DIE S C U L P T U R. (Gruppe XXV.) Bericht von Josef' L a n g l. Einleitung. Es dürfte wohl überflüffig fein, hier weitläufiger voranzufchicken, welche Rolle die Sculptur in der Culturgefchichte von den Dämmerungen vorhiftorifcher Zeiten an bis zur Gegenwart gefpielt hat: aller Welt liehen die Denkmale aus verwichenen Jahrtaufenden, von der Hand der Wilfenfchaft geordnet, vor Augen, und aller Welt ift darin der allmälige Stufengang unferes Wiffens und Könnens in greifbaren Bildern dargelegt. Reflexe des politifchen, religiöfen und focialen Lebens treten uns in markigen Scenen felbft noch aus jenen Epochen entgegen, von denen kein gefchriebenes Blatt die Zeit bewahrt hat, über die jede Tradition fchweigt. Steine erzählen uns im Nilthale ein Culturleben, das vor 4000 Jahren dort in höchfter Blüthe Itand ; Steine fchildern uns aus unbekannten Zeiten die Gedankenwelt der Hindu, und wieder nur Steine begegnen uns in den Ebenen Mefopotamiens, an den Ufern des Euphrat und Tigris, dort in der Wiege des all- mälig nach Welten fich weiter entwickelnden Culturzuges, in deffen Strombette wandernd wir dann auf griechifchem Boden die bildende Kunlt, in ihrem höchlten Triumphe Itrahlend, als Spiegelbild einer neuen idealen Welt entfaltet finden. Wir lefen in Bilderwerken die Blüthe und den Untergang des Griechenvolkes ; fehen in ihnen die Macht Roms auf- und niedergehen und begleiten das Chriften- thurn von feinen primitiven bildlichen Darftellungen der erlten Jahrhunderte unterer Zeitrechnung an bis zur Glanzzeit feiner Aera im Cinquecento. In dem Zeitalter der Klärung und Läuterung der Weltanfchauung, in welchem der Begriff des modernen Staatslebens aus dem befchränkten mittelalterlichen Gemeinwefen. durch weltgefchichtliche Fügungen begünftigt, fich zum Leitftern der Freiheit des Geiftes formulirte, fallen dann der Kunft die Feffeln, die bis dahin eine ver knöcherte Scholaftik um fie gebunden, und die individuelle Phantafie gelangt zur Herrfchaft über die Traditionen. Von den Claffikern wird der Staub der Ver- geffenheit gefchüttelt und in ihrem Geifte in den Darftellungen der Natur näher getreten; es werden an der Hand der Wiffenfchaft ihre Räthfel zu löfen gefucht. und ihre Reichthümer an Schönheiten dem Auge wieder geoffenbart. Gegen die Readliondes XVIII. Jahrhunderts, die im Barockftile, dem verwilderten Dialekte der Renaiffance, ihren künftlerifchen Ausdruck fand, wurde von einem Winkelmann. Leffing, Goethe etc. mit denfelben Waffen zu Felde gezogen, mit welchen zur Zeit die Wiedererweckung der Kunft durch die Medicis durchgeführt worden: die hellenifchen Vorbilder wurden wieder zu Regulatoren der verirrten Tendenzen.