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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.04.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-04-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188804024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-04
- Tag1888-04-02
- Monat1888-04
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.04.1888
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Kr-arlion n»d Erpr-ition Iohan»e«gosse 8. Aprrchkunörn der Nrdartion: Vormittags 10—13 Uhr. Nachmittag! 5—6 Uhr. «, tii «-a,ad« VronuicrixU nutzt sitz dl« «etacli»» nicht verdiatlich. »er sür dir nüchfts-l-e«»« siuwmer brsttmmtrn Inserate a« ««cheniagen b,s 3 Uhr Nachmittags, an L»i»>- uiidFefttagenjrüd di»'/,9Utzr. Zn drn Filialrn für Ins.-Annahme: ktt« Klemm, Universitätsstraße 1. L«ut- Löscht, Kathariuenstr. 38 part. u. Käaigsplatz 7. nur bi« '/,L Uhr. Anzeiger. Organ für Politik. Localgeschichte. Kandels- nnd Geschäftsverkehr. Abonnementsprsi» vierteljährlich 4>/, Mk. inel. Bringerlohn b Ml., durch die Post bezogen 8 Mt. Jede einzelne Nummer 20 P' Belegexemplar 10 Ps. «ebllhren für Extrabeilage» li» Tageblatt-Format gesalzt) ahne Postbesörderung 60 Mt. «tt Postbesörderung 70 Mt. Inserate 6ge,'paltme Petitzeile 20 Pf. »rSherr Schriften lant «ns. Preisverzeichnis, Tadellar,scher a. Ziffern!»» noch Höhen» Taris. Nrltamen »nter dem RedactionSstrich die «gespalt. Zeile VOPs .vor de»Famtlie»»achrichtea die «gespaltene Zeile 40 Ps. Inserate sind stet» an die »xpe»tti»»> z« senden. — Rabat« wird nicht gegeben. Zahlung praonumeranrio oder dnrch Post- nachnakme. SZ. Montag den 2. April 1888. 82. Jahrgang. . Amtlicher Theil. Mlmnlniachimv. Da« 8. Ttück des diesjährigen Ersetz- and Drr- ordnungSblatteS für das Königreich Sachsen ist bei uns eingegangen und wirb biS znnr 18. April dS. IS. au> dem RalhhauSsaale zur Einsichtnahme öffentlich auShängen. Dasselbe enthält: Nr. 1t. Gesetz, die Regelung der Unfall- und Kranken versicherung der in land- nnd sorsiwirlhschasllicben Betrieben beschäftigten Personen aus Grund de- NeicbsgesetzeS vom 5. Mal 1886 betreffend, vom 22. März 1888. Nr. 12. Verordnung, die Erweiterung der Strafbefugnisse deS Gemeindevorstandes zu Reudnitz betreffend, vom 28. Februar 1888. Nr. 13 Verordnung, einige Abänderungen der Verordnung vom 26. Januar 1884 Uber die Herstellung nnd den Betrieb von Waarenaufzügen und Fahrstuhl- einrichlungen in Fabriken und anderen Gewerbe- anlagen, Niederlagen, öffentlichen Gebäuden und Gastbäuserr betreffend, vom 15. März 1888. Nr. 14. Bekanntmachung, die Ucbernahnie deS Betriebe- der Elsenbahnstrecke Dresden - Elsterwerda der Berlin-DreSdner Eisenbahn durch die General- direction der StaalSeisenbahncn betreffend, vom 23. März 1838. Leipzig, den 3l. Mär, 1888. Der Rath der Stadt Leiprtq. vr. Georgi. Krumbiegel. Vtlranntmachung. Die Ausführung der Trottoirarbette» in der Burgstraße soll an einen Unternehmer i» Accorv verdungen werden. Die Bedingungen für diese Arbeiten liegen in unserer Tiefbau-Verwaltung, RalhbauS, 2. Etage. Zimmer Nr. 14, au« und können daselbst eingeseben. refp. gegen Entrichtung der Gebühren entnommen werden. Leziigliche Offerten sind versiegelt und mit der Aufschrift „Trottotrarbeitrn für die Burastra-e" versehen rbendnseldst und zwar biS zum 16. April 1888 Nach mittag- 5 Ubr einzureichen. Der Rath behält sich da- Recht vor, sämmtlichc Angebote abzulehnen. Leipzig, drn 2S. Mär, 1888. DeS RathS der Stadt Leipzig id INS. Straßenbaudeputattot». Bekanntmachung. Die Au-führung der Trottoirarbeiten in der Kathartnenstra-e soll an einen Unternehmer in Accord verdungen werden. Tie Bedingungen für diese Arbeiten liegen in unserer Tiesdau-Verwallung, Nalhhau«, 2. Elage. Zimmer Nr. 14, auS und können daselbst eingesehen, refp. gegen Entrichtung der Gebühren entnommen werben. Bezügliche Offertrn sind versiegelt und mit der Aufschrift ..Trottoirarbetteu für die Kathartnenstra-e * verletzen ebendaselbst und zwar bis zum 16. April 1883» Nachmittag- 5 Uhr, einzureichcn. Der Rath behält sich da- Recht vor, sämmtliche Angebote abzulehnen. Leipzig, drn 29. Mär, 1888. DeS RathS der Stadt Leipzig Id. 1118 Straßenbau-Deputatton. Städtische Skwerbeschute. Per Unterricht im Sommersemester 1888 beginnt Montag, den S. April » e«, her r«-e-cursu- früh 7 Uhr, »te «üentzeurse u« 7 Uhr. Für da« kommende Schuljahr ist die Einrichtung eine- Eursos der Elemente der tiöheren Mathematik nebst deren Anwendungen aus die Lö!»ng von Auigoben auS der Maschinen- nnd Baupraxis für ehemalige Schüler der Gewerbeschule, welche den Lehrgang derselben vollständig absolvirt haben, beabsichtigt. AI- Theilnehmer könnten auch solche zugelassen werden, die anderwäet- die entsprechende Vor bildung erworben haben. Honorar 10 >l sür da- Iadr. Unter- richt-zett: Sonnabend Abend von 7—9 Uhr. Lehrer: Ingenieur Vr. Föppl, an den Anmeldungen schrssiltch oder mündlich bi- jpäieften« 9. April d. I. zu richten sind. Leipzig, den 2. April 1888. Der Direktor: vr. Ludw. Nieper. Die Schülerorbelten bleiben beute noch autgestell». Mraufnahme in den hilstgcn Mrgk» undveMsslhulen. Di« Ausnahme der in hiesige volk-schulen neu ria«rete»den Kinder findet statt: Donner-tag, den 5. April und zwar vormittag« D Uhr >n der 3, 4., «., 6. und 7. Bürgerschule und 1.. 4., S. (Knaben.) nnd 7. (Knaben.) Be- zirk-schnle. Vormittag« IS Uhr in der 1^ (Knaben-), 18 »nd 2. Bürger schule und 3. »nd 7. (Mädchen-) Vezirk-schule. Nachmittag- 2 Ubr m der 8 Bejirksschule. Nachmittag« S Uhr in 1 > Bürgerschule für Mädchen, vereinigte Freischnle, 2., S. und K. (Mädchen-) Be- »irksschule. Die Direetorrn »er Leipziger Volksschule». Vkkaunlmachllng, »ie Händler - Snstmia detreffen» Dir Erträgnisse der von Herrn Nothon Häustier im Iabre l88k errichteten Stillung sollen nach dem Willen de« vcrewiqten Stiierr« za drei vierihetlrn «» Sstdnr hiesiger andrm «Irttrr israe- litiicher Einwobner zum Zwecke der Uaterstüdaag bei Erlernung eines Handwerk» oder eine« nätzlichen lechnischen Gewerbes zur Berlhe iang gedrnSt werden Wir lnrdern Pieienigea, welche vorstehende, Vedlagunge, »ut- ivrechen »ud sich um Stipendien oder Veihilie, auS der geuaanien Stiftnuq bewerben wallen, aus. sich unlek Beibrmgnag ihrer Zenq- nisse baldigst bei uns zu melden. Lewztg. »en «. Mär, 1888 Dervorftan» »er Israelitischen Nrklg,,,«ge«»,nste z« Leipzig Vekauntmachung. Zur Herstellung der Ostsrtte der Slephanstroße kann von jekt an erdartiger Schutt unter Au«schluß von Scherbe». Asche, Strob, Kehricht rc. unentgeltlich angesahren werden. Die AuSschütlungSstelle befindet sich zunächst gegenüber der verlängerten Kömg-ilraße. Leipzig, drn 28. Marz 1888. Der Rath der Stadt Leipzig. In. 1449. vr. Georgi. Vr. K ppendorff. Nichtamtlicher Theil. Die Krisis in Frankreich. Tie äußerste Linke bat sich mit der Rechten der Kammer zum Sturze de- Ministeriums vereinigt u»v damit den Be- weis gelicsert, daß der von Beiden geführte Schlag gegen die bestehende StaalSsorm gerichtet ist Laguerre, der eifrigste Anhänger Boulanger'S. hat den Antrag aus Revision der Verfassung gestellt, gegen dessen Tringlicdkeil-erklärung Tirard Widerspruch erhob, und Royalisten und Bonapartislen baden dem Anträge zugestimmt, um die Republik zu beseitigen Baudry d'Asson verlangte eine constiluirende Versammlung, welche der Frankreich entehrenden und daS ganze Land ruini- renden Republik ein Ende bereiten solle. Aus der eine» Seite die Anhänger deS Piebiscit», aus der andern die Vor kämpfer deS KvnigthumS, verstärkt durch die Brrlreler der Eommune — da- ist die Mehrheit, weiche daS Mmi- )erium am 30. März zu Falle gebracht Kat. Und damit der Zusummenhang, welcher zwischen dieser Mehrheit und der den Namen Boulanger'- tragenden Bewegung besteht, sschars und deutlich zur Erscheinung treten konnte, wurde am Morgen deS Tage-, an welchem die entscheidende Kammersitzung stall- and, ein Aufruf Boulanger'S an die Wähler im Norv-De» ?artement veröffentlicht, welcher die Auslösung der Kammer und die Revision der Verfassung verlangt. Brisson. einst Präsident der Kammer und Ministerpräsident, welcher am Grabe Gambetta'S eine von leidenschaftlicher Feindschask gegen Deutschland reugeude Rede hielt, gleichsam den Schlacht en, sür den Roch,seid,ua. beschwor die Kammer, den Antrag Laguerre-Pelletan abzulehnen, weil man dem Manne, weicher die Republik angreife, Boulanger, einen solche» Triumph nicht gönnen dürfe. Die Leute, welche den Antrag aus Ver- jassungSrevision unterstützen, seien dieselben, die den Feind unter die Mauern von Pari- gerufen hätten A^er »e> Mahnung Brisson'» zum Trotz und obwohl sie ihren Eindruck aus die Kammer nicht verfehlte, erlangte der Antrag Laguerre dennoch die Mehrheit, und eS ist die schwerste Krisis über Frankreich hereingcbrochen, welche eS seil dem Jahre 1870 erlebt bat. Die Bonapartistrn hatten eS so eilig mit der Verfassung», revision, daß einer ihrer Wortführer, Euneo d'Ornano, den Antrag stellte, den Ausschuß zur Beralhung deS bezüglichen Gesetzentwurfs schon zu wählen, bevor noch da» neue Mi nisterium fertig war. Die Mehrheit lebnte aber diesen Antrag ab, und so wird denn die Kammer erst am Dien-iag wieder zusammentrelen; rS ist jedoch sehr unwahrscheinlich, daß bi» dahin da» neue Cadinel gebildet sein wird. Floqnet hat den Auslrag übernommen, ein solches zusammenzubringen; mit welchem Erfolg bleibt abzuwarten. Für den Fall de- Miß lingen» ist da» Auslösung-Ministerium i» Aussicht genommrn. Die Mehrheit, aus welche sich Floquet stützen könnte, müßte au» Rabicalen. Opportunisten und dem linken Centrum be stehen, und eS wäre nicht unmöglich, daß sich eine solche Mehrheit für eine kurze Zeit Zusammenhalten ließe, da der Unterschied zwischen der Zahl der Anhänger der Verfassung-- revision und der Gegner derselbe» nur 3l betrug; eine so geringe Mehrheit ist nicht als fest zu betrachten, sie g-siallet sich nach der Stimmung und den Eingebungen de- Augen blick» und löst sich unter den ssleichc» B dingungrn wieder aus. Andererseits bieten aber Zustande, unter wachen solche Mehr heiten zu Stande kommen und wieder verschwinden, keine Ge währ sür die Ersprießlichkeit der Bemühungen einer Negierung ES ist in der Thal soweit gekommen, daß eine durchgreifende Aendrrung eintreten mutz, wenn die Republik wieder sesten Fuß fassen will. Gegenwärtig ist sie der Spiclball aller ihrer Gegner; Prätendenten, Abenteurer, Feinde der staat lichen Ordnuna in jeder Gestalt sind r-, welche mit Erfolg gegrn die öffentliche Wohlfahrt ihre Geschosse richten, und als einziger AuSweg aus diesem Wirrwarr dielet sich daS Mittel der Auslösung und Neuwahl der Kammer dar. DaS „GiLcle" kennzeichnet die Lage treffend, indem eS sagt: „Wir sind wieder einmal ohne Regierung, ohne Mehrheit, ohne Compaß; die Stunde der Kammeranslvtung naht", und Dugub te la Kauconnerie von der Rechten begegnet sich in seinem Urlheil mit dem radikalen Blatt, dem einstmaligen Organ Brisson'». Die Kammer selbst scheint geneigt, eine Enlicdeidung über ihre Auflösung herbeiznsübrrn. Man erinnert sich angesichts ver gegenwärtigen Lage un willkürlich ver Worte, welche Eassagnac in der Kammersitznng vom 20. März sagte; .E« giebt Zeiten, in welchen daS Lanv sich nach einem Retter sehnt, der Augenblick ist den Präten denten günstig*. Schon die außerorvenlliche Unsicherheil, welche Uber die Möglichkeit, einen Nachfolger sür Tirard zu finben, herrscht, zeigt, taß e» ein vergebliche» Beginnen ist, ein dauerhafte» Ministerium zu bilden. Die Präsidentenwahl vom 3. December vollzog sich mit einer giivissen Leichtig keit. weil die Wähler dem unbestimmten Triebe folgten, einen sesten Punct sür die Neugestaltung der halt losen Verhältnisse zu gewinnen. E» war ein Augenblick der Einigkeit der Republikaner, welcher die Wahl Carnol'S ermöglichte; ober die Wähler stoben sofort wieder aus einander. nachdem die Wahl geschehen war. ES war leichter gewesen, die Glimmen aus die Person eine- neuen Präsidenten zu vereinigen, al-e»ie Mehrheit sür ein Ministerium ,u finden Diese Schwierigkeit ist heuie in gesteigertem Maße vor handen, und deshalb' ist die Ministe, knnS wiederum eine PräsidentschastSkrisiS. ES gab vor der Bildung deS Cabinel» Tirard eme große Anzahl von Franzosen, weiche glaubten, baß Carnot in Folge der Unmöglichkeit, ein Ministerium rusammenzubriaqen. zn'ücklreten müsse. Dieselbe Unsicher heit ist beule n»r»er vorbanoen, uno um so mehr, al- die Kammer bereit» ansängt, in die Errcutide ein,»greisen. Dir Auslösung der Kammer gekört zu den Äesugwssen de» Präsidenten, und denn ach veschäjtigte sich die Kämmer am 31 März bereit- mit dieser Frage Aach Carnot ist trotz seine» unverkennbar guten Willen» de» Schwierigkeiten der läge nicht gewachsen, er glaubte genug gethan zu haben, wenn er nach dem Muster Grevy'S weiter regierte und den Schwerpunkt der Entscheidung m da» Parlament verlegte, aber die Zeitläufte find nicht danach geartet, um mit gewöhn lichen Mitteln auSzukommen, sie erfordern eine feste Hand und einen energische» Willen. In Ermangelung eine- lhat- kräfligen Präsidenten erscheint vorläufig vieicn Franzosen auch ei» Abenteurer wie Boulanger willkommen, er füllt wenigsten» der Form »ach eine augenblicklich tief enipsundrne Lücke au». Darin allein besteht die Beteutung Boulanger'», daß er Ver wegenheit genug besitzt, um mit den Feinden der Republik »nd der Ordnung gemeinschaftliche Sache zu mache» in einem lugenblick, welcher die Zukunft Frankreichs in Frage stellt. Ta» Manifest Boulanger'S ist ein Hohn aus seine Ver- gangenheit als General und Minister, der Soldat und ehe malige Milleiter der Geschicke Frankreich» ist unter die Revo- luuoiiaire gegangen. Er erklärt sich gegen den Senat, gegen die bestehende Verfassung und gegen die Kammer, er erinnert die Wähler an seine fliegerischen Verdienste und läßt mit unzweifelhafter Deutlichkeit durchblicken, taß er sich sür den Retter Frankreichs au» Schmach und Verirrung hält. Man kann dem heutigen Frankreich kaum ei» schlimmeres Zengmtz auSstellcn, alS daß c« einem Menschen wie Boulanger Ge legenheit geboten hat, eine Rolle zu spielen. Die Wähler deS AiSne-DepartemcntS haben jetzt de» Beweis in der Hand, daß Boulanger sie lediglich als Werkzeuge seiner Zukuuflspläne ailsab, und die Wähler bcS Nork-DepartemenlS können sich der Wahrnehmung nicht verschließen, baß sie gleichfalls durch ihre Stimmabgabe sür Boulanger nickt etwa einen Abgeord neten in die Kammer senden werde», sondern daß sie lediglich einem Streber die Wege ebnen Helsen, aus Vene» er daS Ziel der Diktatur erreichen will. * Leipzig 2. April 1888. * Ueber den Besuch, de» Kaiser Friedrich am Freitag der Slavt Berlin abgestattet, heuchlet die „National- Zeitung": Der Besuch de- Kaiser- am Freitag ist da« große Sreigniß Berlin«. Am 13 Juni vorigen Jahres, Bormittag- l t Uhr, war der damalige tironprinz von Potsdam nach Berlin gekommen, um ich von ffaiier Wilhelm vor seiner Abreise nach London zu den IubiläumSseierlichteiien zu verabschieden. Am Abend desselben Tage« begaben sich der Kronprinz und seine Gemahlin von Potsdam zu Wagen nach Spandau, von dort mit der Bad» nach London. Bon diesen, Moment an ha« Berlin den in der Ferne Weilenden liebevoll aus jrdem Schritte begleitet. Wir ersuhreu, wie er. um HaupirS. länge alle anderen Fürste» überragend, ln London gefeiert ward, wir sahen >hn dann nach den Ichotiiichen Hochlande» grden, nach der Insel Wighl, nach Toblach, Venedig, Baveno, Sa» Remo. Jede belrübenbe Nachricht citi Bestürzung hervor, >ede günstigere Kunde Freude. Unausgesetzt wcillen die Gedanken bei dem Kronprinzen. Und alS daS Schicksal dem Kronprinzen daS Erbe de« Heim gegangenen großen Bater« übertrug und der Kaiser ohne Zaudern nach der Heimalh eilte, die ihn, enigegenbangie, da killen von Berlin Zehniaulende nach Ldarloitenlnirq ln der ver geblichen Hoffnung, einen Blick erhaschen z» können. Wenige »uc sind eS, deren Stellung eS ihnen ermöqltchle, da« Schloß von Cliarloitenburg zu bettele». Die erste vorgestrige AuSsahrl nach Mistend war so kurz und fiel in eine Tageszeit, in der die Gegend so still ist, daß wieder nur Wenige den Kaiser sehen konnten. Da kan, der gestrige Tag und mit ilnn Sonnenglanz und LenzeSwehen. Ein Tag so recht geschaffen, daS Herz zu weiten, einzuladen, hinaus- zugehcn in die nach langem Schias erwachende Nalur. Die Zahl der Spaziergänger Unter den L »den war, wie immer an solchen Togen, eine sehr große. Daß c- dem Kaiser verdälinißmäßig gut gehe, wußte man. Daß er auch heute wieder eine AuSlahrt machen würde, veri»ulhete man. Ader daß die Fahrt sich nach Berlin wenden würde, da« batte man nicht geglaubt. Uni sa größer war die Uebcr- rajchung, die Freude, als rs doch geschah, ^lm ll'/, Uhr war eS, als durch daS Brandenburgrr Thor ein Spitzenreiter einlenkte, die Wache in« Gewebr gerufen ward, eine vierlpännigc offene Hosequi- Page sichtbar ward. Es ist lange Zeit der, daß man in Berlin ein deiailigeS Schauspiel gesehen, und Io blieb denn Alles stehen. Al ma» i» dem Wagen den Kaiser und die Kallerin erkannte, ging e» wie eine g-waltiqe Bewegung durch die Massen, eine Be wegung, «n der Ergriffenheit und Jubel sich zuerst die Waage hielten und die sich, dem Wagen vorausrilend, soripslanzte. Dem kaiserliche» Wagen solgten andere. ES war ein Zug von süns Hol- wagen. Im ersten fuhr da« Kaiserpaar. Der Kaiser war in Unisorm, darüber trug der Kaiser einen Pelzmantel; da« Haupt war mit dem Helm bedeckt Im zweiten Wagen sichren die Prinzessinnen vicloria, Sophie und Margarethe; im dritten der Erbprinz von Meiningen mit seiner Tochter Feodora. dann schloß sich da« Gefolge an. Im letzten geschlossenen Wagen vr. Mackenzie mit dem Adju- tauten Oberfllieulenant von PelerSdors. Sobald eS sich verbreitet hatte, daß der Kaiser in Berlin sei. wuchs die Menge so an, daß schließlich ein Dnrchkommen unmöglich war. Der erste Beiuch de« Kaisers in seiner ReichShaupistodt gali seiner kaiserlichen Mutter. Nach der ersten Begrüßung verlangte der Kaiser, wie wir hören, da- Sterbezimmer, das Wohn- und Arbeit'zlmmer seine« verewigte» Vater- zu srden. A» der Leite der Kaiserin und der Kaiserin- Mutter betrat Kaiser Friedrich diele Räume und verweilte doit large Zeit in «ieser Bewegung. Der Aufenthalt der allerdöchsten Heir lamften bei der Kaiserin Augusta wähkle über eine Stunde. Erst gegen 1 Uhr war der Kaiser in Lharlottenburg zurück. Bon d-in Iudrl, der da- Kaiserpaar ans seinem Wege begrüßte, kann man sich schwer eine Vorstellung machen. Endlole stürmische Zurufe ersüllten die Lust. Der Kaiser dankte mit großer Freundlichkeit nach ollen Leiten Aus dem Berichte der „Post" Heden wir noch Folgende- hervor: Der kirchliche Feiertag und die laue FrühlinqSluft hatten viel Publicum aus die Siraßen gezogen, da« Ihre Majestäten mit lauten Hochrufen begrüßte. Die Wagen sichren vorn an der Rampe aus, und dann begaben sich die hohen Herrschaften in den Salon der Frau Großherzogin von Baden, wo sie von den badiichcn Herr, ichasiea und der Kronprinzeisin von Schw-den begrüßt wurden Dann kam auch d>e Kaiserni-Multer aus ihre» Gemächern. Sir Morell Mackenzie war in dem dankbenltkgenden Therzimmer zurück geblieben Die Kalserw-Mutter blieb in der Familie ungelohr 30 Minute», dann zog sie sich zuiück. Der Kaiser hegte das ver- langen, die Räume zu besuchen. >o denen sein hochseliger Vater die letzte» Tag« seines Leben« verbracht hatte, namentlich auch da« Sterbezimmer. Gelahrt von der Frau Großherzogin von Baden, verweilie der Kaller bewegt und von Schmerz gebeugt an dem Orte wo sein Vater sein Leben ou«qel>o»cht Vati». Dana betrat er mit ver Kallerin, seinen anwelende» Kindern d-e übrigen G« mächre. >m Stillen verweilten seine Gebaut,n bei all den Gegen ständen, die da- lebendige Bild sein-S hochselige» Vater- ihm zurück iliien mußlen. De» Beiuch wahrte gegen eine halbe vtunbe Uorerveß dmtt sich vor dem Palm« und gm dasselbe oaS Volt ia echten Massen qelchaart, da« bei dem Enchetnen de- kaiserlich«i. H g»»« au» dem Sertenpoetal, im Drang«, Ihren Majestäten lein Sympathien zu beweile». unter ftüimi'chen Hochrulen di« Sckutz man»«krtte durchbrach. Da« Antlitz de» kaiserlichen Herrn bat allerdings von ieiner früheren qriunden Frirch» verloren. E« zeigen sich dar«» die Lineament« d«S Leiden«, ober ds« große Auge blicke l» klar, so freundlich, lo herzlich wie tonst, und namentlich ist die Elafticität de- Körper« dieselbe wie früher geblieben, in de» dent Kaiser eigcmhümliche» Bewegungen beim Gruße, auch beim Schreiten. Der Jubel, der dem Kaiier zu Theil wurde, Halle seine Ursache auch in der Freude de« Volkes über diese Wahrnehmungen. * Durch Allerhöchste CabinctSordre ist. wie ein Kieler Telegramm der „Poll" meldet, Se. königl. Hokeit Prinz Heinrich vom 4. April ab aus vier Woche» zur Dienst leistung bei der Admiralität commandirt worden. * Eine Commission de- HauSministeriumS ist etzt beschäftigt, i» den Zimmern des Holdseligen Kaisers dessen schriftlichen Nachlaß zu sammeln und zum Zwecke weiteren Ordne»- fest,»stellen, wa» staatliche Papiere und waö private Schriftstücke sind. Commissarische Vertreter sind nach Schloß BabelSberg und nach Schloß Coblen, abgeordnel worden. Die Gemächer de» Hochseligen Kaiser« »» Palais iverben vorläufig i» dem Zustande verbleiben, in welchem er ie bei Lebzeiten bewohnt bat. Die Fahne» und Standarten der Berliner Garnison befinden sich im Fabnenzimmer noch an derselbe» Stelle, wie zu Lebzeiten deS Hochseligen Herrn. * Ueber den Gegenstand ver vertrau licken Beralhung deS Staat» Ministerium«, welche am 28. d. MlS. im Palaiö de- Reichskanzler» stattgesunden hat, werden ver- chiedene LeSarlc» laut. Nach der einen soll e- sich um die ersten Maßnahmen gehandelt haben, welche gegenüber der dnrch die Ueberschweinmungen hervorgeruseneii Notl> läge mehrerer Provinzen zu ergreifen seien; nach einer anderen oll die Abgrenzung der Befugnisse erörtert worden sein, aus welche sich die Stellvertretung deS Kaiser« durch den Kronprinzen zu erstrecke» haben wird. Wre Lee „Vossischen Zeitung" geschrieben wird, dürfte zu den Aus gaben, welche Letzterem zufalle» werden, namentlich die Unter zeichnung der Verabschiedungen sowohl wie der Ernennungen innerhalo der Militair- und Civilvcrwaltnng gehören, soweit hierbei niedere Grade beider Kategorien, also etwa M litair- ckargen bis zum Major oder Oberst und Civilchargen bis zu den Rätbc» vierten oder drillen Ranges in Betracht komme». Welche Ansprüche in dieser Beziehung an den Kaiser heran treten, ergiebt sich daran», daß »ach einer kaum zu hoch greifenden Schatzung ungefähr 3000 derartige Unterschriften vom Kaiser Friedrich vollzogen worden sind, eine gewaltige Anzahl, selbst wenn man bedenkt, daß sich während der letzte» zwei Wochen, wo Kaiser Wilhelm an der Ausübung dieser Regentenpslicht verhindert war, die Schriftstücke, welche der Unterzeichnung bedurften, angehaust halten. * Am ersten „SckwerinStag" nach Wirderansnahme der Sitzungen deS preußischen Abgeordnetenhauses wird der schulpolitische Antrag Windthorsi zur Verhand lung kommen, welcher bekanntlich unter dem Borgeben, der Kirche den erforderlichen Einfluß auf die Ertheilmig de» Religionsunterrichts zu sichern, lhatsächlich der Geistttchkeil den Unterricht und die Lehrer überhaupt unterstellen würde. ES erscheint wohl ausgeschlossen, daß dieser Antrag von irgend einer Seite außerhalb des CentrumS Unterstützung finden könnte. Weder die äußerste Rechte, noch die äußerste Linke Hallen wir hierzu sür sähig. Den staatlichen Charakter der Schule zu wahren und zu vcrtbeivige», war bisher ein Grund satz aller Parteien außer de» Ultramonlanen. Einen prakti schen Erfolg wird sich Herr Windthorst auch gewiß von seinem Antrag nickt versprechen. Derselbe bat einen lediglich agita- lorischen Zweck. Er soll im Hinblick ans die bevorstehenden LandlagSwablen daö erloschene Feuer deS CulturkampscS wieder etwa» ansacken, zumal die bisherigen Verhandlungen im Reichstag und Abgeordnetenhaus hierzu wenig Gelegenheit gegeben haben. E« zeigt sich dabei wieder, wie der Ullra- montaniSinuS fort und fort den Kamps, dessen er zu bedürfen glaubt, wieder anrcqt durch Erhebung immer neuer und ganz unerfüllbarer Ansprüche * Ein Berliner Berichterstatter versandte die solgende Mitlheilung: ,BiS zur Stunde ist eS nickt möglich gewesen, genau sestzustellen, ob sich das Gerückt, betreffend die Ver lobung ter Prinzessin Victoria mit dem Prinzen Alexander von Battenberg, bewahrheitet oder nicht. E« ist nur zu constatiren, daß sich da« Gerücht hier erhält und daß sich an dasselbe die weitere Bermuthung knüpft, es sei nicht unmöglich, daß Alexander von Battenberg aus den bulgarischen Thron zurückkehre." Dazu bemerkt die..Nalional- zeitung": »Wir geben diese Mittbeilung lediglich, weil in der Tdat derartige unbeglaubigte Gerüchte vielfach mir einer ge wissen Geflissenheit verbreitet we.den. E« Vars dagegen als zuverlässig sestgehalten werden. daß eine Aenderung der de kannten, in hohem Grade feindseligen Gesinnungen, welche der Petersburger Hos gegen den srüneren Fürsten von Bul garien hegt, in keiner Weise eingctrclen ist: um so unwahr scheinlicher werben alle Eombinationeu erscheinen, welche die Verleihung der preußischen Fürstenwürbr an de» Piiiizcn Alexander oder ähnliche« i» Aussicht stellen. Gegenüber der Art. wie in den Beziehungen de» Zaren znm Ausland politische und persönliche Beriebungen sich verschlingen, ent- b-hren Gerüchte dieser Art kcine-wcgS einer hochpolitischen Tendenz". « « » * Rußland bestellte, wie uns au« Brüssel gemeldet wird, eine große Anzahl schwerer Cockerijl'scher Feld geschütze. * Nach einer Meldung anS Athen wird die außerordent liche Gesandlschaft de» König» von Griechenland, welche dem Sultan daS ibm verliehene Großkreuz de» Erlöser-Orden« überreichen soll, in etwa vier Wochen nach Konst a „ k i n opei abgehen. Ihre Abreise halte sich in Folge de» Al'ttbxnS ve deulsche» Kaiser» hinauSgefchodcn: seither lras «dock r» Albe» die Verständigung ein. daß der Sultan Vie Gclanblsckast un mittelbar nach Ablauf der sür Kaiser Wilhelm angeorvnete» Hoftrauer zu empfangen bereit sein werde. * Die „Politische Eorresponkenz" meidet au- Londons, 27. März: Die neue LocalverwoltnnqS-Borlage des Cabinets sür England und Wales ist von den Radikalen geradezu mit Jubel aus genommen worden, während sie in den Rechen der Conservgliveii Uebeiraschung und Verstimmung hervorrics. Bisher bcsand sich die Localverw-illuna vollständig in den Händen des Klerus und der «roßen Grundbesitzer. An der Spitze jeder Grafschaft stand rin Gouvern'iir (Lord-Lieutenant), der für die verschiedenen Zweige de, Verwaltung Kommissionen (bonrä») ernannte. Diese Emrlchlun sicherte »ein Adel und der Kirche einen bedeutenden Gwtlnß. währen die Pächter und «edstter. obgleich chr« Interessen durch dr« ve, waltunqsttgqen oft lehr nahe brttafirn wurden, in der Eeuimijsio I krinertei Vertretung sauden. De, neue» Reqieruugsvorlage zujolg I wird Lre Locaiverwalluog durch einen Raid rllerftt werden, oe, > vollständig aus Vertretern, die von den Bewohnern des betreffende.
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