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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.02.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980207017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898020701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898020701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-02
- Tag1898-02-07
- Monat1898-02
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Größere Schriften laut unserem Prets- rerzcichnjß. Tcbellarischcr und Ztsfcrniag nach höherem Tarif. tr^tta-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Posibesörderung 60.—, mit Postbesörderung .4l 70.—. Auuahmeschluß für Ttuzeigeu: -lbend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig e«. Jahrgang Montag den 7. Februar 1898. Zur Geschichte -es Leipziger Postwesens. Mr hatten in einer früheren Nummer dieses Blattes im Bericht über die erste diesjährige Versammlung des Vereins für die Geschichte Leipzigs in Kürze auch des Vortrags gedacht, weicher in derselben von Di-. Richard Markgraf über den Entwickelungsgang des Leipziger Postwesens in der Zcitperiode von 1590 bis 1712 gehalten wurde, und bei dem Interesse, welches dieses Thema bot, ausführlicher auf dasselbe zurückzukommen ver sprochen, was hiermit geschieht. Unter allen Verkehrsmitteln nimmt die Post eine der wichtigsten Stellen ein. Ursprünglich war sie nur ein solches privater Natur, nicht eine für die Be völkerung nutzbare Anstalt zur Beförderung von Briefen, Effec ten und Personen. Aus eigenem Antriebe ebneten sich zuerst die großen Handelsstädte Deutschlands selbst die Bahnen eines gegen seitigen Verkehrs, indem sie durch besondere Boten, je nach Be- dürfniß, Verbindungen unter sich herstellten. Auch Leipzig, das durch seine Messen schon frühzeitig für den Welthandelsverkehr große Wichtigkeit erlangt hatte, blieb mit Errichtung regelmäßiger Botenverbindungen nicht zurück, denn gegen Ende des 14. Jahr hunderts verkehrten von Leipzig direct ausgehende Boten bereits nach Augsburg, Braunschweig, Berlin (Cöln), Dresden, Ham burg, Magdeburg, Prag und Wien, und zwar sowohl zu Fuß wie zu Roß. Man sieht also, daß Leipzig auch im Ver kehrswesen schon in früher Zeit eine nicht unbedeutende Rolle spielte. Als Anfangsjahr seiner geschichtlichen Betrachtung hatte Redner das Jahr 1590 gewählt, weil in demselben der Leip ziger Rath das Postwesen in seine Verwaltung brachte, und als Endpunkt das Jahr 1712, weil in diesem der sächsische Staat die Verwaltung des Postwesens selbst übernahm. Als haupt sächliche Quellen seines Vortrages nannte Redner die Werke von Gustav Schäfer über die Geschichte des sächsischen Postwesens, Johann Gottlob Böhme's Sammlung vermischter Nachrichten zur sächsischen Geschichte, verschiedene Chroniken und persönliche Mittheilungen, Heinrich Mathias über Posten und Postregeln und einige Jahrgänge des Archivs für Post und Telegraphie. — Im Laufe der Zeit vereinigten die Handelsboten, dem Brauche des Mittelalters folgend, zu einer besonderen Zunft, die einerseits ihren Genossen verschiedene Rechte und Vergünstigungen sicherte, ihnen aber andererseits auch bestimmte Verpflichtungen aufer- lrgte. Auch das Leipziger Botcnwesen hatte schon frühzeitig eine zunftmäßige Verfassung. Trotzdem rissen im Botcnwesen nach und nach solche Uebelstände und Unordnungen ein, daß sich der Rath zu Leipzig veranlaßt sah, im Jahre 1590 die Verwal tung selbst in die Hände zu nehmen. Er bestellte zur Abfertigung der Boten einen Botenmeister und ließ für die Zwecke des Boten dienstes ein besonderes Local in der sogenannten „Safranwaagc" cinrichten. Die Beschaffenheit dieses Gemachs, wie später gerügt wurde, war so ungenügend, daß der Botenmeister sich kaum darin behelfen konnte. Der erste dieser Botenmeister hieß Martin Lange, der zweite, vorher dessen Gehilfe, Gallus. Durch den Uebergang in die städtische Verwaltung wurde das Boten wesen zioar von mancher Unvollkommenheit zunftmäßiger Ein richtungen befreit und namentlich besser als vorher beaufsichtigt, dennoch mangelte aber dem Institut noch Vieles, um selbst den geringen Ansprüchen damaliger Zeit zu genügen. Besonders um die Disciplin der Boten war es schlecht bestellt. Bei übler Wit terung und schlechten Wegen weigerten sie sich nicht selten, die ihnen aufgctragene Verrichtung auszuführen. Thaten sie es den noch, so suchten sie, ob auch stets zur Reise bis an den Bestim mungsort verpflichtet, unterwegs die Briefe „durch Gelegenheit" weiter zu bringen, wodurch natürlich nicht nur die schnellere, sondern auch die sichere Ankunft der Bcförderungsgegenstände in Frage kam. Daneben gehörten Uebertretungen im Botenlohn nicht zu den Seltenheiten. Um diesen Uebelständen zu steuern und für die Zukunft bessere Ordnung in das Botenwesen zu bringen, erließ der Rath am 4. Februar 1608 eine Botenordnung, die von der früheren Verfassung des Botenwesens ein getreues Bild gewährt und als die erste geschriebene Dienstanweisung für Brief beförderung nicht ohne Interesse ist. Unter anderem heißt es darin: „Es sollen 30 ordentliche und 10 Reserveboten, so entweder ansässig oder doch Bürger sind, angenommen und dafür ver pflichtet werden, daß sie den Leuten mit Verrichtung der Sachen, die ihnen aufgetragcn und befohlen, getreu sind und anvertraute Briefe und andere Sachen ungesäumt zurecht bringen. Damit solche erkennet werden, haben wir gewisse Botenbüchsen anfertigen lassen, welche jeder geschworene Bote nicht allein, wenn er verschickt wird, sondern auch, wenn er einheimisch ist, zu tragen schuldig sein soll. Anderen Boten soll die Führung einer solchen Büchse bei Strafe verboten sein. Die Boten sind dem Botenmeister stets untergeordnet, welcher immer aufschreibt, wann und wohin der Bote abgelaufen ist. Der Bote ist verpflichtet, zu laufen, wenn es ihm der Botenmeister befiehlt; Weigerung dagegen wird mit Gefängniß und Entlassung bestraft." Ferner heißt es: „Der Botenmeister soll schuldig sein, eine Botentafel zu halten, aus welcher aller Boten Namen verzeichnet und daß bei jedem Namen ein Pflöcklein stecken soll. Sobald nun ein Bote abläuft, soll er das Pflöcklein ausziehen, den Tag des Ablaufens des Botens in seinem Büchlein, so er jährlich halten soll, eintragen und wenn ein Bote heimkommt, soll derselbe sich c-.svald beim Boienmeister begeben, welcher daS Pflöcklein wieder an die Tafel zu dessen Namen stecken soll, damit er allezeit der einheimischen und ab gelaufenen Boten Gewißheit hat. Nach Orten, wohin die Boten nicht gehen, kann der Bote Gänge gegen ein gewisses Trankgeld annehmen, er muß aber solche Gänge bei dem Botenmeister an melden, damit dieser die vorhandene Gelegenheit zur Mitbe förderung von Briefen nach einem gewissen Orte hin „gegen Be zahlung" eine Trankgelves, an der Tafel vorher bekannt machen kann. Der Bote soll, bei seinem Eide, den er geschworen, zusagen, daß er seine Reise und die ihm aufgetragene Verrichtung still und verschwiegen halten wolle. So aber eine andere Person etwas von ihm erfahren würde, soll solcher Bote als ein Mein eidiger und Pflichtvergessener ernstlich gestraft werden, auch seines Botendienstes verlustig sein. (Hierin findet sich die erste Andeutung über die schon aus frühesten Zeilen herstammenoe Pflicht der Bewahrung des Briefgeheimnisses.) Die Boten sollen sich, heißt es ferner, an ihrem Stationsorte nicht in den Bier häusern herumtreiben, jedenfalls aber wissen lassen, wo sie an zutreffen sind. An Botenlohn haben die Voten zu fordern, „bei Reisen innerhalb des Landes 2 Groschen für die Meile, außerhalb des Landes 2 Groschen 3 Pfennig für die Meile, wenn der Bote Tag und Nacht laufen muß, 3 Groschen für die Meile. Für Nachtlager extra 2 Groschen 6 Pfennige auf den Tag." Die angekommenen Boten hatten alle mitgebrachten Briefe an den Botenmeister zu übergeben. Dieser hing sodann eine Tafel, worauf die Namen der Briefempfänger und die Ankunftszeit des betreffenden Boten ausgeschrieben waren, am Eingänge der Boten stube aus. Sowohl für die abgeholten, als auch für die Abholung eingelieferten Briefe erhob der Bo tenmeister für sich eine Gebühr von einem Pfennig. Alle angekommenen Briefe, die binnen zwei Stunden nicht ab geholt wurden, ließ der Botenmeister gegen eine Bestellgebühr von drei Pfennigen durch den Botenknecht austragcn. Der Botenmeister und bei dessen Behinderung der Botenknecht, mußte stets Sommerszeit des Morgens früh von 5 Uhr an, bis die Thore zugeläutet, Winterszeit aber von Eröffnung der Thore bis wieder zur Schließung derselben sich im Botenstüblein be finden lassen. Die früheren Äeiboten wurden gänzlich abge schafft, damit den geschworenen Boten „das Brod vor dem Maule nicht hierdurch abgeschnitten" werden sollte. Und weil bisher die Ordinari-Boten einen, der ihre Briefe herumgetrazen und wiedereingefordert, ein gewisses Trankgeld gegeben, also haben sie fortan dem Botenmeister von jeder Reise einen Ortsgülden geben, hingegen er schuldig sein solle, ihnen ihre Briefe auf vor gesetzte Maße auszugcben und wieder einzubringen. Und daß die Boten sich noch etwas zu getrosten hätten, war ihnen vergönnt und zugelassen, daß jährlich, zum neuen Jahre, zweie aus ihrer Innung, neben dem Botenmeister und dessen Botentnecht mit einer verschlossenen Büchse hcrumgehen möchten und bei den Han delsherren und anderen Personen, so sich der Boten bedienten, um das Neue Jahr zu begrüßen. Der Ertrag dieser Sammlung wurde in der Weise vertheilt, daß der Botenmeister ein Sechstel und die Boten ein Drittel empfingen, während die übrigen drei Sechstel in eine für kranke, invalide und sonst hilfsbedürftige Boten bestehende Casse kamen, die durch Strafgelder und durch den Seitens der Boten für jeden Reisebetrag zu entrichtenden Abtrag von einem Pfennig gebildet wurde. Mit Beaufsichtigung des gesummten Bolenwesens waren zwei Rathsherren beauftrag:, unter deren Vorsitz alle Quartale der Botenmeister und die ort anwesenden Boten zur Erledigung etwaiger Beschwerden sick zu versammeln hatten. Gleichzeitig mit dieser Botcnordnung ernannte der Rath zu Leipzig einen neuen Votenmeister in der Person von Fran, Pciligke und veranlaßte auch die Erbauung eines besonderen Botenhauses neben der alten Waage in der Katharinenstraß.. Diese große Erleichterung des Verkehrs bewährte sich so vrU- tomnien, daß man valo an ihre Erweiterung dachte und berelis Kurfürst Johann Georg I. 1613 einen förmlichen Postmeister einsetzte, der Johann Sieber hieß. Allein obgleich als Posi meister angestellt, hatte er doch keinen eigntlichen Posten, sondern nach wie vor nur die städtischen Boten abzufertigen. Die Boten anstalt hatte zwar vom Rathe, der sic seit 1590 in eigene Ver waltung genommen, keinen Zuschuß erfordert, ihm aber auch keinen Ueberschuß eingebracht. Die Anstalt erhielt sich eben selbst. Der Rath sah deshalb auch ruhig zu, wie bei dem Botenwesen durch die Ernennung des Votenmeisters Sieber zum Post meister ganz im Stillen sich die Umgestaltung des städtischen Instituts zu einem landesherrlichen vollzog. Es blieb aber dem Rathe nicht verborgen, daß die Botenanstalt mit den Jahren immer einträglicher wurde. Im Jahre 1Y31 besann sich daher der Rath, daß er doch eigenilich auf seine Rechte hinsichtlich der Botenanstalt keinen ausdrücklichen Verzicht geleistet hatte, und deshalb verlangte er von Sieber, daß er ihm jährlich ein gewisses Geld aus dem Botenhause entrichte, widrigenfalls, ohngeachtei der Ordinari-Post, die er für sich behalten möge, absonderliche Boten angelegt werden müßten. Sieber berichtete dies dem Kurfürsten und erhielt den Bescheid, er möge das Postwesen wie bisher mit Fleiß bestellen und sich hierin durch nichts und Nie mand beirren lassen. Sollte der Rath ihm ferner etwas zu muthen, so möge er ihm anrathen, das Nöthige bei dem Kur fürsten selbst anzubringen und des Bescheides gewärtig zu sein. Ucbrigens wären die Voten zu warnen, außerhalb des Post - Hauses Briefe auzunehmen, damit solche richtig ausgezeichnet und auf Verlangen nachgewiesen werden könnten. Ob der Rach von alledem in Kenntniß gesetzt worden ist, läßt sich nicht nach weisen. Thatsache ist aber, daß der Rath zu Leipzig kräftige Versuche machte, das gesammte Votcnwesen wieder in die Hände zu bekommen, und daß es ihm auch gelang, dem Botenmeister eine Anzahl der Boten abspenstig zu machen. Auf erneute Äe- schwerde Sicber's ging daher am 30. August 1633 ein Deere! an den Rath, nach welchem Sieber künftighin Briese und waS sonst auf der Post fortzuschaffen, bestellen lassen sollte, indem bisher dabei viel Confusion awhrzunehmen gewesen sei, während doch bei gegenwärtigen gefährlichen Zeiten hierin gute Richtig keit erhalten werden müsse. Der Rath zu Leipzig sollte deshalb Feuilleton. Im üxe. Skizze von Else Hofmann-Leipzig. Nachdruck verboten. Frau Käthe zupft an der bunten Cravatte, die den Steh lragen vorn abschließt. Im Spiegel sieht sie, wie Hans, ihr Fünfjähriger, ihren Hut nimmt und ihn verkehrt auf den Kopf seines Schaukelpferdes stülpt. Er will sich todtlachen und guckt dann die Mama er staunt an. Er kann es durchaus nicht begreifen, daß diese sich nicht ebenso freut wie er. Die dreijährige Elisabeth, abgekürzt Lillit, weiß nichts Besseres zu thun, als mit ihren nie tadellosen Händchen Mamas Handschuhe zu probiren. Mit einem Schrei ist Frau Käthe bei ihr. Es giebt Klappse auf die Finger, ein böser, ärgerlicher Blick fliegt über die beiden Kinder. Kann man denn keine Minute Ruhe haben vor ihnen? Die reinen Quälteufel! Gerade heute will sie tadellos gekleidet sein, sie geht ja zum ersten Male in einen wirklichen zour üxe! Wer weiß, wen sie dort Alles trifft! Life, ihre einzige, ebenfalls am selben Ort lebende Schwester, wird schön gucken, wenn sie es ihr erzählt! Es klingelt, das Fräulein von oben kommt, Käthe abzuholen. Ein letzter, langer Blick in den Spiegel, ein flüchtiger auf die beiden Kinder, die Hand in Hand wie ein paar kleine Ver bündete dastehen, mahnende Worte: „Seid artig, sonst —" der Schluß verliert sich. Käthe schickt Anna, ihr Dienstmädchen, hinein zu den Kindern. Eilig und eifrig geht's die Treppen hinunter. „Ich bin zu neugierig!" sagte Käthe, „es muß zu entzückend bei der jungen Frau sein!" „Ist es auch! Lieber Gott, keine Kinder und enorm reich!" antwortet das Fräulein, „da ist's keine Kunst, ein Haus zu machen und fein gebildet zu sein." Fräulein Lucie seufzt. Ihre Mutter und sie leben sehr be scheiden hin, sie bildet sich zur Tlavierlehrerin aus. Sie spielt öfter vierhändig mit der jungen Arztfrau, die sie dann gern auch in ihrem jour tixe sieht. Lucie bat der Frau Doctor öfters von der jungen, allerliebsten Frau Käthe erzählt und wie diese so sehr davon schwärme, einmal einem so geistvollen Cirkel beizuwohnen. Sie habe die Sehnsucht nach „Höherem" in sich, aber sie müsse im Haushalten und Kinder- erziehen aufgehen. Natürlich hieß eS: „Aber so bringen Sie sie doch nächsten Montag mit." „Sehe ich anständig aus?" erkundigt sich Käthe, ehe sie daS vornehme Haus betritt. Lucie lächelt und nickt. Ehe man in der ersten Etage die Klingen nur berührt, thut sich die Thür auf. Eine Fülle von Licht, draußen ist noch Heller Tag. „Sind schon Herrschaften da, Marie?" erkundigt sich Lucie, die hier „wie zu Hause" ist und dies Frau Käthe beweisen will. „Ja, Fräulein Dornburg von der Oper, Fechler'S —, so sechs etwa!" Marie, die im hohen, weißen Umlegekragen, ein Häubchen arss dem Kopf, sehr geschickt den beiden Damen die Mäntel ab nimmt, lächelt im Stillen, als Käthe ihren Hut ablegen will. „Den Hut behält man auf!" commandirt Lucie leise, „eng lische Sitte, üve o'clocic tea, Liebste!" Käthe sieht mit Entzücken den langen Läufer im Vorsaal, Eckt ihr PelMv-chen zurecht, zupft eia paar der goldhellm Locken in die Stirn und folgt mit Herzklopfen der voran schreitenden Lucie in das Zimmer. Welch eine Pracht! Die kleine Frau vergißt beinahe, sich vor der Herrin des Hauses zu verneigen! Frau Doctor Rösig, eine schlanke, vornehme Erscheinung, sieht mit Freude das kindlich staunende Entzücken in dem jungen Frauengesicht. Die Kleine ist nett, gefällt ihr! Frau Doctor hat durch ihren großen Bekanntenkreis sich eine gewisse Menschen- kenntniß angerignet, diese Frau Käthe ist kein großer Geist, das sieht Frau Doctor, aber von einer entzückenden Natürlichkeit; etwas Herziges, Kindliches umgiebt sie. Käthe sitzt endlich schüchtern auf einem japanesischen Stühlchen, sie balancirt die Taffe Thee in der Hand, die Marie ihr eben präsentirt hat. Diese Täßchen! Dieses feine Gebäck, das in einem goldenen Körbchen liegt! Frau Doctor selbst bietet eS ihr an! Eine kleine, goldene Gabel dient dazu, sich daS Gebäck zu nehmen. Himmel, denkt Käthe, während sie ängstlich bescheiden nach dem kleinsten Stückchen sucht, ich bin selig, daß ich sechs silberne große Gabeln habe, und jetzt giebt's auch noch solche Kuchengabeln! Marie kommt mit Zucker und Sahne. Als Käthe die Zuckerzange erblickt, dankt sie mit heißem Erröthen, sie hätte auf die Weise doch keinen Zucker in die Tasse gebracht! Um Käthe herum sitzen die Damen, Thee nippend, sich huld voll einander anlächelnd, plaudernd. Da außer der Gastgeberin noch kein Mensch Käthe ange sprochen hat, hat sie Zeit, sich die Damen und die Zimmer näher anzusehen. Das dort ist die Dornburg, ein Liebling am Theater. Himmel, Käthe, die selten einen Theater-Thaler übrig hat und dann am liebsten der Poesie ihres Schiller lauscht, hat keine Ahnung, in welchen Rollen das Fräulein eigentlich auftritt! Neben ihr sitzt eine junge Engländerin in rothem Sammet, Käthe bewundert die schneeweißen Hände — die Dame ist Gast der Frau Doctor —, die Brillanten an den Fingern. Ach, es ist hier überhaupt Alles so herrlich, rein armselig erscheint ihr ihre Häuslichkeit dagegen! Diese zierlichen Ebenholzmöbel, die Nischen, in denen bunte Sessel auf Weißen Fellen stehen, die Palmen überall, die zierlichen, blauen Bauerntischchen, voll von Vüchern und Bildtrn. Ueberall Glanz, Farbe, Licht! Käthe biegt sich auf ihrem Sesselchen ein wenig vor und sieht in ein Boudoir nebenan. Dunkelroth verschleierte Lampen überall, Bilder, bunte Portieren. „Do zou lilco ttw tkeatro?'' Käthe ist mit einem Ruck um gedreht, man hat sie angesprochen, die kleine Miß ist es, die sich ihrer annimmt! Aber englisch — davon weiß sie nichts mehr als .je» oder uo! Sie stottert also ein.^es!" Sofort rückt die Miß näher und ergeht sich in Entzückungen über die Miß Dornburg. Zum Glück wird ein neuer Gast eingelassen, mit einem geflüsterten „piease!" schwebt die junge Tochter AlbionS derNeueingekretenen entgegen. Der Kreis wird immer größer. Marie bringt Tischchen für die Theetassen. Käthe, die in ihrem Leben noch nicht in Handschuhen gegessen und getrunken hat, ist beglückt, als einige der Damen ohne Weiteres die Handschuhe außziehen. Sofort sind die ihrigen auch herunter. Aber ein neuer Schreck! Wie stechen ihre Hände gegen die feinen, weißen der anderen Damen ab! Freilich, die Alle haben's besser! Die brauchen nicht selbst am Herde zu stehen, ihre Kinder selbst zu warten, deren Wäsche zu waschen, die können freilich vornehm sein! Wie beneidet Käthe die Frau Doctor um ihr Leben! Wie versteht diese zu befehlen, wie echt pariserisch ist sie gekleidet! Mit welcher Liebenswürdigkeit widmet sie sich ihren Gästen, keinen sichtlich bevorzugend und doch jedem das Gefühl gebend, als sei er ihr besonderer Liebling. Ach, und in welcher Umgebung lebt sie, diese Frau Doctor! Da ist's leicht, Musik treiben, alle modernen Romane kennen, einen großen Briefwechsel führen, Freundschaft mit Künstlern schließen — das Alles, was Käthe sich so heiß wünscht, hat jene Frau! Armer Wicht, der ich bin! philosophirt Käthe, nachdem sie ein wenig mit einer jungen Dame neben sich geplaudert hat; wie simpel ist's bei mir, wie reizlos ist mein Leben! Habe ich Zeit, auch nur den Journalcirkel, den Fritz mir hält, ordentlich zu lesen: Bewahre! Hier bleibt auch die herrliche Sauberkeit und Ordnung, denn die kleinen Vandalen fehlen, die mit Vorliebe Tintengläser über frische Servietten gießen, Fensterscheiben zerschlagen, sich zwanzig Mal die frischen Schürzchen beschmutzen. Käthe seufzt. Höchst prosaisch fällt ihr ein, daß sie noch eine Partie WäsA zu bügeln hat. Käthe horcht auf. Eine junge Dame singt im Nebenzimmer, Frau Doctor selbst begleitet sie auf dem Clavier. Käthe lauscht voll Entzücken. Ach, wie gerne triebe sie all solche Künste, lebte dem „Hohen, Schönen" in der Welt! Aber —! Sie wischt heimlich eine bittere Thräne fort. Das Lied ist zu Ende. Wie reizend Frau Doctor sich im Namen ihrer übrigen Gäste bedankt! Käthe sieht, daß Lucie ihr winkt. Es ist sechs Uhr, sie muß an den Heimweg denken! Sir will ja noch Wiener Würstchen mitnehmen und — Käthe erröthet ob ihrer „Wiener!" Wie gut mag hier gespeist werden! Das Boudoir wird leer, zuletzt sicht Käthe noch an der Thür, um sich von Frau Doctor zu verabschieden. Draußen vom Corridor herein dringt Lachen und Plaudern. „Nun, liebe, kleine Frau!" sagt Frau Doctor, auf Käthe zutretend, „hat es Ihnen denn ein wenig bei mir gefallen?" In herzgewinnender Liebenswürdigkeit legt sic beide Arme um die Taille der jungen Frau. „Sehr!" Käthe seufzt: „Ach, sind Sie zu beneiden, Frau Doctor!" „Ich?" lacht diese, es klingt aber nicht fröhlich, „warum?" „Daß Sie in solch wunderschöner Umgebung leben können, immer schönen Künsten, Ihren Gästen sich widmen können —!" Frau Doctor's Arme sind herabgcalitten, ihr Blick haftet am Boden. Ein paar Augenblicke ist's still im Zimmer. Endlich blickte Frau Doctor auf und Käthe an. „Liebe, kleine Frau!" ruft sie, „wie gern gäbe ich allen Luxus hin, trippelten ein paar Kinderfüßchrn durch das Zimmer!" Sie ist auf das Sovha gesunken und legt die Hände vor das thränenüberströmte Gesicht. „Oh Gott, ich undankbares Geschöpf!" murmelte Käthe er blassend. Sie beugte sich über die Weinende, streichelt sie und flüstert ihr liebe, kindliche Trostworte zu. „Sie kleines, liebes Geschöpf!" sagte Frau Doctor und trocknet sich die Thränen. „Sie müssen mir Ihre Kinder bringen und oft zu mir kommen. Sie glückliche, reiche Frau!" „Ja, ich komme, aber nicht amjour üxe, mit Han» und der Lillit!" Schnell und schüchtern neigte sie sich herab und küßte Jene auf die Wange. Großer Gott, wie unsagbar reich ist sie gegen diese arme Frau! — Unten an der Hausthiir verabschiedet Käthe sich schleunigst von Lucie, was diese „sehr komisch" findet, sie hatte sich so ge freut, auf dem Heimweg sich über so Manche und so Manches gründlich auszusprechen! — Käthe aber muß jetzt allein sein, das fühlt sie! Es thut ihr Wohl, daß der Lärm der Straße sie umfängt. Sie denkt an Frau Doctor. Diese Frau hat sie also beneidet, deren Lächeln einen stillen, nagenden Schmerz verbirgt, die heiße Thränen weint in ihrer Pracht! Wie hat sie nur so verblendet sein können! Was ist Alles Glanz, Reichthum, schöne Künste, gegen das Glück, ein Kind sein eigen zu nennen? Wie sehnt Käthe sich nach ihren Zweien, nach ihrem Mann, den sie liebt, nach Life, der treuen, schlichten Schwester! Sie läuft so schnell, daß sie außer Athem kommt. Dort sieht sie im Schaufenster neben anderen lockenden Dingen auch einen Berg „Wiener" stehen. Schnell ist sie im Laden und kauft. Dann geht's wieder eilenden Schrittes weiter. Wenn nur nichts zu Hause passirt ist! Ihre geliebten Kinder! Sie sieht sic zum Malen deutlich stehen, Hand in Hand, sehnsüchtig, traurig der davongehenden Mutter nachblickend. Käthe ist's, als habe sie ein schweres Unrecht gegen ihre Kinder begangen! Oh, denkt sie, man kann auch in Gedanken sündigen! Im Sturmschritt geht's die drei Treppen hinauf. Käthe läutet so heftig, daß Anna in der nächsten Minute an der Thür ist. „Doch nichts passirt?" fragte Käthe. Anna schüttelt ver wundert den Kopf. „Mama!" ruft's zweistimmig. „Ach Gott, meine beiden Herzen!" Käthe hat Hut und Muff auf das Sopha geworfen und knie! auf dem Fußboden, in jedem Arm ein Kind. „Habt Ihr an die Mama gedacht?" fragt sie, die Gesichtchen mit Küssen bedeckend. Strahlende Augen blicken sie an. „Jmmasu!" meinte Lillit, Hans als künftiger Mann ist zu stolz, seine Sehnsuchtsgefühle Preis zu geben. Er macht sich von dem ihn umschlingenden Arm los und begicbt sich zum Schauplatz seiner Thätigkeit zurück: zu seiner Schwester Puppenküche. — „Ist meine Schwester zu Hause?" Das ist Life! Käthe springt auf und geht der Schwester entgegen. Life küßt ihre Käthe, dann eilt sie zu den Kleinen. „Du warst aus?" fragt sie so nebenbei, während Käthe den Mantel ablegt. „Im jonr Lx bei Frau Doctor Rösig!" „Waas?" Life staunt. „Und wie war's?" „Schön! Aber —" Käthe legt beide Arme um ihre Schwester — „ach, Lise, ich bin doch am glücklichsten daheim — bei meinen Kindern!" „Kleiner Dummkopf! Da brauchst Du doch nicht zu weinen! — Ach, weißt Du, so was sieht sich oft recht wie beneidenswerlh an! Aber — um eine alltägliche Bemerkung zu gebrauchen — es hat Jeder sein Päckchen zu tragen!" „Seder sein Päcksen!" echot Lillit, schreit aber gleich daraus in begreiflichem Entsetzen auf: Hans hat ihr Püppchen ohne Weiteres aus den Schlot der Puppenkochmaschine gesetzt! —
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