Volltext Seite (XML)
SEIDE UND SEIDENWAAREN. (Gruppe V, Seetion 4.) Bericht von Anton Harpke, ^ Fabrikant in Wien. Mitglied der internationalen Jury. Wenn man die beften Leiftungen auf dem Gebiete der Seideninduftrie, wie felbe auf der Ausftellung des Jahres 1873 Vorlagen, mit den als beft anerkannten Leiftungen, wie fie die letzte Weltausftellung bot, vergleicht, fo wird man kaum Gelegenheit haben, irgend eine wefentliche Veränderung, einen auffälligen, epoche machenden Fortfehritt zu conftatiren. Trotzdem befteht ein Fortfehritt, und zwar ein für den gefammten Induftriezweig höchft wefentlicher, indem die Erfahrungen der hervorragenden Fabrikanten mehr und mehr zum Gemeingute geworden find, fo dafs, wenn man die Gefammtheit der Produktion überblickt, unrationelle oder fchlechte Leiftungen zu den feltenen Ausnahmen gehören. Selbft die leichteften Artikel, bei denen früher der billige Preis gleichfam als Entfchuldigungsgrund für mangelhafte Arbeit galt — und gerade diefe Artikel insbefondere — werden heute mit förmlichem Raffinement erzeugt. Verftändige Verwendung von Surrogaten, exatfte Arbeit mit verbefferten Hilfsmafchinen, vollendete Appretur vereinen fich, um felbft das aus dem mindeften Material gewonnene Erzeugnifs kaufgerecht zu machen, und laffen oft nur nach aufmerkfamer Prüfung den verhältnifsmäfsig min deren Werth desfelben erkennen. Eine tiefgreifende Veränderung vollzieht fich ferner in Folge des Vorherr- fchens der glatten Stoffe — derUebergang zur Maffenerzeugung— zumNachtheile der kleineren Induftrie. Der fagonnirte Stoff geftattet dem kleineren Fabrikanten, der Intelligenz und Gefchmack befitzt, die lohnende Verwerthung feines Talentes ■ die Erzeugung desfelben läfst fich felbft von den gröfseren Häufern nur bis zu einer gewiffen Grenze ausdehnen. Diefe Grenze ift nun bei der Fabrication der glatten Artikel ungleich weiter gezogen. Die gröfseren Fabriken find daher immer noch in Ausdehnung begriffen und können fie gerade in Folge derfelben und der damit verbundenen Vortheile zu Bedingniffen arbeiten, welche dem kleineren Induftriellen die Concurrenz zur Unmöglichkeit machen. Wir fehen auch den mechanifchen Betrieb in der Weberei zu fortfehrei tender Anwendung gelangen. Standen derfelben bis nun theihveife nicht gelöfte Conftruktionsprobleme, fowie die Scheu vor allzuhohen Anlagekoften entgegen, fo ift das erfte Hindernifs durch erzielte Verbefferungen, das zweite durch die Folgen der Arbeiterbewegung befiegt worden. Letztere hat nämlich gerade dort, wo es fich um Erzeugung in grofsen Fabriken, in fogenannten gefchloffenen Eta- bliffements, handelt, die Handarbeit unverhältnifsmäfsig vertheuert und daher die