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CRAVATEN UND HALSBINDEN. Bericht von Josef Migotti. J V Diefe kleinften aller Kleidungsilücke, welche erft feit einigen Jahrzehnten in allgemeinen Gebrauch genommen wurden, find nunmehr Modeartikel erften Ranges geworden, und in unferer Ausftellung in reichlicher und würdiger Weife zur Schau gebracht worden. Der einfache, urfprünglich unbedeutende Seidenftreif, welcher dem Hals zu Schutz und Zierde dienen foll, ift durch Zuhilfenahme der verfchiedenften Stoffe und Anwendung von Mafchen, Knoten, Schlingen, Knöpfen und Ringen in taufendfältige Formen gebracht, welche eine folche Vollendung erreicht haben, dafs man neue Verbefferungen kaum mehr für möglich halten würde, wenn uns die diefem Fache angehörenden Induftriellen nicht immer wieder vollgiltige Gegenbeweife liefern würden- Bei Beginn unferer Umfchau fahen wir in England die grofsen Londoner Firmen Lloyd Attree Smith, Slater Bukingham, Welch Margetfon, welche durch gediegene, als folid bewährte Müller unfere Aufmerkfamkett in Anfpruch nahmen; fie find einfach, meill einfarbig , nur mit den unumgänglich nöthigen Beigaben verfehen, und Zierathen möglichll meidend. Wengleich die nach Londoner Methode mit den fchweren Oberftoffen zugleich auch gefütterten Stücke der englifchen Cravate einen etwas fchwerfälligen Charakter geben, fo zeichnet fie fich doch durch vornehmes Anfehen und bekannte Dauerhaftigkeit aus. Von Frankreich verdient das grofse Haus, Haj em aine Maifon du fenix in Paris, welches mit dem Ehrendiplom ausgezeichnet wurde, des grofsartigen Betriebes wegen, unfere volle Beachtung. Es befchäftigt über 5000 Arbeiter und 1000 mit Dampfkraft betriebene Nähmafchinen, und erzielt in Cravaten, Halsbinden und Wäfche einen jährlichen Umfatz von 9 bis 10 Millionen Francs; ihre Waaren ent- fprachen in jeder Hinficht, zeigten uns graziöfe Formen und glückliche Zufannnen- ftellung. Ueberhaupt ift bei diefem Artikel die Art und Weife des Legens einer Mafche, das eigenthümliche Zufammenziehen einzelner Theile mittelfl Knopf oder Ring, oder eine einzige geniale Schürzung oft von grofser Bedeutung und bringt dem glücklichen Erfinder Ruf und Gewinn, und entfchädigt ihn für viele mifs- lungene Verfuche. Ferner excellirten Frofsard. aus Paris mit feinen Specialitäten aus bor- dirten Cravaten, welche er in allen Abflufungen und GrÖfsen und in den feinflen Ausführungen brachte, und Leprevofl, welcher blofs weifse Binden und Cravaten erzeugt, diefes- Fach jedoch auf das Ausgedehntelle betreibt; man fand in feiner Sammlung die Hochzeits-Cravate in prachtvoller, die Minillerbinde in reicher Ausflattung, ebenfo alle Gattungen von Cömmunion-, Empfang-, Livreecravaten, in der dem Gebrauch-e entfprechenden Adjuftirung, und aus den feinllen Seiden-, Leinen- und Wollftoffe angefertigt. Aus Lyon Hellte Augier eine aus den dortigen berühmten Seidenftoffen zufammengeftellte Collection aus , welche uns reine, mit minutiöfer Genauigkeit ausgeführte Arbeiten vor Augen brachte. Das Haus Debruyker (maifon du fenix) aus Brüffel war befonders durch, feine in eigenthümlicher Weife mit künftlichen Blumen gefchmückten Damen cravaten und Schleifen in vortheilhafter Weife vertreten.