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Die Sculptur. 25 lanter Weife gehoben. Die effektvolle Gruppe war nur leider fo ungünftig (zwi- fchen zwei Fenftern) aufgeftellt, dafs fie vom Publicum nicht ihrem Werthe nach beachtet wurde. . ... Wir kämen zu weit ins Indultrielle. wollten wir noch dem Ausgeftellten der franzöüfchen Erzgiefser, wie Barbedienne, Durenne etc. eingehende Betrachtung widmen; es würde indefs zu keiner weiteren Charaktenfirung der franzöüfchen Plaftik Anlafs geben, da wir ja dort zumeift denfelben Namen begeg- neten, die wir in den Werken der Kunfthalle keimen gelernt haben. Die italienifche Sculptur. Zur objecftiven Beurtheilung der — viel bewunderten und auch vielge- fchmähten — modernen italienifchen Sculpturen ift es wohl nöthig, einen Blick auf die Vergangenheit zu werfen und der Verhältniffe zu gedenken, welche die Urfachen ihrer heutigen Vorzüge und Mängel in üch fchhefsen. In keinem anderen Lande können wir die Gefchichte der bildenden Kunft vom Anfänge diefes Jabrtaufendes in vorhandenen Denkmälern fo genau verfolgen wie 111 Italien und darin einerfeits den Einflufs religiöfer und politifcher Verhältniffe, andererfeits den Kampf um den Realismus neben den antiken Traditionen beob- achten. , , . . ^ r a Wer je aus dem kühlen Norden über die Alpen nach dem gelobten Lande der Künfte hinabzog und den Herrlichkeiten der Renaiffance feine Bewunderung zollte, wird üch der Wehmuth und des Bedauerns nicht erwehren können dais von dem glanzvollen Anlaufe, welchen die Sculotur damals zu ihren hochften Zielen nahm, auf die Gegenwart nur ein matter Widerfchein gekommen ift, dais die Kunft überhaupt in üch felbft zerfallen mufste, ehe üe diefe Ziele erreichte, und die Urfachen der Erweckung reinerer Tendenzen auch die Urlachen zu deren Untergang waren. . In der Poefie und in der bildenden Kunft entfaltete üch der gnechifche Mythenkreis; die Freiheit des Denkens nach allen Richtungen der geiftigen Bedürfniffe hielt Volk, Kunft und Religion in inniger Wechfelbeziehung und gab der Nation jene Einheit und üttliche Kraft, die wir ftets an den Hellenen bewundern. , r , i i i * i In vielen Beziehungen geradezu entgegengefetzte Verhältniffe brachte das Chriftenthum der Kunft. Keine Idealwelt wurde den Denkern geoffenbart; fefte unwandelbare Dogmen nahmen dem Schaffen den freien Flug der Selbftftandig- keit, und war von vornweg eine Weiterentwicklung des Stoffgebietes oder eine ideale Gliederung desfelben fchon durch das Wort „Glaube“ unmöglich. So plaftifch auch die Geftalten des neuen Teftamentes erfcheinen mocnten und fo fehr das Concrete des neuen Stoftkreifes die Naturanfchauung m der Kunft förderte : dem Volke ftanden diefe Erfcheinungen kalt gegenüber — üe waren ja nur gemalte oder gemeifselte Gefetze, die wohl gläubig verehrt wurden, m ihrem Wefen aber keineswegs mehr in jenes intime, klare Verhältnifs zum Leben treten konnten wie die Geftalten des Olymps im Alterthume. Der eigentlich reale hilto- rifche Boden war der Kunft noch fremd; üe mufste durch das religiofe Gebiet erft dahin geführt werden; die nothwendige reale Auffaffung der Geftalten konnte hiezu wohl als Vortheil angefehen werden, doch ftand diefer lange hartnäckig die traditionelle antike Formgebung im Wege; erft als die Künftler üch über le e erhoben hatten und ihre Ideale unmittelbar der Natur entlehnten, konnte üch das Stoffgebiet nach anderen Richtungen hin erweitern und war die Möglichkeit geboten, dafs die Kunft, wenn auch nimmer von religiöfer Seite her, wiedei mit dem Volke in direkten Contadl trete. Triumphe hatte die Malerei in dielem Wandel bis gegen 1630 gefeiert, da fie weniger an die Antike gebunden war als die Plaftik, in der üch diefe Tendenzen nur langfam vollzogen und die ihier