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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.08.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-08-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188808026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-08
- Tag1888-08-02
- Monat1888-08
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.08.1888
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Erste Beilage M Leipziger Tageblatt und Anzeiger. 2l5. Donnerstag den 2. August 1888. 82. Jahrgang. „Durch Königs Gnade!" Historische Novelle aus der Zeit König Augusts deS Starken von Adolf Lippold. Nachdruck »krbolen. Im Februar de» Jahre- 1704 an einem naßkalte» Mitt woch Abend war in der zur damalige» Zeit berühmten Wein stube znr golvue» Traube in der WilSvrnffer Straße zu Dresden eine kleine (Gesellschaft von Hoscavalicren versammelt, um bei zwangloser Unterhaltung dem vorzüglichen Stoffe zuzuspreche». Die Stube, mit jener massiven Einförmigkeit eingerichtet, wie sie damal» den bescheidenen Ansprüche», wo man mehr auf einen guten Tropfen als einen eleganten Auf enthalt sab, vollkommen entsprach, lag nach dem Hose hinaus, während sich daran stoßend nach der Straße zu ein geräumiger, aber düsterer BcrkausSladen an dieselbe schloß Es war »och zeitig, kaum sechs Uhr, die kleinen nach dem Hose führende» Fenster, welche ohnehin selbst am lichten Tage ein nur spär liche- Licht in die Weinstube eindringen ließen, waren jetzt mit herabgelasscnen Rouleaux verdeckt und eine vierarmige Oel» lampe, welche von der Decke herabhing, beleuchtete allein den allerdings nicht großen Raum. Die oben erwähnte Gesellschaft saß an einem großen, in der Mitte der Stube stehenden runden Tisch und bestand an- 8—10 meist jüngeren Herren, Während etwas abseits an einem der iu den vier Ecke» de» GemackcS stehenden kleineren Tische zwei Ossiciere deS Leib- regimentS in ihrer goldbetreßten reichen Uniform Platz genommen hatte». .Und ick sage Euch nochmals", sagte ein am runden Tisch sitzender, elegant in schwarzem Sammet gekleideter Cavalier, dem ein langer Stoßdegen an der Seite hing, indem er mit den Fingern der rechten Hand von seiner Spitzenjabotte einige Körnchen Schnupftabak hinwegschnippte, „die ganze polnische Komödie ist eine Faxe, ganz unausführbar ohne die gnädige Unterstützung nieineS erhabenen Monarchen, deS Königs von Frankreich; ein Wort von ihm — ein Zucken mit dem Finger — und die ganze Geschichte ist auf die kläg lichste Weise zu Ende." „Oho Chevalier!" entgegnete ein anderer, dem ersten Sprecher Chevalier d'Aubigni. Attache der sranzösischen Ge sandtschaft zu Dresden, gegenüber sitzender Herr „nur nicht so ausschneide», Frankreich hat ohnehin jetzt gerade genug für sich zn sorgen und Se. Majestät König August wird wohl wissen. waS er thut!" Der Franzose kräuselte geringschätzig die Lippen. „Nun — die spanischen Do»S werden wir schnell genug zn Paaren treiben, im klebrigen glebt eS überhaupt gar keinen Vergleich zwischen Sr. Majestät unfern allergnädigsten Herrn Ludwig XIV. und dem kleinen Polenkönig von Ruß lands und Frankreichs Gnaden!" Ei» Faustschlag, der schwer aus den kleinen Ecktisch, an dem die beide» Ossiciere saßen, fiel, verursachte, daß sich die Blicke der klebrigen nach dort richteten. Einer der beide» Ossiciere, ein schöner hochgewachsener Mann, etwa im AnSgang der zwanziger Jahre stehend, batte sich, nachdem er seiner Entrüstung über die Worte des Fran zosen durch eine» derben Schlag aus den Tisch Ausdruck ge geben, erhoben und stand jetzt, hoch ausgerichtet, mit zor» geröthetem Antlitz dem Prahler gegenüber. „Ein Hundsfott!" ries er empört, „wer als Deutscher solch schlissige Beleidigungen eine- wälschen Windhundes ruhig mit anhört!" Er ergriff sein gefülltes GlaS, sund dasselbe bis zur Neige leerend, suhr er fort: „Ein Hoch unfern» König AugustuS, nnd möge eS u»S — Sr. Majestät getreue Sol daten — dereinst gestaltet sei», die französischen Großmäuler noch mehr zu Paaren zu treiben, als dieS jetzt schon von den wackeren Spaniern geschieht!" Der Franzose war ebenfalls aufgestanden. .Selbst Großmaul!" schrie er weinerregt. .Ihr werdet mir anderwärts Rebe stehen!" „Der Haliptmann von Sr. Majestät Leibgarde Curt von Ende hat eine solche Einladung noch nie abgeschlagen", sagte der Ossicier stolz, „meine Wohnung kennt der Wirth und morgen früh bin ich für Jedermann zu Hause!" Dabei »ahm er den betreßten dreieckigen Hut von der Wand, warf den langen Mantel über die Schultern und verließ, gefolgt von feinem Kameraden, sporenklirrend daS Gemach. Die beiden Ossiciere schrillen die Wilsdruffer Straße binab und bogen in die Schloßgasse ein, aus deren rechter Seite sich im zweiten Stockwerk eine» schmalen HauseS die Wohnung deS CaPitainS von Ende, bestehend aus einem freundlich niöblirten Zinimer mit dunklem Alkoven, befand Nach dem Hose zu stieg a» den Alkoven ein kleines Kämmer chen, in welchem der Bursche des Capitains, der gleich seinem Herrn auS der Meißner Gegend stammte und von Anfang der »lilitairische» Lausi'ah» seines Herrn besten getreuer Diener war, hauste. Eine behaglich erwärmte Stube empfing die beiden Ossiciere, nachdem sie ihre Mäntel und Hüte dem Diener Georg übergeben hatten und sie nahmen nun rechl- und links an dem einzigen Tiscke deS GemackcS Platz. „Fatale Geschickte!" sagte Ende'» Begleiter Han- von Eghdi. welcher als erster Lieutenant bei derselbe» Compagnie wie Ende stand, — „hättest den Franzosen ruhig reden lasten solle»!" Ende sah seinen Freund groß an. „Wie?" sagte er entrüstet, „Du meinst, ich hätte ruhig dabei sitzen sollen bleiben, während dieser Laste im fränkischen klcbermuth nnscre» Kurfürsten verlästerte und " „Du hast ja vollkommen Recht, aber Thatsache ist eS, daß Du Dich mit dem Duell, waS ja nun so ziemlich unumgänglich ist, in eine arge Patsche reitest. Du lebst erst seit 8 Tagen wieder hier, nachdem Du während der letzten fünf Jahre in Flandern gegen die Franzosen gesochtcn hast nnd die Dir verlieh-ne Charge ist daher eine wohlverdiente; aber die Ver hältnisse hier sind seit Deiner Abwesenheit wesentlich andere geworden wie früher. Seit der Kurfürst die polnische König krone angenommen hat, ist er durch politische Gründe ge zwungen. sich die Gunst der französischen Regierung nicht zu entfremde» und so leben jetzt an unserem Hose eine Menge, zum Theil sebr zweifelhafter Abenteurer polnischer sowohl wie fränkischer Nation, welche leider — Gott sei'- geklagt — durch allerlei Ränke ihr Glück zu machen suchen und oft genug unsere» einheimischen Adel über die Achsel ausehen und die besten Stellen in der Armee und in der Verwaltung weg schnappen Manches blutige- Rencontre ist bereits die Folge diese« Zustandes gewesen und hat auch bei solchen in der Regel das deutsche Schwert seine Probe gut bestanden, so sind doch seit Anfang diese- Jahre- für Duellanten so strenge Strafen angeordnet worden, daß selbst die tapfersten Evel- leute den Gelegenheiten dazu, soweit eS sich nur mit ihrer Ehre verträgt. anS dem Wege gehen. Der Chevalier ist »och dazu als Raufbold erster Elaste, aber auch alS außerordentlich gewandter Fechter bekannt, ich gestehe deshalb, daß ich nicht ohne Besorgniß Deinetwegen bin. „Laß eS gut sein.HanS!" antwortete von Ende, „hängen kann nnd wird mich ja der Kurfürst nicht lasten; zur Noth gehe ick seinem Zorne eine Weile aus deni Wege, weswegen ich mir noch heute einen kurzen Urlaub erbitten werde. Wä scher die Klinge de- Chevaliers anbetrifst, nun — so denke ich — daß ich eS getrost mit ihr ausnehmen kann!" „Gott gebe eS — daß Du Sieger bleibst! Wie aber — wenn Du dann — wie eS al- Strafe angedroht wird, cassirt «nd gefangen gesetzt wirst?" „Cassirt?!" — Bei Gott — daS wäre stark! Aber wenn eS geschehen sollte — nun — so bänge ich daS Schwert ganz a» den Nagel und bebaue mein väterliche- Erbgut selbst. — Freilich — inS Gesängniß mag ich nicht, im äußerste» Fall gehe ich wieder nach Flandern, wo man mich mit vfsenen Armen ausnehm?» wird. Doch — genug von allen Be sorgnissen, die Sacke ist einmal gescheben nnd läßt sich nicht mehr ändern. D» secundirst mir doch?" „Selbstverständlich! „Nun, dann ist eS gut. Apropos — ich bin heute Abend zum Grasen Woymb eingeladcn, den ich von de» Niederlanden her kenne, er ist der ehemalige Geinahl der jetzigen Gräfin Cosel." „Derselbe — ich begleite Dich dahin und da e- an der Zeit ist — so laß unS gehen!" * * Am zweiten Morgen nach den, im vorigen Capitel Ge schilderten ritte» zwei Cavaliere, vom Kops bis zu Fuß in lange schwarze Mäntel gehüllt und »iächtige Stulpenstieseln an den Füßen, die damals noch bis dicht an die jetzige Neu städter Hauptstraße, rechls und links von starken Waldungen eingefaßte Königsbrückcr Landstraße hinanö. ES war kaum 6 Uhr und als die beide» Reiter aus die Anhöhe kamen, die jetzt zum große» Theil von den stolzen Gebäude» der Albert stadt besetzt sind, stand an der linken Seile deS säst grund losen Wege- der treue Diener Georg, welcher seinem Herrn und dem Lieutenant HanS von Eghdi schon von Weitem zuwinkte und aus einen kleinen Rain wie», der a» einer Stelle de» Straßengraben überbrückle und von de», auS ei» schmaler sogenannter Jägerpsad i» daS Gebüsch führte. Die beiden Reiter saßen ab und während Georg die Roste etwa» weiter anS Holz führte und dort an einem Baum anband, schritten die beiden Ossiciere den Pfad entlang und gelangten »ach kaum 200 Schritte» auf eine Lichtung des Walde-. aus welcher bereit- drei Herren, der Chevalier d'Aubigni, sei» Sccundant, ein polnischer Lancierosficier und der Arzt, ein in solchen Sachen vielbewanderter Armeeseldscheer, versammelt waren. Die Herren begrüßten sich gegenseitig auf daS Höf lichste, ein Versuch der beiden Secnnkantei» den Handel in Güte beizulcgen, scheiterte an der entschiedenen Weigerung beider Bctheiligte» und nachdem die Duellanten ihre Röcke abgelegt hatten, die Degen gcmesten und die Stellung für die Kämpfer so gewählt war, daß Licht und Schatten möglichst gleichmäßig vcrtheilt waren, traten die beiden Duellanten einander gegenüber und auf das Commando deS Polen waren die Klingen im Nu hart aneinander. Ein Seufzer der Er leichterung entfuhr leise den Lippen Egydl's, als er schon nach wenig Augenblicken sah, daß sei» Freund in der Führung feiner Waffe entschieden Meister war. Kalt und ruhig hielt derselbe die Augen sest aus die sich hi» und her windende, bald sich zurückziehende. bald wieder blitzschnell vorstoßende Spitze der Klinge seines EegnerS gerichtet, der durch aller hand Finten und Vexierstöße ti'e starre Parade Ende'svcrgcbtich zu durchbreche» versuchte. Auch der Franzose begann seinen An griff erst ruhig und besonne» und mit große», Geschick, als aber Nichts vermochte, den Gegner aus seiner Ruhe z» treiben, gerielh er i» Hitze, zumal er selbst bisher vergeblich aus einen Angriff deS Osficiers gewartet hatte und derselbe entschlossen schien, die Defensive sestzuhalten. Er sprang, all mählich in Wuth geratdend, bald vor, bald rückwärts, um kreiste die Klinge seines Gegner- blitzschnell mit der seinigen, aber wenn er dann in der Meinung, eine Blöße seines Gegner- entdeckt zu haben, zusticß, glitt sein Degen machtlos ab oder traf auf den eisernen Kvrbgnff, der beide Degen umgab. So dauerte der Kamps bereit- länger al- eine Minute, alS v. Ende, sich aus einmal vorbeugend, plötzlich zum Angriff überging, eine Parade de- überraschte» Gegners durchbrach und im nächsten Augenblick die Spitze feines DegenS dem Chevalier tief, etwa- unterhalb deS rechten Armes in die Seite stieß. Der Chevalier stieß einen schwachen Schrei auS, ließ den Degen fallen nnd schwankte einige Augenblicke hin und her, fiel aber gleich daraus den» zu Hilfe herbcieilenden Eghdi und seinem Sccundanten in die Arme, die den Körper des Verwundeten langsam in daS hohe Gras gleiten ließen. Der Arzt ent fernte mit kundiger Hand das Hemd von der Wunde deS Chevaliers und untersuchte dieselbe; auch v. Ende War heran- aetrcten und als er sah. daß der Verwundete bei vollem Bewußtsein war und ihm schmerzlich lächelnd die Hand zur Versöhnung reichen wollte, beugte er sich, versöhnt die Rechte des Chevaliers ergreifend, auf denselben herab. „Ich hatte Unrecht!" flüsterte der Chevalier leise, aber vernehmlich, „jetzt kann ich eS schon eingcstehen, der Wein trug wohl die meiste Schuld!" Gerührt blickte Ende ans den Chirurg, der die stark blutende Wunde mit Charpie zu verstopfen bemüht war. „Hübsche kleine Wunde!" sagte derselbe als Antwort auf die fragenden Blicke der Anwesenden, „nickt lebensgefährlich — bei guter Pflege in 8 Wochen wieder ausstchen, daS heißt, wenn uns das Wuntsicber keinen Strich durch die Rechnung macht." Aus dc» ArzteS Anweisung hoben die Männer den Verwundeten in die Höhe und trugen denselben zur Landstraße, ans welcher der Wagen. der den Arzt und die beiden anderen Herren gebracht hatte, vorgefahren war Möglichst sorgsam ward der Chevalier in demselben unter gebracht und nachdem sowohl der Doctor wie der Pole eben> falls im Wagen Platz genommen hatten, suhr letzterer lang sam nach der Residenz zurück. Auch Ende und Eghdi bestiegen die vorgesührten Pferde, schlugen aber einen anderen Weg al- der Wagen ein und als vom Thurm der Frauenkirche d,e achte Morgenstunde herab tönte, befand sich Ende bereits wieder zu Hause in seiner Wohnung, indeß Eghdi seinem Dienst nachging. Der Hauptmann befahl seinem Diener, da er nun kininal einige Tage Urlaub genommen hatte, Alle- zu einem Auöflng für den nächsten Vormittag fertig zu machen, da er beab sichtigte, einmal wieder sein jetzt verpachtete-, bei Meißen liegende« Gut zu besuchen und sröblich ging der Bursche an die Arbeit, denn auch er freute sich, nach so langer Abwesen heit die heimathlichcn Gefilde wieder zu sehen. Wegen der etwaigen Folgen de- Duell» war Ende ohne alle Sorgen Die Versöhnung mit dem Chevalier hatte ihm bewiesen, daß derselbe Cavalier genug war, um nicht den Angeber zu spielen und so verbrachte der Capitain den ganzen Tag über theil» mit längst fälligen Correspondenzen an alte Freunde theil- mit Lesen und war al- die Dämmerung hcreinbrach eben im Begriffe, der goldenen Traube einen Besuch abzu statten, als er hastige, spornklirrende Schritte auf seiner Treppe Hörle und gleich darauf Han- von Eghdi aufgeregt in- Zimmer trat. Ohne ansang- ein Wort zu reden, nahm derselbe Ende'S Mantel vom Nagel und seinem erstaunten Freund denselben übcrwerfend sagte er hastig: »Schnell! — E» ist kein Augenblick zu verlieren! Georg kann da- Pferd und Sachen nachbringen. — Die Wache, welche Dich verhaften soll, folgt mir auf dem Fuße; der Pole bat den französischen Gesandten benachrichtigt und auf Vesten Requisition ist sofort Haftbefehl gegen Dich erlösten worden. Ei» Glück, daß ich die Wache hatte und mir die Ordre durch die Hand ging. Aber komm — jeden Augenblick kann das Piquet hier sein!" Kurz entschlosten folgte Ende dem Freunde, aber eben als sie die jetzt schon dunkle Hausflur erreicht hatten, gewahrten sie. wie ein Corporal mit zwei Mann an der Hau-thltr beschäftigt war, einen seiner Leute al- Posten «m der khtr aufzustellen. Es blieb den Beiden also nicht» Wetter übrig, al« in den Hof zu retiriren. Glücklicher Weise war derselbe vom Nachbargrundstück nur durch eine» nicht allzu hohen Zaun getrennt, den die beiden Ossiciere schnell überstiegen- leider war aber hier die zum Hau» sübrenve Hinterlhnr verschlossen, weshalb ie nicht ohne Z itverlust erst zwei weitere höhere Stakete übe, steigen mußten, ehe sie aus eine offene Thür trafen. Sie eitlen durch die Hausflur und traten aus die säst dunkle Straße, wären aber hier beinahe der Patrouille gerade in die Arme gerannt, welche eben vo» der erfolglosen Durch- uckung vo» Ende'» Wohnung znrückkehrle. Schnell e»t- chlossen, stieß Eghdi seinen Freund nach >cchlS, während er elbst sich link-, direct der Patrouille zuwandtc und dieselbe durch Fragen ausznhalten suchte. Ter Führer de- PiqnelS aber hatte trotz der Dunkelheit den schnell bavonschreitenden Capitain erkannt und ohne dem Lieutenant Rede zu stehen, chrie er feine» Leuten zu: „Dort geht er, schnell nach!" und eilte im Laussckritt mit seine» Leuten hinter Ende her, der eben um die Ecke der nächste» Straße bog. Auch der Capitain sing jetzt an zu lause», waS er konnte, aber die Häscher kamen ihm trotzdem näher und näher. Gewandt bog er in eine weitere, größere Straße ein und che auch die Verfolger die Ecke erreichten, drückte er aus die HauSthür de» nächsten HauseS, dieselbe öffnete sich vor ihm, er trat chncll i» die Flur, schloß die Thür wieder hinter sich und lieg, ohne sich zu besinne», die mit reich vergoldetem Geländer versehene, mit Teppichen belegte Treppe geräuschlos bis in den zweiten Stock in die Höhr. Er hatte in der Hitze der Flucht weder daraus geachtet, i» welcher Straße er sich befand, »och hatte er eine Ahnung davon, wer da- HanS, in welchem er jetzt Zuflucht gesucht hatte, bewohnte. Kein Mensch war ihm b S- her im Hanse begegnet und horchend blieb er jetzt stehen. Dann beugte er sich über daS Geländer der Treppe und schaute nach der schwach erleuchteten Hausflur hinab, hoffend, baß seine Verfolger weiter geeilt seien, aber i» demselben Moment hörte er, wie sich unten die HauSthür ausS Neue öffnete nnd die Soldaten in die Flur traten, während eine sremde Stimme dem Corporal bestimmt versicherte, gesehen z» haben, daß der Flüchtling hier i»S HanS getreten sei. Blitzschnell überlegte der Ossic>er. WaS war hier zu thu»? — Sich gesangcu gebe»? — Nimmermehl! — Aber schon stiegen die Soldaten die Treppe heraus. — Unhörbaren Schrittes eilte der Capitain ans den dichten Läufern, ivoinit auch die Corridorc des HauseS belegt waren, den nächsten Gang hinunter, nnd drückte erst vergeblich auf die Klinken verschiedener Thüren, bis — endlich eine Thür seinem Drucke nachgab. Schnell trat er ein und verriegelte zunächst die Thür, hinter der er horchend und ansathniend stehen blieb, von innen. Auf der Flur de- ersten Stockwerkes aber ivar eS jetzt laut geworden, der Capitain hörte die polternde Stimme deS Corporal». dazwischen eine andere, welche in drohendem, beschlendcm Tone sprach, dann — dem Horchenden dünkte eS eine Ewigkeit — zogen die Soldaten wieder ab. Der Ossicier kan: jetzt erst dazu, sich in seinem AuscnthaltSort ein wenig umzusehen und eine aus dem Tisch stehende Kerze anbrannte. Er befand sich offenbar im Wohnzimmer einer Dame und zwar einer reichen, sicher hochgestellten Danie, den» die ganze Einrichtung würde zu damaliger Zeit nur wenig in ei», selbst vermögendes, bürgerliche» Hau- gepaßt habe». Rechts stand eine Thür offen, welche in ein prächtig eingerichtete», mit breitem Himmelbett versehenes Schlafzimmer sührte, links standen an der Wand massive reichverzierte und mit vergoldeten Schlössern versehene geräumige Schränke, während cm dem einen Fenster, vor einem hochlchnigen Armstubl ein elegante« Nähtischcheu placirt war, auf besten Platte eine angcsaiigcne Stickerei mit noch darin steckender Nadel lag. Seitwärts dcö rechte» Fensters des ziemlich großen Zimmerö stand ein reich niit Gold und Elfenbein ausgelegtcS Spinett. — Der Ossicier trat an da- Fenster und vorsichtig hinter den Gar dinen versteckt, durch dieselben lugend, gewahrte er deutlich, wie der Corporal in der Hausflur gegenüber einen Posten zur Beobachtung seines gegenwärtigen Zufluchtsortes aufstellle. Der Rückweg war also unser,» Flüchtling versperrt. Er drehte den Schlüssel des einen großen Schran keS herum, die Thür ging ans; der Schrank war bis aus einige Damenkleider ziemlich leer und bot dem Capitain eine genügende Zuflucht für eine plötzliche Ncber- raschung. Er löschte das Licht wieder auS und überlegte, dann beschloß er, hier zu verweilen, bis die Dame, die Be wohnerin deS Zinimcrs, nach Hause gekommen nnd allein sei, dann wollte er sich ihr entdecken, vielleicht konnte ihn dieselbe verberge», bis der VeobachtungSpostcn abgezogen war. In der Stube selbst konnte er freilich nicht bleiben, denn wer konnte wissen, ob die Dame allein »ach Hause kam oder nicht, im ersten Schreck über den Anblick der unerwarteten Ein quartierung gar um Hilfe ries? Eö war deshalb bester, er beobachtete sie erst vom Schrank auS und wartete dort den günstigen Augenblick, sich zu zeigen, ab. Entschlosten riegelte er deshalb die Stubenlhür wieder aus und trat dann in den Schrank, dessen Schlüssel er abzog. Indem er die Thür deS SchrankeS fest vor sich zuzog. Er bezog aber seinen Beobach tungsposten gerade zur richtige» Zeit, denn kaum hatte er sich daselbst nur einigermaßen installirt, so Hörle er schon draußen Stimmen, vo» wahrscheinlich die Trepp- heraussteigenden Leuten, dann rauschte eS wie von Damengewänder» aus dem Corridorc und im nächsten Augenblicke öffnete sich die Slnben- thür, ein Lichtstrahl siel durch 'daS Schlüsselloch auf die Hand deS Capitains und die Bewohnerin des Zimmers, mit einer anderen weiblichen Person, jedenfalls ihrer Dienerin, trat in daS Gemach. „Gott sei Dank." sagte eine schöne Altstimme, daß wir wieder zu Hause in unserem behaglichen Heim sind. So — Sabine — hänge de» Mantel in den Schrank!" Krampshasl hielt der im Schrank Verborgene die Thür desselben zu, da der Schlüssel, den er in der Hand hatte, innerhalb deS SchrankeS nicht in das Schloß zu stecken ging. „Wo ist denn der Schlüssel?" fragte eine andere Frauen stimme. nachdem die Besitzerin derselben vergeblich am Schlöffe gerüttelt hatte. „Der Schlüssel?" antwortete die vorige Stimme, „ja — er muß doch anficcken?" Wiederum rüttelte die Dienerin an der Thür, schaute unter den Schrank und suchte vergeblich nach dem sehlende» Schlüssel, während es dem Ossicier allmälig heiß und unbequem in seiner Lage wurde. Der Schrank, obwohl hinreichend breit und lies, war doch nicht hoch genug, so daß der Capitain darin nickt völlig aufrecht stehen konnte, sondern in gebückler Stellung verharren mußte. Dies war aber auf die Dauer kaum auSzuhalten, und da er ohnehin befürchtete, die Dame möge sich noch weiter auSkleidcn und er auch die Anwesenheit der Dienerin bei seiner Entdeckung schon deshalb wünschte, damit die Inhaberin de» Zimmers nicht compromittirt werden könne, so machte er der fatalen Situation ein schnelles l Ende, stieß mit rascher Bewegung die Thür aus und stand ' im nächsten Augenblick vor den überraschten Insassinnen de» Zimmer-, Ein doppelter leiser Aufschrei war die Folge der kühnen Thal. Vor dem Ossicier standen, wie er vermuthet, Herrin und Dienerin, Erstere eine prächtige, hochgewachsenc Blondine von kaum IS Jahren, Letztere ein dralle», aber offenbar ener gische- Kammerkätzchen, etwa desselben Alter», welches sich wie zum Schutze seiner Herrin beim Erblicken deS OsficierS blitzschnell vor dieselbe geworfen hatte und nun ebenso erstaunt wie diese den Eindringling anstarrte. „Mein Fräulein," sagte der Ossicier, .verzeihen Sie e- etne« Verfolgten, daß e- derselbe gewagt hat, um seinen Verfolgern zu entrinnen, eine kurze Frist Ihr Zimmer zu betreten. Mein Name ist vo» Ende; in Folge eine- Duell- drobte mir dir Verhaftung. ich flüchtete, aber bie Schergen blieben mir derb aus den Nähten, so daß ich zuletzt, ohne e- eigentlich zn beabsichtigen, in dieS HauS und alö auch die» von den Verfolgern beirrten ward, in die- unverschlossene Zimmer gerieth; ich eile. daS HauS zu verlassen und mich freiwillig auSznlieseru!" Damit verneigte er sich ehrfnrchlSvoll vor der Lame nnd machte eine Bewegung, sich zn entferne». „Halt, mein Herr!" gebot ihm da die Stimme Verjüngen Dame — so sind Sie der von der Patrouille Vcrsolgte, welche vorhin mit unscrm Haushofmeister in Streit ge- ricth? — „Aber wie ist mir denn," setzte sie »nt bebender Stimme hinzu, „sollte» wir uns nicht ein wenig näher kennen, mein Herr Capitain von Ende?" Jetzt war eS an dem Ossicier, iu Erstaunen zu gcrathe». er blieb stehen nnd betrachtete das vor ihm stehende schöne Mädchen aufmerksam; aber vergeblich war sein Nacksinnen. „Hat denn Kurt vo» Ende seine kleine Nachbarin von Cölln bei Meißen, seine Jngcndgespielin, die oft kaum mit ihren kleinen noch wackligen Beinchcn den Klettereien deS allerdings um Viele» größeren Junge» in den Bergen der Hcinialh folgen konnte, ganz vergessen?" „Wie?" sagte Kurt erregt, einen Schritt auf die Dame zulretcnd, „nein — eS ist unmöglich — und doch " „Ja freilich bin ichS," lachte sie herzlich und reichte dem Ueberraschte» beide Hände, „Thekla von Uechtritz steht vor Ihnen, habe ich mich denn so ganz und gar verändert? — Freilich liegen fast zehn Jahre zwischen unserem letzten Zu sammensein!" Strahlenden AngcS betrachtete Kurt die so herrlich empor geblühte, als Kind so unscheinbare Jugendfreundin, lies senilen sich seine Blicke in ihre im scnckten Glanze schimmernden Augen nnd sie hätte kein Weib sein müssen, wenn sie nickt in den seinigen heiße Bewunderung und die freudigste Er regung gelesen hätte. .Thekla!" — „Kurt!" Diese beiderseitig bcrvorgcstoßencn wenigen Worte genügten für Beide, um sich nicht nur zn beweisen, daß die alte Jugend- sreundschast noch heute ihr volles Recht behanp'.etc, sondern daß auch in beiten Herze» ein noch viel tieferes, heiligere» Gefühl eingezoqen sei. Fanden anch die Lippe» vorläufig noch keine Worte für dasselbe, so sprachen koch die Äugen der jungen Leute eine um so beredtere Sprache. Die Zofe wollte sich still entferne», allein ihre Gebieterin gebot ihr, hier zu bleiben, da eS ja nun galt, betreff» der Sicherheit Ende'- geeignete Maßregel» zu treffen, und der Vorschlag der ihrer Herrin treu ergebenen Dienerin, daß der Ossicier daS ans der anderen Seite der Flur besinbliche Kämmerchen derselben beziehe» sollte, bi- eine günstige Gelegen heit zur Flucht oder ein Wandel im Geschick deS Capitain» eingetrete» sei, ward schließlich mit Freude angenommen. Hier bei erfuhr denn Ende anch. daß er sich im Palais der jetzt allmächligen Freundin deS Königs August, der Gräfin Cosel, bei welcher seine Jugenbgespirlin daS Amt einer El>renka»>e versah, befand Ein günstiger Angenblick zur Uebersiedlung deS Capitain» in sein »cueS Heini ward benutzt und beim Abschied »ahm er von Th kla bie Versickerung mit, daß sie Alles ausbietcn werde, um für ihn bei ihrer Gebieterin und durch dieselbe beim König Gnade zu erwirken. (Schluß folgt.) Zur Wahlbewegung iu Preuße». XIX). Berlin, 31. Juli. Ans den Berichte», welche von Partei wegen zur Zeit den Wählern erstattet werden, ergiebt sich eine- mit unzweiselhaster Klarheit: die Reform der Steuer- gesetzgebung in Preuße» ist in den verflossenen drei Jahren nicht um eines Haares Breite vorwärts gekommen. Der über die 16. Legislaturperiode sich erstreckende Geschäftsbericht der national- liberalen Partei betont zwar an verschiedenen Stellen die alten Forderungen der Liberale» in dieser Hinsicht, weiß aber in Bezug aus die praktische Behandlung all' dieser Frage» nur zu bemerke i. daß die Regierung davon abgesehen hat, aus ihre im Jahre 1884 gebrachten Vorschläge zur Steuerreform in diesen drei Jahre» zurück- zugreisen. Ein Vorwurs für die Regierung wird hierbei nicht erhoben, in der richtigen Würdigung deS Umstandes, daß die Steuerresorm in erster Linie eine Finanzresorm sein mußte. Zu deren Durchführung war die Mitwirkung des Reiche« unent- behrlich. Die Einsicht, daß es sich bei vcr preußischen Steuer, resorm schließlich um namhaste SteuerauSsälle, günstigste» Fall S nur um eine Lastenvelschiebung handeln könne, während unter alle» Umständen höhere Einnahmen zuni Staatsbetrieb ersorderiich waren, führte eben nothgedrungen dazu, daS Schwergewicht der Action zu- nächst aus daS Reichsgebiet zu verlegen. Der schöne Grundgedanke, durch die Resorm der Pcrionalsteuern gleichzeitig auSgleichende Gerechtigkeit zu üben und die erhöhten Bedürfnisse de« Staates zu deck n, ist je länger je mehr als praktisch uudurchsührbar erkannt worden. Es läßt sich in Folge dessen nur beifällig vermerken, d.iß die preußische Regierung mit ollen Kräften vorerst daraus Bedacht enoninien hat. die Finanzresorm im Reiche zu einem gewisse» Ad- chluß zu bringen. I» dem Augenblick, da auch das neue Zuckersteucr- gesetz in Krast tritt, welches neben dem Branntweiiisteucrgeseh die wichtigste Maßregel zur Besserung der Reichsfinanzlage gewesen, wird eS aiizuerkcniien sei», daß die preußische Finanzvolitik als die treibende Kraft der ReichSfinanzvolitik einen ansehnlichen Schritt vorwärts gelangt ist. Einen Borwurs aber würde dir erstere ver- dienen, wenn sie auS der nun vortheilhasten Finanzlage der Staates, auS der endlich gewonnenen Sicherbeil namhasier Zu wendungen von Seite» der ReichScasse nicht die ernste Mahnung entnehmen wollte, jetzt anch die so viel leichter gewordene Pcrsonalsteuerresorm planmäßig in Angriff zu nehmen. Um so mehr sollte diese Forderung jetzt im Vordergründe stehen bleiben, als die Einsührung höherer Verbrauchssteuern vom sogenannten Existenznunlnium, dem füglich eine unmittelbare Steuerleistung nienials zugemuthet werden kan», schon einen Theil deS täglichen NothpiennigS mit hinwegnimmt. Anderer seits befindet sich die Staatsfinanzpolitik in der günstige» Lage, mit steigenden Zuwendungen aus der ReichScasse in Folge der wachsenden Erträgnisse der Verbrauchsabgaben zu rechne». DaS enthebt den Reformgesetzgeber der Nothwendigkeit, jeden, auch den kleinsten SteuerauSsall zu meiden, so lange die Gewißheit von Ersatzeinnahmen nicht untrüglich gegeben ist. Ohne Zweifel ist der Augenblick jetzt günstig, um auch die lange hinautzgeichleppte Resorm der direkten Steuern in Preußen wieder in Angriff zu nehmen. Auch hierfür aber ist e» gut, wenn daS Uebergewicht der Lonser- vativen im Abgeordnetenhaus!: nicht zu mächtig hervoitritt. Zum Kamps um die Schule bemerkt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung", „daß in dem Staate Friedrich de» Großen, dessen Heer heute nach dem Zeugniß de« Fürste» Bismarck nicht zuletzt deshalb so mächtig dafteht, weil es sich auS Männern mit guter Schulbildung zusammensetzt, die Durchführung der Grund sätze de« Windthorst'schen Antrages unmöglich ist, wissen die EentrumS- sührer selber ganz genau. Der Zweck ihre« Vorgehens kann nur sein, neues Oel in die verglimmende Flamme deS LulturkampfcS zn gießen und das Mißtrauen der katholischen Unierthanen gegen de» Staat von Neuem zu schüren. Wenn ihnen dabei sogar einige extrem-ortho doxe evangelische Kirchenpolitiker behilflich sind, so haben wir den Trost, daß im evangelischen Volke keinerlei Boden für solche Be strebungen vorhanden ist. ES mag mehr oder weniger berechtigte Wünsche zur weiteren Sicherung de« consessionelle» LharakterS der Volksschule geben; allein der von Windlhorst eliigeschlagene Weg führt dahin. daS Beste de« sür andere Staaten nnisterg'ltigen Schul wesens in Preußen zu gefährden." ES erhebt sich also auch in dieser großen Principieusrage wieder ein klaffender und unüberbrückbarrr Gegensatz zwischen den beiden in der conservativen Partei vereinigten Richtungen. Wie lange da ein mehr und mehr inhaltlos werdender Parteiverband noch ausrecht erhalten werden mag! Der Vorstand der Tonservativen des Rheialandes er» läßt eine Erklärung über die bei den Wahlen zu besolgende Taktik. Dieselbe kommt zu dem Schluß: ,,M t den Nationalliberalen wenn auch getrennt zu marschiren, io doch vereint zu schlagen, dal war die Losung de» dritten Parteitages der Conservativen der Rheinlandes am 11. October 1885, und sie möge, nachdem die rheinischen Nationolliberalen un» Treue um Treue gehalten, auch bei den Landlagswahlcn diese- JohreS unser Leitstern jetu."
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