselbe empfing jedoch am Nachmittage die beiden an« dem Dienst scheidenden Kammerhcrren Freiherrn von Ompteda und Grase» zu Dohna-Mallmitz. Am Abend um 8>/, Uhr war bei den Majestäten ein kleinerer Thee, zu dem auch die Prinzessin Wilhelm und der Erbprinz von Sachsen-Mei ningen erschienen waren und zu welchem auch ver Minister von Puttkamer und einige andere angesehene Personen mit < ftnladungea beehrt worben waren. Im Lause de« heutigen i Zormittag« ließ sich der Kaiser vom Grasen Perponcker Bortrag halten, empfing mehrere Militair« und arbeitete Mittag» längere Zeit mit dem Wirklichen Geheimen Rath v. WiimowSkt. Währ-nd der NachmitlagSstunden erledigte Ver Kaiser noch einige RegierungSangelegenheite». -- Berlin, 27. Februar. Die Heil«arm»e hat gestern den Versuch gemacht, auch in Berlin Anhänger für ihr, Sache zu ge winnen. Die Versammlung, welche die beiden znr Zeit hier weilenden Sendbote» der Heilsarmee auj 4 Uhr Nachmittag- nach der Ber liner Ressource in der Commaudaoreustraße einberuseu hatten, war ungemein zahlreich und von Vertretern aller Stände besucht Neben ernsten Männern der W ssinschaft sah man jene jugendlichen Ge stalten, welche die Sprengcolonuen der Soeialdemokratie zu bilden vflcgen, neben den tö Cckwest'rn des Bethanien-Verein- tauchte die gedrungene Gestalt der Frau EantuiS auf. Der Eintritt war frei, doch waren 30 zu erlegen sür eine kleine Broschüre, sür das Liederbuch der Heilsarmee und für eine Nummer de- „Heil-rus-". Kurz noch 4 Uhr erhellte sich die bisher in tieft- Dunkel gehüllte Bühne und aus derselben erschienen die beiden Sendboten Tommissioaer Rail- ton aus dem englischen Hauptquartier und „Stabshaupimoon" Fritz Schaos. der in Stuttgart restdirende Leiter der deutschen Heils armee. Beide trugen die blaue Uniformjacke, Railton auch da- Untergewoud au- roihem Triest. Kaum hotte Herr Schaos die Worte: „Wir wollen in Gottes Namen" ausgesprochen, als der erschienene Polizeilieutenant weitere Ausführungen durch die Er klärung abichnilt. daß die Becs immlung nicht eher staltsindeu könne, bi- ihm die polizeiliche Äciiebmignug vorgelegt sei. Da war freilich guter Ratd theuer, die Genekmignag war zwar vorhanden, aber nicht zur Stelle. Es bedurfte erst vftler Verhandlungen, bi- der Polizeilieuienant sich befriedigt erklärte. Herr Schaos stimmte an» zunächst mit vohlkliageadcm Tenor ein allgemeine-Lied au: „O nur Dich, mein HcrzenSheiland, dab' ich mir al- Herrn ersehn", Railton begleitete in d>-crrler Weise mit sonorem Boß und schließ- sich fielen in den Gesang auch die Bcthanieoschtveftera rin. die Ibcilweift schon in Süvdeulichlaod der Heilsarmee näher getreten waren. Nach dem Gelang kniete» die beiden Sendboten nieder, um in schneller Sprechweise zu beten für do- Vaterland, seine Fürsten und iür die Versammlung. Al-daaa nahm Mr. Railton da- Wort zu einer englischen Ansprache, die sofort Satz sür Satz von Herrn Schaos überietzt wurde. Zweck der Versammlung sei, wie der Engländer ao-süvrte, die Ziele der Hettsarmee darzulegea und die ihr eiitgegengkbrackten Vorurldeile zu beseiligeu. Die Armee, w-lche >n Christus den wahren Heiland erkenne, umfasse z. Zt. 2!00 Corps mit 5600 Olficieren, allein im letzten Jahre seien töOO Ofticiere neu gewonnen. Wie in Amerika, so hoffe er auch in DeuisckIandin w> N!gen Jahren1400O'ficierezu Koben.(Heiterkeit. Zorns: ..Ji» Land der triliiche» Vernunft? ') Seine Opposition würde die Liebe auSIöschen, die man auch Deutschland entgegenbringe. In zwischen war die Unruhe immer mehr angestiegea und al» nunmehr die Sendboten ein neues Lied nach der Melodie: „In einem kühlen Grunde" anslimmteo, wurde dcr Besang mit Getrampel »nd Psnseo begleitet. Trotzdem versuchte auch Herr Schaas zum Dort zo kommro: ,E war einmal eine Zett, wo auch ich nicht glücklich war; vor 25 Jahren war ich in Berlin und Gott weiß e», wie ich da in der Sünde gelebt habe (Heiterkeit), aber der Heiland da» mich gerettet. Man cpvoniri ja nur, weil man nicht haben will, daß Cbristu» über die Herze» hrrcsche. Mein Heiland ist vorongegaagen (Zürns: „DaS sagt Llöckcr auch") und Tausende werden auch in Berlin Nachfolgen. Und wenn wir die Sünde an- der Welt geschosst Kuben. dann werden wir daS Parodie- aus Erden besitze». (Heiterkeit.) In Stuttgart haben wir die Herzeu schon gewonnen (Zurus: „Mit faulen Eiern beschmeißl mau Euch"), wir erbosten daS auch in Berlin. (Hetterkeit.) Ich bade heute keine Zett mehr, aber ich werde wiederkoattnen, Berlin liegt aus meinem Herzen. (Fortgesetzte Heiterkeit und Unruhe.) Wo ich 5 Iabre in der Sünde gelebt, möchte ich deo Rest meiner Tage in Heiligkeit beschließen. Nur sür eine kurze Zeit sage ich: Leben Sic wohl, reiten S>e Ihre unsterbliche Seele, möge der Herr Sie segnen." (Bestall. Widerspruch.) Ein G bet der beiden Sendboten beruhigte aus kurze Zeit den Tumult, als aber um Beiträge zur Deckung dcr Unkosten ersucht wurde, brach die Unruhe von Neuem los und steigerte sich noch, als eine Diskussion verweigert und die Versammlung von Herr» Schaas kurzer Hand geschloffen wurde. Unter Gejohle und Pseste» leer» sich ver Saal. --- AuS Riestedt bei Sangcrhauscn wird Lber einen Menschenraub geschrieben: Getter» passirte hier em Gegen stück zu dem in frühere» Zeiten vorarkommcnen Priozenraub. Tie unvcrebelichte Anna Becker auS Riestedt, welche zur Zeit i» Bcyernaumburg sich im Dienst befindet, ging gestern Nach mittag von Blyern»umburg nach Riestedt spazieren, um ihre Bekannten zu bcsuckcn. Unterwegs begegnete derselben ihr Vormund, welcher ihr erzählte, daß ihre in EiSIeben woh nende Mutter sie mit Gewalt nach dort holen wollte, sie solle sich daber vorseben. Kaum halten sich Beide getrennt, fo kam «in Cchlittengesährt in schnellster Gangart von Beyer» naumbnrg angesabren, in welckrm sich die Mutter nebst einigen Männern befand, und ohne ein Wort zu verlieren, ging eS an dem Vormund vorbei. Ai- nun die Becker die Absicht der Insassen erkannte, lief sie so schnell wie möglich nach Riestedt zu. Jetzt wurde nun aus die Pferde einaehäuen und im Nu war die B- erreicht und von den Insassen de« Schlitten- mit aller Gewalt hineingeboben. trotzdem sich der Bräutigam der D, welcher hinzugekommen, mit aller Gewalt dcr Eutsührung witersctzte. Trotz dem vielen Hilferufen und Sträuben ging die Fahrt im schnellsten Tempo nach EiSlebeu weiter. Die Sache ist der Behörde anqezeigt und klirste daher die EntsührungSgeschichle ein kleine« Nachspiel haben. Görlitz, 27. Februar. Ein junge« Mädchen Halle fick hier wahrsagen lassen, und die Kartenlegerin batte ihr propbezeit, daß sie da- erste Biertelbundert ihrer Leben«» jahre nickt überschreiten würde. D>e« hatte sie dem aber» qlänbtschcn Mädchen so eindringlich erzählt, daß letztere« kürzlich nach Dreövrn fuhr und, wie die „Göilitzer Nach richten und Anzeiger" berichten, in der Elbe den Tod suchte. In einem hinterlassrnen Briese Halle da« Mädchen die Angst geschildert, die e- vor dem Ereigniß bätle, welche« idren noch vor dem 25. Lebensjahre erfolgende» Tod herbei» sichren wurde. Der Name der Wahrsagerin ist der Behörde bekannt geworden. Bei dem Interesse, welche« die Holbein'sche Madonna in Darmslavt. seitdem sie dem berühmten Dresdner gleichen Bilde gegenüber gestellt worben ist. nnau«» gesetzt bi» heute, da sie tressl'ch restaurirt vor un« steht, in Anspruch genommen hat. dürste e« vielen erwünscht sei», zu erscchren, daß die »Gesellschaft sür vervielsättigendr Kunst" >n Dien beabsichtigt, da- B>ld von Soanenleiter stechen zu lasten, wozu vom Großherzog von Hessen bereit« die A» nchmigung ertbcilt worden ist. ---- Würzburg, 28. Februar. Der Hosbrauhans» director Fuch« wurde heute früh von der Tran«mission«» Maschine erfaßt, wobei ihm der Kops buchstäblich abgerissen wurde.
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