Zur geistlichen Vokalmusik von Nikolaus Adam Strunck Pieter Dirksen 1. Heinrich Schütz und die Strunck-Familie I m Jahre 1647 veröffentlichte Heinrich Schütz in Dresden den zweiten Teil seiner Sympo- niae sacrae, verlegt von seinem damaligen Adlatus, Hoforganist Johann Klemm, und dem Bautzener Organisten Alexander Hering. Zwei weit markantere Namen werden aber auf der Titelseite als Kommissionäre genannt: Johann Rosenmüller, der zur Zeit in Leipzig tätig war (und ein Jahr später mit seinen Kemsprüchett eine ganz ähnlich angelegte Sammlung geistlicher Konzerte vorlegte), sowie Delphin Strunck, Organist zu Braunschweig. Strunck war dort 1601 als Sohn des Petriorganisten Joachim Strunck geboren worden. Über seine Jugend und Ausbildung sind keine Einzelheiten bekannt. Obwohl ein Studium Struncks bei Sweelinck nicht belegt und auch nicht sehr wahrscheinlich ist 1 , weist sein erhaltenes Orgelwerk ihn als einen -wichtigen Vertreter der norddeutschen Sweelinck-Tradition aus, und eine Schülerschaft zu einem von deren Mitgliedern kann ohne weiteres angenommen werden. Nach Tätigkeiten im benachbarten Wolfenbüttel und in Celle wurde Strunck 1637 Orga nist an der Hauptkirche St. Martin zu Braunschweig. Hier wurden ihm „nach und nach 5 Or geln anvertrauet, die er durch seinen jüngsten Sohn, Tochter, und 2 Scholaren verwalten [ließ]“ 2 . In diesem Umfeld müssen die sogenannten Zellerfelder Tabulaturen entstanden sein, eine der Hauptquellen der norddeutschen Orgelmusik. Sie bestehen aus dem umfangreichen Band Zellerfeld 1, der verschiedenen (Kopier-)Daten zufolge seit der Mitte der 1630er Jahre bis 1645 entstand, und der weit bescheidener angelegten, um 1669 geschriebenen Tabulatur Zellerfeld 2. Zellerfeld 1 entstand höchstwahrscheinlich im Kreise der Braunschweiger Fami lie Jordan, deren Mitglieder als Pastoren oder Organisten tätig waren und die in das Umfeld von Strunck gehörten 3 . Der mit Abstand am stärksten vertretene Komponist in dieser Quelle ist Heinrich Scheidemann, der vielfältige Beziehungen zur Braunschweiger Organistenszene pflegte. In ihm darf man wohl Struncks Lehrer vermuten. In der wichtigsten der beiden Zellerfelder Tabulaturen, Zellerfeld 1, findet sich am Ende (als Nr. 58) auch eine Intabulierung von Heinrich Schütz’ achtstimmiger Komposition des 136. Psalms, Danket dem Herrn (SWV 32) aus den Psalmen Davids von 1619. Dieser Eintrag, wohl von Hieronymus Jordan geschrieben, muss aufgrund von Datierungen einiger unmittel bar vorangehender Stücke zu Anfang des Jahres 1645 erfolgt sein. Es ist wohl kein Zufall, dass Schütz sich gerade zu dieser Zeit in Braunschweig aufhielt, wahrscheinlich sogar als Hausgast von Delphin Strunck. Am 23. Februar 1645 übernahm er außerdem die Patenschaft von Struncks drittem Kind 4 . Nach zweijähriger Tätigkeit am dänischen Hofe Christians IV. 1 Es lässt sich aber nicht ganz ausschließen, da die jüngsten bekannten deutschen Schüler Sweelincks nur zwei oder drei Jahre älter waren als Strunck: Der Hamburger Ulrich Cemitz wurde 1598, der Leipziger An- deras Düben 1597 oder 1598 und dessen Bruder Martin 1598 oder 1599 geboren. 2 WaltherL, S. 583. 3 Pieter Dirksen, Heinrich Scheidemann’s KeyboardMusic, Aldershot 2007, S. 15-42. 4 Moser, S. 153-157.