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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.11.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-11-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188811139
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18881113
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18881113
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-11
- Tag1888-11-13
- Monat1888-11
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.11.1888
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6»06 gerichtSrath Ernst Wichrrt au» Berlin die Tribüne betrat, um die Aufmerksamkeit der Festversammlung durch eine geist volle Rede zu fesseln, welche sich zur Ausgabe stellte, Friedrich Schiller als den nationalsten unserer Dichter zu schildern. Die Ausgabe gelang dem hochgeschätzten Herrn Festredner aus da» Vorzüglichste. Wir geben zunächst die Einleitung der Rede in Nachstehendem wieder. Der Redner führte Folgendes au»: Verehrte Anwesende! Cs sind nur die großen Wohltbäier der Meaichheit, deren Geburtstage die Volker noch nach ihrem Tod» setern, die großen Wohlthäler, die zugleich durch ihre Persönlichkeit Lieblinge der Nation geworden sind, in denen sic sich wie eine Familie sühll. Dieser 10. November gab uns Deuijche» den theurcn Mann Marlin Luther und den nicht minder theuren Mann Friedrich Schiller. Er bleibe uns allezeit ein freudiger Gedenktag. Schiller ist uns mehr als eine literarische Erscheinung, der man eia Genüge thut. wenn man sie, sei eS auch mit dem breitesten Raum und an ehrendster Stelle, cinsiigt in die Flucht der literarischen Erscheinungen, welche in ihrer Gesammtheit die Literaturgeschichte de» deutschen Volkes ergeben. Er bedeutet uns einen dauernde» Besitz von unermeßlichem Umfange, eine Bereicherung unseres geistigen Nationalvermögens, die jeder Schätzung nach ihrem wahren Werth spottet, eine Ausgestaltung des Nationalcharakters in seinen ehrenhafteste» und liebenswürdigsten Eigenschaften, ein Band sür den Zusammenhalt aller von der staatlichen Gemeinschaft getrennte» Glieder des großen BolkskörperS. Zum nicht geringsten Theil durch ihn sind und bleiben wir Deutsche in Oesterreich, im Sachienlaiide Siebenbürgens, in den Baltischen Provinzen Rußlands, in Amerika Nord und Süd, in Australien und wo sonst die deutsche Zunge klingt. Schiller ist unS die Verkörperung aller idealsten Neigungen des germanischen VolkSstammeS zu einem greifbare» Schönheiis- bilde. Er war ein Dntücr uach unser,» Herzen und er war rin Mensch uach unserm Herzen. Und gerade deshalb bleibt er »ns persönlich so nahe, weil zwischen dem Dichter und den« Mensche» kein Zwiespalt war, ein ganzer Manu unS auS seinen Dichtwerken und de» Nebcrlicseruugea aus seinem Leben entqegenlritt, weil wir ihn bewundern und lieben können zugleich. Indem wir den Tag leiern, drr ibm das Leben gab, danken wir gleichsam der Vorsehung für ein Geschenk, das zu missen uns undenkbar geworden ist. Man »enai Schiller unseren nationalsten Dichter und gewiß mit Recht. Und doch wird zu tragen sein: weshalb unseren «alionalsten? Man will damit, meine ich, noch mehr oder etwas anderes auSdrücten, als daß er derjenige deutsche Dichter ist, dessrn Werke am weitesten durch alle Schichten der Nation verbreitet sind, mit dessen Gedanken sie denkt und mit dcsftu Sprache sie spricht. So könnte er der der Nation thenerste Dichter sein; damit er aber daS Lob verdiene, unser nationalster z» sein, muß erst uoihwendig in ihm irlbst etwas sein, das ihn denisch-charakreristisch obdebt von ullen anderen großen Dichlergestalten, nicht nur der iremdcn Nationen, sondern auch der eigenen, so daß die unierlcheiLenden Mirkmnle des deutschen Geistes, des deutschen Geiuüths, kurz der deuismen Volksseele, wie wir sie u»S aus der Geiammiheil aller ihrer H-rvorbrmgunaen canstruircu, in seiner Person und Dichtung am vollstäudigttcn zusammentresfen, und wir uns durch sie nichr nur menschlich befriedigt, sondern auch dcutichbürgerlich in besondere», Grate angcbeimelt tiihleu. Nun war Schiller aber weder ein deulicher Patriot, noch haben seine M.isterwerle, die sich einen würdige» Platz ,n der Weltliteratur clobcrtcn, stofflich einen ip.-cifischdeulichiiationalen Cdarak.er, durch den sic etwa rvcieullich sind, was sie sind. Es ist deshalb vi lliichi nicht ebne Inieresse, einmal dem Grunde gerade dieses Epithetons n chrugehe». Wir Alle haben das sichere Geiübl, eine uubestreilvar: Wahrheit ouSzusprcchen, wenn w:r «chiller unseren nationalsten Dichter nenne» ; aber cS liegt licht so ohne Weiteres a» der Hand, weshalb er'S ist. Gerade in unserer st,eit, die politisch eine deutsche Nalion erstehen sah, niag es merkwürdig erscheinen, daß ihr der nalionalste deutsche Dichter vorangegangen lein soll. Bleibt auch ncule die Schätzung dieselbe? bleibt sie's, so ist sie jedenfalls unabhängig von den Voraussetzungen, die wir jetzt an d e Anerk-tiitUtig uationalcr Velhäligung zu knüpscu geneigt sei» möchten. Es ist ichon oft angrmerkt worden — und ich kann hier überhaupt nur wiederboten, verehrte Anwesende was schon tausendmal gesagt ist — daß die jüngste Blülbezeil der deutschen Literatur gerade in die Zeit des tieistcu politischen Verfalls Deutschlands siel. Schiller durchlebte dcS alten Reiches traurigste Phasen und erlebte Deutschlands Ec- liebung ,ni Bejreiungskamvs nicht einmal mehr. Zur Zeit s iner Geburt besteht nur dem Namen nach noch ein römisches Reich deuticher N lion. Die alten Institutionen sind verrollet, der Körper, dem alle geiunoen Taste entzogen worden, löst sich in Fäulniß auf, der Kaiser ist machtlos im Reich, mehr »nd mehr nur bemüht, seine Haurmachi zu befestigen. Die Neuhstlände haben sich von der Cenlratgewalt säst ganz unabhängig gemacht, »lehr als 300 Territorien, viele von« »»nzigsten Umfange, betrachten sich als ielbitständige Staaten Kinsürslen, Fürsten. Erzbischöfe, Bischöfe, Arbte. Grasen. Frei herren. Städte und Flecke» lühicn sich als Souveräne in ihren Gebieten und G-bietcheii. Der Knisüru von Brandenburg ist König in Preußen, der Knrjürst von Sachse» König von Pole», Hannover ist so gut wie eine cnglnche Provinz, Schweden bä!t Vorpommern »nd Rügen besetzt. Daiikinark, ^chic-Sivig, Elias; und Lothringen sind längst >» der Gewalt Frankreichs und vom Reiche abgerissen. Unter den Gliedern ist kein Zusammenhalt, der Reichstag zu Regensburq, nur kümmerlich von G sandten ohne bmdeiibe Vollmachten beschickt, gelangt n cht zu kräftigen Beschlüssen :m Interesse der Reichs mdeit, Eijeriucht und Mißtrauen überall. Exekutionen sind nicht gefürchtet, es fehlt rin Reichsheer, das Rcichrkammergcrichr hat allcS Ansehen verloren, Häusl Acten aus Acten und bringt keine Entscheidung heraus, überall in den kleinen Residenzen Soldaienipielerei, französischer Hospomp, französische Mode und Sprache, der Adel zum großen Theil verlumpt, aber noch eine bevorrechtete Kaste, der Burgerstand innihloS, gedrückt, ohne Nnlernchmungsgeist, der Bauer i» Unte:- thäingkcit, so gut wie leibeigen — das ist das Jammerbild Deutsch lands zu Anfang der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, au! das Schillcr blickte, als er j ine Räuber, seine Eabale und Liebe dichtete. Die jranzviitche Revolution wurde anjangS als eine erlösende Volk», that begrüßt und gefeiert, von Paris erhoffte man die allgemeine Befreiung von unerträglichem Druck. Der Fruerbrand griff über den Rhein hinüber, löschte in weiten Gebiete» den letzten Nest dcnischen Bewußtseins aus. Der Kamps gegen die Republik endete unglücklich, die gänzliche politische Auslösung des alten RelchSkörperS war die Folge. Oesterreich rettete sür sich die Kaiserkrone, Preußen suchte in sich selbst eine Stütze, die sich nur zu batd als morsch er weise» sollte — und schon leuchtete tue neue Sonne Napoleon mit blendendem Glanz über Europa aus. Als Schiller starb, war eS uur noch eine Frage der Zeit, wann der Franzojenkaijer den Rest deuticher Unabhängigkeit vernichten werde. In der That, während der ganze» Lebenszeit Sch ller'S geschah nichts, was lim hätte mit Stolz erfüllen können, ein Deutscher zu sei». Nicht einmal daS Valerländchen, dem er von Geburt anqebörie, konnte ihm an» Herz wachten.' Sein Herzog Karl von Württemberg, von den kleinen DeSpole» einer der selbstbewußtesten, hatte AllcS gethan, in seiner Mitilairschulc diese» freien Geist in die Uniform einzuschnüren. Der Regimcntsfeldscheer, dessen Dichtungen er unter seine Ceniur stellte, hatte ihm davonlausen müssen und stand Jahre lang in der Sorge, als Deserteur eingefangen zu werden. Er fühlte sich nick« als Württemberger, sondern allenfalls als Schwabe, ober Schwaben war »ur die historische Abgrenzung einer alten Stamm« gemeinschaft, und Deutschland nahm sich seiner später nur in dem kleinen Fürsten vor. Sachsen-Weimar an. Aus einem Kleinstaat siedelte er tu de» andern über. Weimar, bei Goeth-'S Ankunft nicht viel mehr als ein großes Dorf, war auch bei Schiller's Tode nur eine kleine Residenz ohne politischen Charakter, von Bedeutung nur durch den Fürsten »nd einige Mitglieder seiner Familie, sowie durch eine kleine Zatst von literarischen Größen, die sich dort wie in einem schützende» Asyl zusammengesunde» halten. Erst in Schiller's letzter Lebenszeit war ron einer Ucbersiedelung nach Berlin ernstlich, aber auch nur gnuz vorübergehend die Rede. Und das damalige Berlin war ebcnsallS weit entfernt, eine auch nur in Deutschland selbst tonangebende Großstadt, der Mitielvunct seines geistigen Lebens zn s in. Dentiäi-naiionale Bestrebungen halten dort kaum ihren Boden P rusten, daS durch den in Schiller's frühe Jugendzeit stillenden Ivvwjührigen Krieg eine Machtstellung erlangt Halle, die cs aus dem ReichSverbande mehr und mehr bcrauSbob, ohne eS doch Mit Oisterreich den anderen deutschen Körperschaften gegenüber ans dielet!'- Sluse zu stelle», hatte sich durch seine Mit wirkung bei der Theilung Polens den denlichea Jnleresseu allzu lehr entzogen und war nur ängstlich bemüh», sich selbst zu erhalten. Schill-r batte be i Staat Friedrich'- des Großen vcr Augen, wie er sich ui der letzten Negiernngszeit dieses Regenten, unter der Miß- wirlhschajt seines Nachfolgers, in seiner Haltlosigkeit unter dem schwachen Friedrich Wilhelm II. der Well barftellle. Berlin konnte ihm uur durch Iffland und sein Theater anziehend sein. Schiller wuchs in eine arg sronzösirte Gesellschaft hinein, der Wieland die Leulschc Sprache erst dadurch ein wenig jchmackhasler Halle machen inüssen, daß er sic mit sranzösischei» Geiste zu schreiben versuchte. ES kann »och alledem, wie so ost gleichsam entschuldigend anerkannt worden, nicht im Mindesten anssallen. daß Schiller eine» aotionolen Stantpuiict sür seine gesummte Betrachtungsweise nicht eiuaohm, sondern darüber hinaus als Bürger, Philosoph und Dichter eine Weltanschauung zu gewinne« suchte, die ein durchaus kosmopolitische» Gepräge hat — nicht nur so, daß in ihm gar mcht die Frage entstand, ob diese oder je« Tendenz dt« an sich berechtigte sei. sondern geradezu so. daß er den «aiioaale» Glandpunct at» zu enge princip ell und kritisch, besonders in einigen sehr scharfen Epigramm-n, odlehnte. Ich sage, die» konnte nicht aussallcn, wenn man die realen Verhältnisse in Rechnung zieht, unter denen er als e.a Dculscher geboren, erzogen und eia Manu geworden war. aber es bleibt doch immerhin beachienswerlh, daß er trotzdem unser „nationalster" Dichter soll heißen können, daß jene» Deutschland de» 18. Jahrhunderts einen Denker und Dichter hervorzubrinqeu ver mochte, dem wir die Anerkennung schuldig sein sollen, auch wen» er ein deutscher Patriot im gewöhnlichen Sinne nicht sein wollte, durch die Erzeugniise «eines Geistes bewiesen zu haben, daß er eS .» hervorragendem Maße sei. Dabei ist dann aber weiter nicht außer Acht zu lassen, daß Schiller auch bei der Wahl seiner dichterische» Stoffe keineswegs durch die Rücksicht aus Nationalität beeinflußt wurde. Hieraus rvendeie sich der Redner, um da» Vorgcdacht- mit Beispiele» zu beweisen. Leu« Inhalte der Hanptwcrke dcS Dickster» zu und er führte diesen Beweis nameult'ch au der Hand der „Räuber", bcö „Fiesko", de» „Don Carlos", von „Kabale nur Liebe", wie durch de» Hinweis aus die Schiller'fchen Ballade» und seine theoretischen Abhandlungen. Alsdann beschloß der Redner, um sein Thema weiter äuS- nnd zu Ende zu sührcn, seine Darlegungen mit folgender Betrachtung: Wenn es nun aber richtig ist. daß Schiller als Bürger mit vielen Besten seiner Z-it kosi.ioroliiffckien Nnichnuunaen huldigte und auch später, als die sranzösiiche Revolution sei-e Erwartungen geiäuiäit batte, jedenfalls nickt seinen Siolz rare», setzte, ein Deuticher zn sein; daß Schiller auch als Dichter, insbesondere als dramattichrr Dichter der Tendenz, durch seine Dichtungen unmittelbar rationale Anregungen z» geben, ganz fern gestanden bat — welchen Grund hat es da»», daß man ihn den Deutschesten der Deutschen, „uscrn nationalsten Dichter nennt und nenne» darf? Mine cr's in Wirk lichkeit nicht? Täiilchte» wir unS über diesen seinen Charckter? Gcioiß nicht. Er ist es durch Gesinnung und EmvsinduiigS- weise. So verkörpert er unS daS Ideal eines deutschen MauneS in Leben und Dichtung. Im Leben! Und daS ist eben das Er habene und zugleich unendlich Lirbenswertbc dieser men chlichen Gestalt, daß o» ihr, so nackt sie vor aller Welt dastcht, kein Flecken ist, daß man den Dickster, um ihn zu verehre», nicht von dem Menschen abzuiösen nöchig hat. daß Schiller durchaus in allen LebenSbezichungen edelgesinnt und hvchgemuthel war. daß sein philoiophifcher und ästhetischer Idealismus zuglech in ihm eia prakiijcder, seine gelammte Handliingsweije beherrschender war, daß Goelbe's schönes Zcugniß, e» habe das Gemeine hinter ibm in weieiilvsci» Scheine, also ohne beirrende Kraft, ihm selbst ein Nichts, gelegen, durch alle aus seinem Leben bekannt gewordenen Tbat- sachen, durch olle brieflichen Aeußerungen, durch all? seine wissen« schaltlichcn und dichterischen Erzeugnisse voll bewahrheitet wird. Er lieble die Freiheit und opferte ihr schon früh jede Hoffnung aus gemächlichen Dajeinsgenuß. Er wollte lieber in der Fremde darben, als in der Heimalh nur ein halber Mensch sein dürfen. Jnimer ging sein Streben aus das Höchste, stellte er an sich die weiteste» Ansorderungen, nie hat er um Fürste», oder Volks gunst gebuhlt, nie ein Wort gesprochen oder geschrieben, das nicht seine Ü berzeugung ausdrückte. Er war von größter Wahrhaftigkeit und ron tiefster Geivisjriihaitigkejk, durch und dmch human, in allem Denken und Thun sittlichen Princivien huldigend, ohne Voruriheil, roll Hcizensiväiine, ein so g««:cr Sohn, als Bruder, Gatte, Vatec und Freund. Deshalb ist er nicht nur der deutsche Dichierheros, sondern nuch der deutsche Familiensreund. Wir bewundern ihn, aber wir lieben ihn ebenso sehr. WaS wir on »ns selbst und unseren LandSlru'.en vorzüglich schützen: die idealistische Lebeiisanschauung, das FreiheiiS- und Unabbäiigiqkciisgesiihl, die ehrliche Dankbarkeit, die Hochherzigkeit, die Gcwisienhafligkcit, die Treue, die Wärme und Tiese des Gkiiiülbs, die Freude an allem Schöne», Gu:ea und Wahre» als- den höchsten LerenSgülcin. die Keuschheit der Gesinnung und Enipstitd'inq — kurz Alles, was wir — v elleichr Nicht ohne nationale Uebcrdebung — gut Deutsch nennen, leuchtet uns aus der Persönlichkeit Schiller's entgegen. CS fehlt ihm die Geistreichigkcit des F.anzosen. der Humor des Engländers, die Lcidciischastlichke t des JlalieuerS oder Spaniers. In ihm hat in der That die deutsche Nalionaliläi ihren, mau möchle jagen: typischen Ausdruck gesunde». Aber auch in seiner Dichtung ist Schiller ^anz ein deutscher Mann trotzdem und alledem. Das einzige Lied von der Glocke müßte jeden Zweifel daran bannen. Aber auch in seinem objec- tivsten Schaffen als Dramatiker verleugnet er sich keinen Augen blick. Waren „Die Räuber" eine dichterische Verirrung, so sind sie Loch aus einem Jrrihuin des Herzens hervorgegangen, der dein deulichc» Stürmer alle Ehre macht. Ein so ungeheuer liche', unpraktisch - rcvolulionaires Drama konnle nur herauS- «vachsen auS einem über La? Unrecht der Gcsellichait am Einzelnen tiefsittlich empörten Cttmüih. In „Fiesko" ist es die Siaats'dee, die über das Herrschastsgelüst des glänzend begabte», zur Führerrolle geschaffenen Bürgers siegt. Der Staatsstreich qelingt. aber der Sieger büßt seine Untreue mit dein Leben. Dieser Ausgang befriedigte das deutsche Gewissen. Zwanzig Jahre später gelang es einem sraiizösi'ch-n General, sich die Republik zu linlcrive-sen; das sranzösiiche Geivi'ie» ließ sich Lurch seine glän zenden Thaicn beschwichtigen. In „Kalole »»d Liebe" sind vielleicht die ani «»eisten zur Caricaiur au'gcarteie» Figuren Ferdinand und Luve selbst, aber doch nur insofern in Ferdinand der Idealismus, in Luve die 'Scnimienialilät überspannt erscheinen, Richtungen der menschlichen Seele, sür die gerade die deutsche Jugend besonders stark bcanlagt ist, welche denn such allezeit über die Verbildung der Charaktere dinivrggeseben und dem Schicksal der Liebenden beiße Thränkn nachgkweint hat. WaS „Don Carlos" so groß- Gewalt über die Herzen der deutschen Leier »nd Zuschauer gegeben, ist nicht dis geniale Belebung eines Stückes spanischer Historie, sondern die dichterische Schöpfung des in mehr als einein Sinne unbistorischei« Marquis Posa, einer Idealgcstalt von deutschrstem Gepräge, einer Lichlericheinung, die nur erschaut und poetisch verkürperlichl werden konnte van einem so sonderbaren Sckiwäriner, als der er selbst cincm Philipp II. und seinesgleichen erscheint, über die er doch Macht hat. Fordert Schillcr sticht selbst durch Posa'S Mund Gedankensreiheit sür d>e Menschheit von ihren Despoten? Und wäre gerade aus diese Forderung ein Anderer gefallen als ein Deutscher, dem der schwerste politische Druck erträglich scheint, so lange er nur srei denken und leine Gedanken frei äußer» kann? Dazu aber: wa-S sür ein Freund ist dieser Posa! Auch diese Selbstlosigkeit der Hingabe des Mannes an den Mann, diese Selbstverständlichkeit des Opfers der eigenen Persönlichkeit sind deutsch-nationale Züge, prak tischeren Völker» kaum verständlich. Und „Wollenstem"! Diese gewaltige Tragödie ist freilich nicht geschrieben. ui» einen nationalen Gegenstand aus die Bühne zu bringen, aber ein nationaler Gegenstand ist. aus die Bühne gebrach!. so groß, so überwältigend, so siegreich, wie dies nie einem deutschen Dichter vorher uno nachher gelungen ist. Wie deutsch ist nicht gerade Das, was der Dichter auS seinem Eigensten gegeben bat, was kein anderer Dickter >o hätte geben können: das Verbältniß Wallenstein's z» Octavio Piccolomini, gebaut aus dem Stcrnenglaube». das Verhältmß Wallenstein's zu Mox, da» Verhülltst« zwischen Max und Thekla, diese beide» Figuren ganz und gar! Man brouchi hier nur mit einen, Worte onzndeuten, uni in, Kreile deutscher Männer »nd Frauen ein volles Berständniß zu finde». Aber deutsch nenne ich auch Schiller'» „Mario Stuart", „Jungfrau von Orleans". Man dars diese dichterischen Figuren nur vergleichen mit ihren realen Vor bildern auS der Geschichte und mit den Nachschöviungea andercr Poeie», um diese Behauptung voll bestätigt zu finden. Deutsch, durchaus denlsch nenne ich auch den Doppelchor in der „Braut von Messina", mag man auch bis aus die alten Griechen zurückgehen müsse», um seui Eijcheinen aus der Bühne zu moiiviren. Den» die Empsindunge», die er in mächtige» Worten ausspricht, entstammen dem deutschen Gewisse», das on die Herrscher, an die Mutter, an die Säbne. on die Brüder seine sittlichen Forderungen mit unerbitt licher Folgerichtigkeit stellt. Dcutich empfunden endlich von der erste» bis zur letzten Zeile ist der „Test" in seinem gewaltigen Appell on die Vaterlandsliebe, mit Seberblick voremvsunden der Erhebung des beutschen Volks 1813, seiner Einigung 1870. Wer will abmessen, wie groß der Einfluß dieser herrlichen Dichiung aus die politischen Geschicke unseres Volkes gewesen ist und fortdauernd ist; was das bedeuten wollte» wenn der deutsche Knabe sich begeistert die Worte einprägte: „Wir wolley sein eia einig Volk von Brüder», in keiner Nvth uns trennen und Geiahr!" Haben dieses Gelübde nicht Tausende und Abertausende deulicher Jünglinge nachgesprochen >n de» trostlosesten Zeiten srcmdländisckier Unterdrückung und pariicularistischer Armseligkeit? biS es in ollen deutschen Heize» eine Macht wurde, der nichis zu widerstehen ver mochte. bis daS Balerland blsrcit, dis daS Reich geeint war? Do ist eine dichterische That vollbracht, die zugleich eine nationale Ttat war. Alle Hoheustausendraoieu. die wir besitze», zusammengeuommea. reichen da nicht entfernt Hera»! Es hat manchmal den Anschein, als ob Schiller der jüngerr» Generation nicht mehr so diel gelte als der älteren. Aber können sich unsere Söhne denn überhaupt noch eine Vorstellung ron der Zeit, in der die Deutschen ihren uollonalen Zusammenhalt säst nur in der aemeialamea Sprach« und in dem darin ansgedrückien Dichicrwort fanden? Oder auch »« von dir Zelt, tu Welcher Deutschland et» rein geographischer B>griff war nnd es in den dreißig Baterlllndchen -in deutsches Bürgerrecht nicht gab? Schon 13 Jahre sind vergangen seit der Kriegserttärung an Frankreich Tie seitdem geboren wurden oder damals Kinder waren, sind ausgewachsen mit Anschauungen von des deutschen Re ches Mach» und Herrlichkeit, die unfern Vätern kaum Iraumhast vorschwebteu. Die allen Ideale scheinen erfüllt, die reuen ergeben sich auS dem Hinblick aus d.e Kämpfe, die zur Festi gung unserer theuersten Errmigenschasten in Zukunft vielleicht un vermeidlich sind. Für de» nalionalslen Dichter möchten wir jetzt den halten, der uns immer wieder die Freude an ihnen erweckt, der liiiscre Beschicht« nach Stoffen durchsucht, die unsere Vorfahren ihrer jüngsten Enkel würdig erscheinen lassen, der mit leiden schaftlichen« Pathos zu neuen, noch zu vollbringenden Thoten begeistert. Schiller ist unserer heutigen Jugend zu zahm, zu zart, zu geistig — sie bringt eS zu keiner rechien Schwärmerei für ihn. Vielleicht würde sein Name heule nicht die Macht haben, wie vor dreißig Jahren, diesen Verein ins Leben zu rusen, der sich nach ihm nennt und weit über die Grenzen des Reiches hinaus in die Länder deulicher Zunge verzweigt, da andere Namen — nicht die von Dichtern und Denkern, sondern von Kriegsheiden und SiaalSmänneru — laut vorhallrndcn Klang erlangt habe», praktische Ausgaben fedrr Art unS erwackärn sind, zu denen nichr die Dichter berufen werde». Aber nur Gcduld! Der deutsche Nationalcharakter müßte sich unr- gewaudrlt haben, was Gott verbüten wolle, wenn nicht in unserm Volke immer wieder mit aller Kraft der Trieb zu rem geistigem Schassen und Genießen erwachen, wenn nicht die Ausbildung zu schöner Menschlichkeit wiedee eine der edelsten Ausgaben der deutichen Dichtkunst werd n sollie. Wer i:isbefond,ri uocli nicht an der Zu kunft unserer deutschen Bühne verzweifelt, die jetzt, wie zu ihren traurigsten Zeilen, ihren Hauptbcdars anS dem Auslande zieht, hofft zuversichllich, daß eine Zei: kommen werde, i» der es nicht nur nicht mehr nölhig sein wird, die Dramen Schiller's und seiner Gcistes- geuosjen, uni sie überhaupt dem Repertoire erhalten zu können, a!S Ausstattungsstücke zu geben, sonder» auch dramatische Arbeiten der Neueren »ach ihrem großen Borbilde ein theilnehniendrS Publicum finden werden. Das deutsche Nalionallheaier ist eine Forderung, die. älter als hundert Jahre, kaum abschlagsweise hier und dort sür kurz- Zeiträume zu erfüllen versuch! ist. Sie wird auch jetzt wieder gestelli, und sehr bezeichnend in dem Sinne, daß darunter ein Theater verstanden sei» lall, in dem vorwiegend, wenn nicht aus schließlich. Dramen natioualen Charakters zu nationaler Erbauung des Publikums zur Aufführung gebracht werden sollen. Man ist aus diksem Wege schon so weit verirrt, von dem Dilet tantismus Rettung zu ciwarlen, da das Tbeater als gewerbliches Institut leist»,igsunfähig gewoiden. Diese Bewegung ist nicht ent fernt im Schiller'ichen Geiste. Er wollte allerdings in seinem idealen Streben die Bühne — »ich! nur die deutsche — als eine moralffche Anstatt betrachtet missen; aber die veredelnde Wirkung derselben sollie sich ergeben aus ihrem steten Bemühen, die höchsten Ausgaben der Kunst zu erfüllen, welche ja nach seiner Auffassung me un mittelbar einen polüffcheri, religiöse» oder pädagogischen Zweck ver- soigt, sonder» ihre» sittliche» Einfluß aus der Freude des Menschen an der möglichst vollkommenen Darstellung des Schonen, Aule» und Wahren berleitet. Sich Iler war auch 'icht der Rigorist, zu dem der Mißverstand jenes Postulats ihn lo ojl stempelt. Er jagt on einer andere» Stelle: „Mil gutem Gruucc dä't man on dein Glauben fest, daß die Künste der Phantasie und Empfindung aur Ver gnüge» abzwccken." Nur ist ihm Vergnügen nicht Belustigung; auch die Tragödie zweck: aus Vergnügen ab. Sein eigenes dichte risches Schaffen in allen seine» Gestaltungen richtet sich aus Er- Hebung der Seele durch die Kunst, aus daS Erlassen deS Toials der nienschlichen Naiur rurch ihre Wirkungen. Wer in solchem Geiste d.chret. dars sich seinen Rackffolger nrnnen; wer in seiner Zen und sür seine Zeit mit ähattchein Erfolge wie er dichtet, wird die Lckätze der drulichei, Naiioualbühnc melren, deren kostdarster Bcstaud Schiller's Dramen sind und hoffentlich alle Zeit biclbci, werden. Wir köniic» wohl sagen, daß der rauschende und lang anhaltende Beifall. der sich nach der Festrede erhob, in jeder Beziehung cin g-rechifcrligtcr war. Die Rede erzielte, in dem sie Lchillcr einmal von einer Seile, in welcher er sür gewöhnlich »icht zum Gegenstand der Erörterung gemacht wirk, erfaßte, und außerdem durch ihre cxactc und eloquente Form bekcuttllte Wirkung. In die weitere» gesanglichen und dcclamatorischen Vor träge des AbendS theiltcn sich, nachdem Frau Cinma Bau mann und Hrrr Hektmoud abgesagt hatten, Frau Olga Lewinsky, Fräulein Notkauser, Herr Borcherdt, Frcinl. Borckers. welche mit liebenswürdiger und bochanzuerkenncnder Bereitwilligkeit in die so plötzlich entstandene Bresche euigetrete» war, und der Mannergesangverein „Concor Via". Wir wollen nicht weiter i» Cinzelheite» ciugchcn und nur bemerke», daß sämmlliche Leistungen vorffiglich waren, so daß nach jeden der Vorträge der lebhafteste Beifall ertönte. Nach Schluß der Feier blieb cin nickt unbeträchtlicher Theil der Anwesenden zu einem geselligen Bciiaminein vereinigt, daS schließlich dock wieder den Cdarakter eines gemeiiischasllicheu MahleS annahm, bei welch-m Herr Geb. Hosratd l)v. v Gott- schall kcn Toast ans Schiller, Herr RcchlSauwalt Ludwig denjenigen auf die Tamc» und Herren ausbrachte, welche durch ihre Vorlräge zum Gelingen der Feier so wesentlich beigciragen hatten. Lin Namen der Letzkeren dankle Herr Ernst Wickert, der cin Hoch auj Leipzigs thätigc» Schffler- vcrcin ansbracht- ^ilroilomisches. * Ter Astronom Palisa in Wien fand am 25., 20. und 3l. Oclober drei neu: Planeten, die zn Len zwischen den Bahnen des MarS und Jupiter sich um die Sonne bcwcgcn- dcu gehören. Am 3l. Oclober früh 5 Uhr entdeckte der Astronom Barnard ans dem Lick-Observatorium (Mount Himilton in Calisvuiien) einen schwachen Kometen in l1.'»o 5-0' gerader Aufsteigung, l5'> 18' südlicher Abweichung, also einige Grad südöstlich von tcm jetzt l2>,'- Ubr früh ausgehenden Alphard, dein hellsten Sterns (2. Größe) in der Wasscrschlauge. Tie Bewegung dieses Kometen ist nach Nord gerichtet. D:c schon besprochenen, seit einigen Tagen sichtbare» Sonnenflecke sind fortwährenden Aeiiderungeii unterworfen, namentlich bat der rechts stehende, größere Fleck bedeutend a» Umfang abgcuommcn. Seit dein II. ist in der Nähe dcS östlichen Rniites ein »euer größerer Eoniieufleck ausgetaucht, in dessen Nahe sich am 12. zwei neue Flecken gebildet haben. DerBarnarb 'sche Komet vom 2. September, welcher sich jetzt im »orkösiliche» Theilc deS EridanuS, in der Nähe deS Orion besiiidcl, später aber bis Ende dcS Jahres im Ster»- bilde de- Walfisches verweilt, ist schon in kleinere», 10—12mal vergrößernde» Fernrohren al- kleiner Nebeistern sichtbar. Er kommt zwar erst am 31. Januar 1880 in Sonnennähe, aber nicht in fo gülifttger Stellung zur Erde, daß er mit bloßen Augen gesehen werden könnte. Selbst zur Zelt seiner größten An näherung an die Erde, die am 25. November stallfindet, «st seine Helligkeit nur das Zwölssache derjenigen zur Zeit seiner Entdeckung (2. September), von da an nimmt sie ab nnd ist Ende Januar 1880 daS Dreifache, bis Juli alSdaun daS weisacke und Ende August wird er wieder so hell sein als zur eit der Eutdeckung. Diese berechneten Werthe können freilich durch eine unerwartete LiÄIentwickelung eine Abänderung erleiden. Daß eine solche sehr wohl einlreten kann, ist neuerdings auf Grund von Becdachtuuaen verschiedener Kometen seftgestellt worden. Nach Ansicht der meisten Astronomen verdanken du Kometen da- L>cht, welche- sie ouS- ftrahlen, der Sonne, indem entweder die in der Kometeu- niassc enthaltenen, sei» vertheilte» Krvstallblättckien von Eis oder die fest gewordenen Kobleiiwasierstosjkbeilchen da- Sonnenlicht zurückiverfcv, oder auch, wie Pros. Zöllner angenominr», die verdünnten Komelendämpse durch den Einfluß der Sonnen- eleklricität leuchtend werden — wie in ähnlicher Weise der verdünnte GaSindalt der Geißler'schrn Röhren infolge de» elektrifchen Strome- Licht ausstcahll. Neuere Untersuchungen sprechen sür die letzte Ansicht, da zur Zeit der größer» Sonnentbäligkeit, also de- vermehrten Auftreten- von Sonnen- flecke», stet» eine größere Lichtentwickelung ver Kometen, namentlich bei größerer Sonnennähe, beobachtet worden ist. Zöllner begründete seine Annahme dadurch, daß die Svectren der Kometen mit denen der Gase in Geißler'schen Röhren große Aehnlichkeil zeigen. Seme Ansicht paßt auch sehr gut zu der Vorstellung, welche er von der Schwrisbilduug der Kometen hatte, der zufolge der elektrische Einfluß der Sonne eine Abstoßung der lockern Komctenmasse bewirkt. Bekanntlich besitz! MarS zwei sehr kleine Monde, die erst im Jahre 1877 am l l. und 17. August von dem Astronomen A. Hall i» Washington entdeckt wurden. Einen großen An» lbiil an dieser Entdeckung hatte die damalige ungewöhnliche Nähe deS MarS. denn er war am 2. September jenes Jahre» »ur 7 515 000 g. Meilen von der Erde entfernt. Diesen Monden wurden die Namen PhcboS und DeimoS gegeben. Ersterer, testen Durchmesser man aus nicht mebr als 1«^ g. Meilen schätzt, ist nur 787 Meilen von der Oberfläche de- MarS entfernt und umkreist diesen in nur 7 Stunden 30 Minuten. Deimo- ist von der Oberfläche des MarS 2160 Meilen entfernt und umkreist denselben in 30 Stunden l8 Minuten. Beide erscheinen den Marsbewohnern nicht größer al» mäßig Helle Fixsterne. Der erste Mond zeigt außerdem die durch die kurze Umlaufszeit bedingte Eigenthümlichkeit, daß er sür den Marsbewohner im Weste» auf- und im Osten untergebt und diese» Weg für einen im Arguator de- MarS befindlichen Beobachter in 1 Skiluden l4 Minuten zurücklegt. Der Astronom DuboiS in Paris stellte neuerding» die Anpcht aus, daß sich die Ent fernung und die UmlaiisSzeit deS DeimoS recht wohl in Eiuklaiig mit der Kant-Laplace'schen Theorie bringen laste, nicht aber die de» PhoboS, und eine solche Abnormität sich nur dadurch erklären ließe, daß letzterer früher einer der kleinen zwischen MarS und Jupiter um die Sonne kreisenden Planetoiden gewesen sei, der i» die Nähe dcS MarS gekommen, von ricsen, angezogen und zu der Beschäftigung eines Mondes gezwungen worden sei. und zwar sei dieö jedensallS der seit 1873 nicht mehr beobachtete 132. Planetoid Aclhra gewesen. Der Unterzeichnete hält dies jedoch sür sehr un wahrscheinlich. da den Elementen der Aethra zufolge die Eut- sernung dieses Planetoiden vom MarS zu der Zeit, zu welcher beide gleichweit von der Sonne entfernt sind, etwa 14>/r Millionen geographische Meilen beträgt. Etwas wehr Sinn hülle eine solche wunderbare Hypothese gehabt, wenn der Agathe. Eva oder Stepbania diese Rolle zuertheilt worden wäre, deren kürzeste Entfernung von ver Sonne bezw. 33>/,. 31>/2. 3gb/tz Mill. Meilen, die größte Entfernung dcS MarS von der Sonne 33'/, Mill. Meilen beträgt und deren Nei gungen weit gerwgcr als die der Aethra sind. Sch urig. Sachsen. * Leipzig. 12. November. Im Monat Oktober 1888 wurde die I. SanilätSwache (Halnstraße 14) inSgesammt von l3l Personen (N7 vor und 14 nach Mitternacht in Anspruch genommen. Von denselben wohnten 42 in der inner» Stabt, 23 in der Nord-, 8 «n der Ost-, 14 in der Süd», lO in der Westvorstadt und 25 auswärts. Nicht behandelt wurde t. die Uedrigen, l l5 Erwachsene und 16 Kinder, wurden in N t Fallen aus der Wache und in 17 Fällen m den Woh nungen wegen 116 äußerer, 15 wegen innerer Leiden in Bc- bandlung genommen. Don schweren äußeren Verletzungen sind bervorzuheben: 2 schwere Verstauchungen, 1 Verrenkung dcS Oberarms, 3 Knocheubrüche, darunter 1 deS Oberschenkels, 3 größere Schnittwunden mit starker Blutung. 1 Bißwunde, 1 prcfuseö Nasenbluten, 1 Verbrennung, 1 Fischgräte im Schlund; von inneren bedenklichen Erkrankungen: 1 Keuch- Iiuslen, t Astbma, l Schlagansall, 2 Krampfanfälle» l Harn verhaltung, 1 Vergiftung durch Ehlorakhydrat. — Aus der II. SanitätSwache (PeterSsteinweg 17) suchten im Ganzen 37 Personen (30 vor und 7 nach Mitternacht) ärztliche Hüse aus. Davon hatten 5 im Ost-, 20 im Süd-, 2 im West- viertel und l auswärts ihre Wohnunge». Nicht behandett wurde t. Von 26 Erwachsenen und tt Kindern wurden 20 ans der Wache, 8 in den Wohnungen, wegen 28 äußerer Lewen und 0 innerer Erkrankungen behandelt. Aon äußeren schweren Verletzungen sind hervorzubeben: 2 Nnterarmbrüchc; von inneren lebcnSbckrohenden Erkrankungen: 2 Lungcn- blutunge«'. l Tiphlheritis. — Dem Buchhalter Gustav Raimund Tetzner in Borsten kor s wurde die silberne LebenörettungSmedaille mit der Bcfugniß zum Tragen derselben am weißen Bande verliehen. ----- Freib erg, ll. November. Bon den hier bestehenden drei Militairveromen ist der Verein „Kricgerbund" zuerst mit den sür seine neugebildctc freiwillige Krankenträger- Colonne erforderlichen Ulensilien ausgerüstet worden. Der von Herrn Stabsarzt vr. Körner der 25 Mann starken Colonne c>!l'.il!e vorzügliche Unterricht war in nur zwölf Loctionen so weit gefördert, daß die Colonne bereit- beule Vormittag in der hiesigen Turnballe eine Prüfung oblegen konnte, welche sür ibre treffliche Ausbildung zeugte. "Zu dieser Prüfung erschienen Herr Oberregierungsrath AmlShauptmann Iw. Fischer, Herr Landwebr-dommandeur Oberst Jenner, Herr Artillerie AbtheilungS-Commandcur Major Teichmann, die Herren Stadträthe Rößler, Beyer und Klemm und mehrere Mitglieder des Stadtverordneten-CollegiumS. Herr Stabsarzt Iw Körner eröfsnete die Prüfung »ril den theore tischen Dingen, wobei die sämmtlich mit Ehrenzeichen ge schmückten Mitglieder der Colonne aus die klar und systematisch gestellten Fragen nicht eine einrige Antwort schuldig blieben. Ebenso präcis gingen die praktischen Uebungen vor sich, denen die geladenen Ehrengäste mit gespannter Ansmcrksamkcit folgten. Herr Oberst Jenner dankte nach vollendeter Prüfung im Name» der Ehrengäste dem Verein „Kriegerbund" sür die erhaltene Einladung und zollte der Kraiikenträger-Coloniie herzliche Anerkennung sür ihre patriotische Hingabe und treff liche Ausbildung. Gleich daraus erschienen die eben erst von Dresden angekommrncn Mitglieder dcS Präsidiums vcn Sachsen- MilitairvereinSbund, die Herren Tannert, Lippold nnd Beyer. Die vor ihnen wiederholten Uebungen wurden von Herrn Präsident Tannert aus Dresden in herzlicher Ansprache als höchst befriedigende anerkannt, woraus Herr BereinSvorsteber Ko bler die Versammlung mit einem drei fachen Hoch aus Sachsens Militairvereinsbünd schloß. I Schnecberg, ll. November. Die diesjährigen Wahlsähigkeitsprüsungen finden im hiesigen kömgl. Lehrerseminar in der Zeit vom 26. bis 20. November statt. K. PrüsungScoinmissar ist Herr Schulrath BezirkS- schutinspcctor Lohse in Zwickau. Dem Examen unterziehen sich 10 im» hiesigen Seminar sür den Lchrerberuf vorgebildctc SchulamtScandidate». — Herr Bürgermeister Iw. Finck in Aue ist zun« erstcnBürgermeister der Stadt Salzungen, wie schon berichtet, gewählt worden. — lieber den HauShaltplan der Stadt Dresden aus daS Jahr 1830 bemerkt der „DrcSV. Anz." Folgendes: „Der Enlwurs zum HauShaltplane aus daS Jabr 1880, welcher vom Stadtratb sestgeslellt und in Druck gelegt worden ist, schließt in den Bedürfnissen »nd Deckungsmilleln mit t 1 832 510 .6 E- überragt Viese Summe vie Bilanzzisser dcS lausenden JahreS. welche sich nach der Vereinbarung mil den Stadtverordneten aus N N1 263 berechnete, um 713 286 so daß sich ui Einnahme und Ausgabe ein Mehr von 6,5 Procent ergiebt. Um zu einer richtigen Beurtheilung des städtischen Budgets zu gelangen, ist zu unterscheiden zwisch-u den Bedürfnissen dcS allgemeinen LolkSschulwesenS und den sonstigeu Erfordernissen dcS städtischen Haushalts. Wabreud man die erstercn ohne schärfere Heranziehung der Steuerpflichtigen decken zu können hofft, weisen die letzteren eine Io erhebliche Steigerung nach, daß, obgleich dir der Stadt- genieinde zu Gebote stebenben Einnabmeqiiellen reichlicher fließen werden, der Rath sich genölhigt gesehen bat, die Aus schreibung ver Gemeiare - Einkommensteuer in Höhe von 40 Procent — gegenüber 35 Proccnt im lausenden Jahre — zu beschließen. DaS unausgesetzte Steigen de- Budgets einer Stadt, wie Dresden, kann kaum Befremden erregen. Wie nach und nach und namentlich in drn letzten Jahrzehnten der äußere Umsang der Stadt und die Zahl ihrer Bewohner gewachsen ist und wie dabei dir Anforderung«», welche von
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