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32 Jofef Langl. Diefelbe Vollendung in technifcher Hinficht zeigte uns der Künftler auch an feiner „Afrikanerin“; fo realiftifch die Formen gehalten waren, fo fchön waren fie auch. Ein ganz fonderbares Effektftück hatte Grilla in feiner „lefenden Bünden“ gebracht: das arme unglückliche Wefen taftete mit den Fingern in einem Buche mit erhabenen Lettern, und dem Befchauer blieb es überlaffen, das Bild fich aus zumalen, wozu ihr ftarres Antlitz die Folie bot. Von den Römern hatte Maffini in feiner „Fabiola“ ein Meifterftück in der Drapirung geliefert; wie überhaupt in der ganzen Geftalt die Natur fozufagen abgefchrieben erfchien. B o 11 i n el 1 i’s „Eitelkeit“, R o f e 11 i’s „Naivetät“, „die Quelle der Liebe“ etc., fowie Rondoni’s „Bacchantin“ waren anmuthige Ge- ftalten, bei denen die Formen fich zumeift an die ideale Richtung hielten. An fi gl ioni’s Sculpturen gingen nur auf technifche Bravour aus; viel mehr war an ihnen nicht zu bewundern. Zur Erinnerung an Monti’s „Traum der Freude“ brachte er neben Anderem auch eine ganz verfchleierte fchweben.de Geftalt als „Flora“. Die „blinde Nidia“, Blumen pflückend, von Dinotti, mufs wohl als unplaftifches Motiv bezeichnet werden, war aber durch die reizvolle Behandlung des Details von anfprechender Wirkung. Es dürfte das Angeführte für die Charakteriftik der gegenwärtigen italie- nifchen Sculptur genügen; denn, was fich unter den nahe 300 ausgeftellten Wer ken Weiteres vorfand, war weniger bedeutend und fchlofs fich der einen oder anderen der localen Richtungen an, die übrigens, wie aus dem Gefchilderten erfichtlich fein mag, unter fich nur geringe Unterfchiede zeigen. Die Sculpturen der übrigen Staaten. Den befprochenen Grofsmächten der Kunft gegenüber bot die Plaftik der anderen Staaten keine auffallenden Sonderheiten in Bezug auf die allgemeinen Beftrebungen. Die Künftler erhalten ja ausfchliefslich ihre Ausbildung auf deut- fchem, franzöfifchem oder italienifchem Boden, und ift es begreiflich, dafs fie fich in ihren Produktionen je den betreffenden Schulen anfcliliefsen. Vielfach ift es denn auch die nationale Verwandtfchaft mit einer diefer drei Hauptvölkerfchaf- ten, dafs die Künftler fchon von Plaufe aus ähnlichen Tendenzen ergeben find. So finden wir beifpielsweife in der Schweiz die deutfche, franzöfifche und italienifche Richtung vertreten; Belgien hält fich an Frankreich, England an Italien. Rufsland an Deutfehland und Italien etc. Nur die Künftler Dänemarks correfpondiren feit Thorwaldfen direkt mit dem alten Griechenland; wie auch die modernen Bildner diefes einftigen Kunftlandes noch Reflexe des goldenen Zeit alters zur Erfcheinung zu bringen fuchen. Griechenland hatte Sculpturen aus dem Alterthume und der neueften Zeit auf der Ausftellung repräfentirt; die Ueberrefte von den Bauten der Akropolis und Anderes aus Attica wurden in Gypsabgüffen vorgeführt, an denen freilich das Gros des Weltausftellungs-Publicums mit gerin gem Intereffe vorübereilte ; höchftens zogen hie und da die Photographien des ehrwürdigen Burgfelfens einen Philhellenen an, die Gedanken in der Vergangen heit fchweifen zu laffen — doch wie wenige waren diefs! Als der begabtefte unter den Bildnern der Gegenwart, die in Attica ihre Werkstätte haben, ift Leonidas D r o ffi s hier anzuführen. Seine Werke, die in bedeutender Anzahl auf der Ausftellung erfchienen waren, lehnen fich unmittel bar an die alten Vorbilder an und find durchwegs vom edelften Geilte getragen. Glücklicher ift der Künftler jedoch in Einzelftatuen als in gröfseren Compofitio- nen, welchen (wie bei den Giebelfculpturen der Sina’fchen Akademie) der orga- nifche Zufammenhang fehlt und wo die Geftalten nur aneinandergereiht ausfehen.