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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.06.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-06-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188806274
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880627
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880627
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-06
- Tag1888-06-27
- Monat1888-06
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.06.1888
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Uedariion nnd Erprditio« Johanuesgaffe 8. Sprechstunden der Urdactioa: Vormittags 10—IS Uhr. Nachmittags b—K Uhr. gUr tie Nbitzate klN-«lantler vtanutcnrt« macht sich t» iNetaclion nicht vkidlndUch, Annahme der sür die nächftsolgend« Numiurr beftinimten Inserate an Wochentagen blü L tthr Nachmittags, an Sonn- und Festtagen früh d>r'/,V Uhr. In den Filialen für Ins.-Ännahme: Ltto Klemm, Universität-straße 1. Louis Lösche, Katharinenstr. 23 pari. u. König-Platz 7. nur bis '/,3 Uhr. apMtr JagMalt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. AbvnnementSprei» vierteljährlich 4>/, Mk. incl, Bringerloha 5 Mk.. durch die Post bezogen ü Mk. Jede einzelne Nummer 20 P> Belegexemplar 10 Ps. Gebühren für Extrabeilagen (in Tageblatt-Format gesalzt) ahne Postbesörderung 00 Mk. m»1 Postbesörderung 70 Mk. Inserate bgespaltene Petitzeile 20 Pf. Gröbere Schriften laut uns. Preisverzeichniß. Todcllarijcher u. Ziffernjatz uach Höhen» Tarif: Urrlainen unter dem RedactionS strich die Saespalt. Zeile 50Ps., vor denFamilien Nachrichten die Ogespallene Zeile 40 Pf. Inserate sind stets an die Expedition zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praemumorauüo oder durch Post- uachnahmr. I7S. Mittwoch den 27. Juni 1888. 82. Jahrgang. Amtlicher Theil.« Vekanntinachimg. Das 27. Stück des diesjährigen NciöhSgesetzblattrS ist bei unS cingegsuigcn und wird biS zum 17. Juli d. Mts. auf dem Ralhhaussaale zur Einsichtnahme öffentlich aushänacn. Dasselbe enthält: Nr. 1808. Bekanntmachung, betreffend die BefähigungS- reugniffe für Schisser auf kleiner Fahrt mit Hoch- sccsischereisahr',engen und die Berechnung der Stcuermannsfakrzeit. Bein 15. Zuni 1888. Leipzig, den 23. Jum 1888. Der Nath der Stadt Leipzig. l)r. Gcorgi. Krumbiegcl. Bekanntmachung. Die Leuchtkraft des ,tädtischen Leuchtgases betrug in der Zeit vom IR. bis mit 24. dieses MonatS im Argand- brenner bei 2,5 Milinueler Druck und 150 Litern stündlichem Eonsum das 17.8sache der Leuchlkrasl der dculschen Normal kerze von 50 Niillintcter Flammenhöhe. DaS specifische Gewicht stellt sich im Mittel aus 0,432. Leipzig, am 25. Juni 1888. Des Nathö Deputation zu de» Gasanstalten Manntiülichung. Wegen Pflasterung wird die l^lsässer Strafte zwischen Sedan- und Wettiner Straße einschließlich der Kreuzungen mit diesen Straßen von Freitag, den 2K. dS. Mon. ab bis auf Weiteres für den gesammten Fährverkehr gesperrt. Leipzig, den 23. Juni 1888. Der Nath der Stadt Leipzig. IX. 4763. I)r. Georgi. Henn'lg. "Ausschreibung! Für den Neubau de« Polizei-GebäudeS hicrsclbst werden die Zimmer-Arbeiten hierdurch ausgeschrieben. Arbeitsverzeichnisse und Bedingungen können auf unserem Bauamte, Rathhaus, 2. Obergeschoß, Zimmer Nr. 5, gegen Erlegung von 2 -4k entnommen werten. Die Gebote sind ebendaselbst versiegelt und mit der Auf schrift: „Neubau Polizei« Gebäude, Zimmer- Arbeiten" bis zum i;t. Juli dieses JahrcS, Nach mittags a Uhr einzureichen. Wir behalten uns die Auswahl unter de» Anbietenden, bez. auch die Theilung der Arbeiten, sowie Ablehnung sämmt- licher Angebote vor. Leipzig, den 20. Juni 1884. DeS RathS der Stadt Leipzig Baudeputation. Bekanntmachung. Auf sein Ansuchen ist Herr Buchhändler Robert Fried rich Gebhardt, Kurze Staße 7, I., hier, aus dem von ihn, bisher bekleideten Amte eines Armenpslegers im 4t. Distrikte entlassen worden. Wir sprechen ihm hiermit unseren Dank sür die unserem Armcnwefcn gewährte Mitwirkung auS. Leipzig, de» 22. Juni 1888. DaS Armendtrectorium. ^ R. 458. Ludwig-Wolf. ArtuS. Bekanntmachung! Aus sein Ansuchen ist Herr Buchbincermeister Heinrich Moritz Göhre, Johannesgasse 10, parterre, aus dem von ikm bisher bekleideten Amte eines ArmenpflegerS im 37. Districte entlassen worden. Wir sprechen ihm hiermit unseren Dank sür die unserem Armenwesen gewährte Mitwirkung auS, Leipzig» den 22. Juni 1888. DaS Armrndirectorium. R. 503. Ludwig-Wolf. ArluS. Bekanntmachung. Aus sein Ansuchen ist Herr Kürschiiermeister Ferdinand Moritz Grundmann, Kochstraße 73, II. aus dem von ibm bisher bekleideten Amte eines Armenpflegers im 29./30. Districte entlassen worden. Wir sprechen ihm hiermit unseren Dank sür die unserem Armenwesen gewährte Mit wirkung aus. Leipzig, den 22. Juni 1888. A. 502. DaS Armendirectorlum. Ludwig-Wotf. ArtuS. In dem Zeiträume vom 30. Juni bis Ende October wird die Sammlung der König!, geologischen Landesuntersuchung (Thalftraße 35, 3. Siaqe) an jedem Sonntage von '/,11 bis '/,1 Uhr dem Publicum geöffnet sein. In einem neben dem Sammlungssaale gelegenen Sludienzimmer sind sämmiliche bisher erschienene Blätter der geologischen Special- karie von Sachsen nebst den zugebörigen Erläuterungen, sowie sonstige aus den geologischen Bau des Königreichs Sachsen bezügliche Werke behuss ihrer Benutzung von Seilen des Pnblicums ausgelegt. Leipzig, den 25. Juni 1888. Der Direktor »er «öiitgl. geologische« LantzeSnntersuchiing. De. Herrn. Credner. Nichtamtlicher Theil. Die Thronrede. Ein Zreigniß von großer politischer Tragweite und histou^V'w Bedeutung hat sich am Montag im Weißen Saale de« königlichen Schlosses zu Berlin vollzogen. Wir haben im neuen deutschen Reich nicht die Einrichtung der Kaiserkrönung. wie sie im Mittelalter üblich war. weil unser heutige- Kaiser- thum ein protestantisches ist. Der Papst kann diesen feier lichen Act nicht vollziehen, er müßte in derselbe» Forni erfolge» wie die Krönung der preußischen Könige in Königsberg ge schieht. so daß sich der lkarser selbst die Krone aufs Haupt setzt. Die Entstehung de- deutschen Kaiserreiche« weist aus eine andere Form der feierlichen Verkündung dcS Regierungsantritts deS Kaisers hin und zwar aus die Form der Proklamation in Gegen wart der deutschen Fürsten, soweit ihre Anwesenheit in Ver sailles am 18. Januar 1871 durch die Verhältnisse gestattet war. und der Vertreter des deutschen Volkes. Die damalige Wiedererweckung der deutschen Kaiserwürde mitten im Schlacht- aetümincl fand ihre Ergänzung durch die Eröffnung deS Reichstages zwei Monate später,'und bei der Thronbesteigung Kaiser Wilhelm'S II. sind beide Momente in eine» zusammen gezogen worden; die ReichstagSerössnung am 25. Juni war der feierlichen Verkündung dcS Regierungsantritts Kaiser Wilhelm'S gleich zu achte». In Gegenwart der deutschen Bundesfürsten, der Bürgermeister der Freien Reichsstädte und der Vertreter deS deutschen Volke- hat der junge Kaiser die Grundsätze dargclegt, welche ihn als ReichSobcrhaupt leite» sollen. Die Thronrede enthält ein vollständiges Programm, sie stellt zum erste» Male die Grenzen fest, welche die Exekutiv gewalt deS Kaisers inne zu halten hat. Diese Gewalt äußert sich nach drei Richtungen hin, nach der militairischen, nach der politischen und nach der legislativen Seile. Der Kaiser ist der Oberbefehlshaber dcS deutschen HeereS im Kriege, er vertritt die Reich-Politik »ach außen hin und hat die Ausführung der Rcichögesetze zu überwachen. Für die Gesetzgebung des Reiches ist i» erster Linie die Eigenschaft des Kaisers als König von Preußen maßgebend; erst wenn der BundeSrath sich über die Gesctzesvorlagen, welche dem Reichstage zu unterbreiten sind, schlüssig gemacht hat, tritt die kaiserliche Macht auch auf dem Gebiete der Gesetzgebung in Kraft. Dieses Verhältniß hat ja thalsächlich seit siebzehn Jabren schon bestanden, aber es ist nach wie vor in so be stimmter Weise zur Sprache gebracht worden, wie c- durch die Tkronrede geschieht. Die socialpotitischc Gesetzgebung ist auS der Initiative Preußens hervorgegangen, es war die Thronrede vom 17. November 188t, welche die Grundlinien für daS Ein greifen der Reichsregierung in die sccialistische Arbeiter bewegung zog. Die ReichSgesctzgebung sollte Mittel und Wege aussucheii, um die Arbeiter gegen die Folgen von Un fällen, Krankheit und Arbeitsunfähigkeit sicher zu stellen, anderer seits aber sollte allen auf Untergrabung der staatlichen Ord nung gerichteten Bestrebungen »nt Festigkeit entgegen getreten werden. Kaiser Wilhelm II. will auf dem von seinem ver ewigten Großvater bezeichneten Wege, der schon zum Theil mit Erfolg bcschritten worden ist, rüstig weiter schreiten. LS ist also mit Sicherheit zu erwarten, baß die unter Kaiser- Wilhelm I. begonnene Socialgcsetzgcbung unter seinem er lauchten Enkel zu Ende geführt werden, daß aber mit gleicher Festigkeit an den gesetzlichen Schutzmitteln zur Sicherstellung der staatlichen Ordnung gegen Umslurzbcstrebuuge» seslgehalten werden wird. Die NeichSvcrfassung bildet daS NcichSgrundgcsetz, sic räumt Rechte ein nicht nur den beide» gesetzgebenden Körpern dcS BolkcS, dem BundeSrath und dem Reichstage, fondern auch tci» Kaiser, den Verbündeten Staaten und deren LandeS- berren; an diesen Rechten soll sestgehalten, sie solle» von Kaiser Wilhelm gewahrt und geschirmt werden nach allen Seiten hui. Damit sind alle von gegnerischer Seite erhobene» Zweifel, ob die NeichSvcrsassung auch unter dem neuen Kaiser aiS Palladium unangetastet bleiben solle, beseitigt, so un begründet diese Zweifel auch jedem uubcsaiigcn Ürtheilciiden von vornherein erscheinen mußten. Bon ganz besonderer Wichtigkeit ist der zweite den aus wärtigen Beziehungen deS deutsche» Reiches gewidmete Theil der Thronrede. Kaiser Wilhelm erklärt kurz und bündig mit voller Bestimmtheit, daß er niemals eine» Angriffskrieg unter nehmen werde, daß ei» Krieg, an weichem Deutschland be- thciligt ist, nur durch einen auswärtigen Angriff veranlaßt werden könne. Deutschland ist zufrieden, wenn eS als einiges und unabhängiges StaatSwescn ungehindert weiter bestehen kann. ES ist klär, a» welche.Atrcsse kiese Erklärung gerichtet ist, sie gilt vor ollem Frankreich, dessen Presse die Proclamatwn Kaiser Wilhelm'S a» taS Heer fast auSnabniSioS i» kriege rischem Sinne gedeutet hat. Die Liebe Kaiser Wüheim'S zum Heere und seine Stellung zu demselben wird ihn, wie er ausdrücklich sagt, niemals in Versuchung führen, dem Lande die Wvhlthatcn teS Friedens zu verkümmern. Vielleicht der wichtigste Theil der Thronrede ist derjenige, welcher von den Bündnissen Deutschlands mit Oesterreich- Ungarn und Italien und seinem Vcrbättniß zu Rußland handelt. DaS Bündniß mit Oesterreich-Ungarn ist als eine historische Nvthwendigkeit bezeichnet, welche sich auS der Ge schichte Deutschlands ergiebt und den Gesetzen deS europäischen Völkerrechts entspricht, wie eS bis zum Jahre 1800 unbestritten gegolten hat. Der Hinweis aus daS Jahr 1800 ist wiederum mit besonderer Rücksicht aus Frankreich erfolgt. Nach sran zösischcr Anschauung war VaS europäische Gleichgewicht durch den Austritt Oesterreichs auS dem deutschen Bunde und durch die Neugestaltung desselben unter Preußen- Führung erschüt tert, und das frühere sogenannte Gleichgewicht, welches Frank reich daS Uebergewicht in Europa sicherte, sollte durch den Krieg dcS JahrcS 1870 wieder hcrgcslcllt werden. DaS Bündniß zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn hat die von Frankreich im Jahre 1870 angegriffenen Grundlagen dcS europäischen Völkerrechts und Gleichgewichts wieder her gestellt und daran will Kaiser Wilhelm »»berührt von den dagegen ankämpfcnden Stimmen der öffentlichen Meinung Frankreichs sesihalten. DaS Bündniß Deutschlands mit Italien gilt der Be sestigung der beiderseits gewonnenen staatlichen Embclt und der Förderung und Ausbildung ihrer nationalen Einrichtungen und ihrer Wohlfahrt unter den Segnungen dcS Friedens Auch durch dieses Bündniß kan» das europäische Gleichgewicht keine Störung und daS Völkerrecht keine Verletzung erleiden. Beide Bündnisse sind BertheidigunqS- und Erhaltung-Zwecken geweiht, können also nicht fremde Rechte verletzen. ES ist eine durchaus falsche und grundlose Austastung der öffentlichen Meinung Rußland-, daß die Bündnisse Deutsch lands mit Oesterreich^Ungarn und Italien die guten Be ziebungen zu Rußland in Frage stelle». Dieser Ucberzcugung giebt die Thronrede in de», Abschnitt Ausdruck, welcher mit Genugthuung betont, daß kein« von beiden Bündnissen der sorgfältigen Pflege der persönlichen Freundschaft deS deutschen Kaisers für de» russischen und der seit 100 Jahren bestehenden friedlichen Beziehungen Deutschlands zu Rußland Abbruch thut. Man wird in Rußland wohl verstehe», in welchem Sinne Vieser Ausspruch zu beule» ist, laß daraus nicht etwa Schlußfolgerungen dabin zu ziehen sind, daß Deutschland die russische Politik aus der Balkanhalbiusel au Kosten der Interessen Oesterreich-Ungarn» zu unterstützen geneigt sei. Die Auseinandersetzung über diese heikle An gelegenheit ist Sache der Betheiligten, und eS hängt allein von Rußland ab, ob der Friede im Osten gesichert bleiben oder gesahrdct werden soll. * » * « Stimmen der Presse über die Thronrede. * Wir verzeichnen nachstehend noch einige Aeußerungen der Presse über die Thronrede: Die „Nationalliberale Correspondenz" äußert ich dahin: Mitten in der tiefen Trauer, welche seit Monaten aus unserem Volke lastet, ist uns heute ein Tag beschicke» gewesen, der wie mit einem Zaiibcrschlage alle trübe» Nebel verscheucht hat. Niemals zuvor ist die Thaliache der endgiliige» und unzerreißbaren Einigung Deuischlands so augenfällig und so eindrucksvoll in die Er- cheinung getreten, wie heule, wo der junge deutsche Kaiser, um geben von den verbündete» Fürste», den in selicner Vollzähligkeit versammelten Vertretern des deuische» Volkes seine» ersten Gruß entbot. Wenn cs eine Todienieier sür die in rascher Auseinander» solge zu Grabe gegangenen zwei ersten dcnischen Kaiser gab, welche die erhabene Grüne ih es Lebenswerk-s zum volle» Bewußt- ein bringen niußie — der heutige Tag hat sie in schönster Vollendung enthalten. Und von gewaltigem Eindrücke, klärend und verheißungs voll, wie die ganze Feier, war der Inhalt der kaiserlichen Thronrede. Sie ist ein Programm, das im Grunde nichts Anderes enthält, als die Versicherung unentwegter Fortsetzung der Politik, welche seit Errichtung des deuische» Reiches vom Kaiscr- throne geübt worden ist. Dennoch ist sie gegenüber de» zahlreich ausqelauchten Zweiseln nnd geflissentlich auSg, streuten Verdächtigungen eine That von tiefgreifender Bedentimg. Was die inneren Verhält nisse des Reiches anbelaugt, so wird die rückhaltlose und kräftige Betonung der Verfassungstreue alle Parteien ohne Unterschied mit Vertrauen zu dem neue» Herrscher erfüllen müsse». Der Boden für eine de» Bedürfnissen Deiwchlands cnilprecheiidc Entwickelung unseres constitutioncllen Lebens ist unverrückbar sicher gestellt. Aus ihm mag sich eine segensreiche Gesetzgebung ruhig weiter entfalte». Die Ziele und Wege dnser Gesetzgebung im Einzelnen zu erörtern, lag nicht im Rahmen der Thronrede. Nur der socialpolitischen Aus- gaben geschieht unter feierlicher Bekräftigung der kaiserlichen Botschaft vom 17. November 1881 ausdrücklich Erwähnung. Und das mit vollem Recht. Ten» eS ist und bleibt das bedeut- cimste Problem, welches der inneren Poliiik des Reiches gestellt ist. Auch hier handelt eS sich um die cntichlossene Fort- setzung der einmal betretenen Bahnen. Und nicht anders ist eS aus dem Gebiete der auswärtigen Politik. Wer sich, wo immer in der Welt, ei» unbefangenes Urtheil bewahrt hatte, der hat nie darüber in Zweifel sei» könne». Wenn trotzdem seltsamer weise die Augen Europas beute mit einer gewifscn ängstlichen Spannung nach Berlin gerichtet wäre», so galt dies der persönlichen Stellungnahme des Kaisers zu den großen Fragen der auswärtigen Poliiik. Niemals sind künstlich geschaffene und genährte Besorgnisse sreimüthigcr und unumwundener zerstreut worden als durch diese Thronrede; niemals, auch »nlcr den Vorgänger» Kaiser Wilbelm's II., deren auirichtige Friedensliebe selbst »n'erc Feinde schließlich nicht mehr bestritten haben, ist die durch daS innerste Wesen deS deutschen Reiches gebotene Friedenspolitik schärfer und seicrlichcr verkündet worden. „Dentichland bedarf weder neue» Kriegsrubincs, noch irgend welcher Eroberungen, nachdem es sich die Berechtigung, als einige und unabhängige Nation zu befielen, endgülig erkämpft hat." Diese vom Kaiser mit erhobener Stiinme gesprochenen Worte ind, wie alle Welt weiß, der teilende Faden unserer auswärtigen Politik gewesen, so lange das neue deutsche Reich besteht. Unsere Bündnisse, die in der Thronrede eine nachdrückliche Erwähnung änden, sind lediglich dem Zwecke gewidmet, diese Friedenspolitik desto wirksamer zu handhaben. Und von dem durch daS Bündniß Mil Oesterreich und Italien genau bestimmien Boden aus bietet Wilhelm II. Rußland die Freundeshand, wie dies historische Tra- dikionen lind unverkennbare Interessen Deutschlands nur natürlich crichciiicn lassen. Zweierlei erhellt daraus von Neuem: daß nicht a» unS die Schuld liegt, wenn unser herkömmliches Bcrhältniß zu Ruß land getrübt war, und daß eine Wiederherstellung dieses Verhält nisscS nur möglich ist, wenn Rußland sich entschließe» kann, nicht nur unsere, sondern auch unserer Verbündeten Lebensinteressea zu achten. Ob man in Petersburg diesen Entschluß endlich offen und klar sassen wird? Kaiser Wilhelm hegt die Zuvcisicht, daß uns der Friede aus absehbare Zeit gesichert bleibt. Das Wort wird weithin freudig zünden. Gebe der Himmel, daß die Wucht, mit der es gesprochen worden, allen minder friedliebenden Elementen in Europa das Gewissen und den Verstand schärfe. Alsdann wird dieser 25. Jui» ein Segen sür die Welt gewesen sein. Tie „Nationalzcitung" schreibt in einem Artikel: Der aus die auswärtigen Angelegenheiten bezügliche Abschnitt der Thronrede bestätigt vollauf, was wir darüber vor einigen Tagen ankündigten. Im Gegensatz zu manchen Thronreden der letzten Zeit wird die Zuversicht ausgesprochen, daß sür absehbare Zeit uns veigönnt sei» werde, in friedlicher Arbeit Das zu wahren und zu festigen, was erstritten worden ist. Tic Beziehungen zu den einzelne» europäischen Ländern treten dabei in charakteristischer Ver schiedenheit hervor. Bei der Versicherung des Kaisers, so viel an ibm liegt, Frieden zu halten mit Jedermann, darf man a» Frankreich denken. An diesen Satz schließt sich naturgemäß der Hinweis aus dos deuische Heer, welches in der Stärke, die der Reichstag ihm gegeben, nölhigensalls den von anderer Seile etwa gebrochenen Frieden wieder erkämpfen würde, und aus des Kaisers persönliche Stellung zur Armee. Das Bündiiißverhälinib zu Oesterreich-Ungarn wird, Indem cs als ein „Vermächtiiiß der deutschen Geschichte" und als ein Bestaudtheil des „herkömmlichen europäischen Völkerrecht»" bezeichnet wird, tu seiner Bedeutung säst über ein internationales Ab kommen hinausgeschoben. Hmsichlich der geschichtlichen Beziehungen lind der nationalen Bedürfnisse wird das Allianz-Verl ällms; zu Italien aus die gleiche Linie gestellt; man wird das lenscils der Alpe» mit Genugthuung ausnelmien, da dort seit dem Tode Kaiser Friedrich'» Bestrebungen bemerkbar sind, Ziveisel an der Bundestreue Deutschlands im Interesse Frankreichs helvorzuruien. Von Ruß. land ist äußerlich m einem andere» Absätze die Rede und der Ton ist ein anderer. Aber im Gegensatz zu manchen Erörterungen der neueren Zeit können doch auch hier die „persönliche Freundschaft" und die „seit hundert Jahren bestehenden friedliche» Beziehungen" bervorgehoben werden. D e Gciaiiiinlheit dieser Aeußerunge» über die europäischen Verhältnisse wird, so darf man hoffen, beruhigend auf die seit langer Zeit erregte Welt wirke». Die „Vossische Zeitung" schließt ihre Betrachtung wie folgt: Im Ganzen durchweht die Rede ein Hauch von Thatkraft, Ent schlossenheit und Friedensliebe, die aber nirgends ein Zeichen von Schwäche verräth. Daß die Armee auch i» dieser Ansprache einen besonderen Platz gesunden, bedarf keiner Erläuterung. In dem An spruch aus einhellige Unterstützung der Ncichssreunde „ohne Tren nung nach gesonderter Parteistcllung" wird man vielfach die große „Mittelpartei" des Reichskanzlers wiedelfinden wollen. Im Allge meinen aber wird die Thronrede bei allen Parteien wegen ihres offenen Bekenntnisses zur Bcrsasiunq und zur bisherigen Friedens politik den günstigsten Eindruck mache». Möge sich der Wun'ch des dritten Kaisers erfüllen, daß es ihm und dem Volke vergönnt sei, in friedlicher Arbeit zu wahre» und zu festigen, was unter der Leitung seiner Vorgänger aus dem Thron - kämpfend erstritte» wurde. Dazu nntzubelsen, wird auch die liberale Partei im Reiche nach bestem Wissen ui d Gewisse» jederzeit bereit sei«. Ankiiüpsend an die Thronrede äußert sich die „Nord deutsche Allgemeine Zeitung" über da- bereit» er wähnte Gebahre» des osficiöscn Organs der ungarischen Regierung, deS „Pest er Lloyd": Die Thronrede hat namentlich in dem Passus, der die Freuud- chast mit Oesterreich berührte, unter den Zuhörern einen besonders lebhasien und spontanen Beifall gesunden. Gerade bei der Wärme des GcsühlS sür unsere österreichischen BundcSgeaosseu hat aber der Artikel deS „Pest er Lloyd" vom 19. d. Mts., den wir bereits in unserer gestrige» Nummer erwähnten, um so schwerer verletzt. Man ist hier bisher gewohnt, tu diesem Blatt eine der hervorragenden Stimmen der öffentlichen Meinung in Ungarn zu sehen. Wenn aber daS der Fall wäre, so würde, was die ungarische Hälfte Oesterreich-Ungarns anbelangt, man sich sagen müssen, lovo's laduurs lost. Der besonders giftige pasquillartige Ton mit den verleumderischen Insinuationen, die der Artikel birgt, richtet seine Spitze in erster Linie gegen de» Kaiser Wilhelm per- önltch in seiner ebenso unberukcnen wie unverschämten Kritik der Ansprache des Kaisers in seiner Eigenschaft als König von Preußen an die Bevölkerung seiner Erblande. Die Redaclion eines Blattes, wie dcS „Pester Lloyd", kann so bornirt nicht sein, daß sie sich nicht hätte sagen können, daß der König von Preuße», wenige Tage vor Eröffnung des deutschen Reichstages und des preußischen Landtages, die Form einer Proclamation nicht wähle» wird, um politische Pro. gramine zu verkünden. Herr Falk und seine Mitarbeiler, wen» sie überhaupt Zeitungen redigircn wollen, werden sich hierüber klar gcwesen sein. Daß sie nichtsdestoweniger die landes- herrliche Aussprache an das preußische Volk benutzen, um ihre» antimonarchijchen Gift und Geiser gegen den jungen Kaiscr auszuspritzcn, läßt uns dringend wünsche», aus der ungarischen Be völkerung auch andere Stimme» zu hören, da wir uns ungern mit dem Gedanken vertraut machen, daß das diesseitige Wohlwollen, wie eS in der Thronrede den Ausdruck findet, im uiigarüchen Bolke eine o feindliche Ausnahme finden könnte, wie wir aus dem schändlichen lasquill des „Lloyd" würde» ichließen müssen, wenn wir darin die ätiinme Ungarns zu erkennen hätten. Wir haben schon m ehr lich Gelegenheit gehabt, uns zu überzeugen, daß die Redaktion deS „Lloyd" der republikanischen Seite der Berliner Fortschrittspartei näher steht als der Freundschast des deutschen Reichs oder der preußischen Regierung, und wir können uns nicht denke», daß eine monarchisch gesinnte Naiion, wie die Ungarn, den Ausdiuck ihrer Stimmung »ns gegenüber in dem Organ deS Herrn Falk finden könnte. So lange wir kein vollgiltigeS Zeugnis! sür das Gegenlheil haben, sind wir aber zit dieser bedauerlichen Annahme genöthigt. Leipzig, 27. Juni 1888. * DaS „Armee-VcrordnungSblatt* veröffentlicht vl.zcnde Allerhöchste CabinetSordre, betreffend die Bezeichnung königlich preußischer Truppentheile: Ich bestimme hierdurch Folgendes: 1) Außer dem 1. Garderegiment zu Fuß und dem Regiment der Garde» du Corps, deren Chef Ich nach den Tradttionen Meine» HaiiscS diu, erkläre Ich Mich zum Ckes des Garde- Husareuregiments mit der Bestimmung, daß dasselbe fortan Len Namen Meines „Lcib-Gardc-Husarenregiments" und die erste Escadron desselben die Bezeichnung „Leib-Escadron" führt. 2) Bei dem Grenadierregiment König Friedrich Wilhelm IV. (1. Poinmcrsches) Nr. 2, als dessen Chef Ich Mich nicht erklären kann, da das Regiment den bisherigen als besondere Auszeichnung erhaltene» Namen und Namenszug sortsühren muß, fällt Meine Führung s la suite fort, wogegen Ich Mich stillschweigend als Cbes des Regimcnis ansehen werde. 3) Ebenso fällt Meine Führung als Chcs des 2. Garde-Landwehr- regimcntS künftig fort. Ich beauftrage Sie, diese Meine Bestimmung der Armee bekannt zu mache». Potsdam, de» 19. Juni 1888. Wilhelm. An deu Kriegsmiiiistec. * Nach einer Berliner Meldung der „Schlesischen Zeitung" märe davon die Rede, daß von süddeutscher Seile ein Antrag aus Bewilligung einer bedeutenden Summe für die RepräsentationSpslichten Sr. Majestät des Kaisers gestellt werden würde. Demselben Blatt zufolge würde von einer neuen Eidesleistung der Mitglieder beider Häuser dcS Landtages Abstand genoinincn werden, da dieselben nach dem Wortlaute der Eidesformel bcreils „dein Könige" den Eid geleistet haben ohne NamcnLnennung. * Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" bringt die folgende» bereits gestern unseren Lesern durch Fcrnsprech- mittbeilung signatisirtcn osficiöscn Auslassungen: Einige hiesige fortschrittliche Blätter haben in den letzten Tage» ihre inhaltlosen Spalten durch Erfindungen über angebliche Frictionen zwischen dem Reichskanzler und dem General- Quartier in ei st er der Armee gefüllt. Für jeden mit de» that- sächlichen Verhältnissen auch nur oberflächlich Bcrtcaulcn trage« diese Fabeln den Stempel tendenziöser Machwerke, welche ihre» Zweck, Unfrieden zu siisien, wegen ihicS Mangels an Inhalt, an Fori» uud au Verständlichkeit nicht einmal bei den halbgcbildcteu Lesern des „Berliner Tageblattes" erreichen. Der Berliner „Bürsen-Courier", dem eine klügere Leitung vorsteht, hat seinen Leitartikel über die eingebildeten „Frictionen" nach 24stü»digem Nachdenken bereits selbst dementirt, um nicht in publicislischcn Mißkredit zu gcrathen. ES ist in der That unerfindlich, wie der Reichskanzler und der Ehes des Generalstabes, deren Departements die denkbar heterogen- 'len sind, in geschäftliche Schwierigkeiten mit einander gcrathen ollten: die bezüglichen Ressorts haben keinerlei convergireude Thäligkeit zu cnlsalten, ihnen fehlt die amtliche Verbindung und daher auch jede Möglichkeit zu Frictionen. Vollends absurd ist endlich die Idee, als ob unter Kaiser Wilhelm eine Camarilla be stehen küinne. Die Zeilen, wo sür eine derartige ungesunde Er scheinung ein Feld gegeben war, sind vorbei. Der „Pester Llohd" vom 19. d. M. bringt einen Artikel, in welchen« die Proclaniation Kaiser Wiihelm'S II. an das preußische Volk i» einer so Hain,scheu gehässigen Weise besprochen wird, daß wir selbst vo» einer Juhallsaugabc absehcn müsse». In Dcutichlano ist vielfach die Ansicht verbreitet, daß daS genannte Blatt die öffent liche Meinung Ungarns repräsentire. Es ist sür uns von Jnlelcsse, zu wisse», ob Liese Annahme auch bezüglich deS erwähnten Artikels ziiircffe, ob also die Ailslaffunqen desselben von der ungarischen Raliou ratihabirt werden. Sollte dies der Fall sein, so würde« ohne Zweifel tue herzlichen Gesühle, welche die heutige Thronrede sür Oesterrcich-Ungaru zu», Ausdruck bringt, bezüglich Ungarn- eine wesentliche Modificalion erfahre». * Auch das erneut auslretei-.de Gerücht, daß der StaatS- secretalr >ni Rcichsamt dcS Jauern, StaatSministcr von Bo etlicher, das Portefeuille deS Ministers des Innern übernehmen werde, hat keinen wahren Hintergrund. * Die „Kölnische Zeitung" meldet auS Berlin: Unsere politischen Widersacher von rechiS und link» zerbrechen sich Tag ui» Tag die Köpse darüber, ob nun Herr v. Bennigsen und Herr Miquel Minister werden oder nicht. Wenn sie es jetzt nicht bald werden, heißt es da, so wird den Nationalliberalcn dauernd die Rolle angeionne», einzig und allein die parla mentarische Gesoigschast eine- cusschließiich konservativen Ministe rium« zu bilden. In gewissen Kövscn, namentlich in denen, welche die „Freisinnige Zeitung" leiten, scheint alio eine parlamentarische Partei nur dann in der eestrebenswerlhen Weise zu arbeiten, wenn sie einige Mitglieder im Ministerium sitzen hat. Wir waren der Rclnung — und dt« pariomcnlarijche uattoaalliberale Partei
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