Louis Spohr und die Bach-Renaissance 79 Ganz außerhalb des Zweckes, den der . . . Verfasser sich vorgesetzt. . liegt... die Versicherung, es hätten schon mehrere „bedeutende Männer unwiderlegbar bewiesen, daß auch Seb. Bach sich mancher Unbilde in der großen Kunst schuldig gemacht.“ Zu fällig erinnern wir uns,. . . auf eine der laudirten Autoritäten, . . . den Abt Vogler, daß er bei Gelegenheit seines, auf die alten griechischen Tonarten gegründeten Choralsystems unternommen hat, Choräle Sebastian Bach’s zu verbessern. Abt Vogler, der . . . Alles in ein System zu bringen berufen war, hat sich bei dieser Gelegenheit dreifach ver sündigt, i) weil Bach gar nicht auf die Idee gekommen war, Choräle in den griechischen Tonarten zu verfassen, 2) weil Vogler mit einem . . . willkürlichen, jedenfalls für die aus übende Kunst. . . gleichgültigen System gegen Werke einer heilig begeisterten Kunst zu Felde zog, 3) weil er aus Werken der Schönheit. . . magere Stücke zu Tage gefördert hat. Da man . . . seit einiger Zeit gewohnt ist, den Kapellmeister Schneider den Händel, den Kapellmeister Marschner den Gluck und den Hofrat Raupach 45 den Shakespeare unserer Zeit nennen zu hören, so haben wir um so viel weniger etwas dagegen, wenn der Abt Vogler dem frommen Bach gegenüber ein Riese genannt wird. Hat es deren doch zu allen und auch zu den Zeiten des Sängerkönigs David gegeben.“ Der Kreis um Louis Spohr ließ sich nicht negativ beeinflussen. C. F. Lueder schrieb am 3. März 1838 aus Katlenburg: „. . . Mögen Sie den Paulus zu Stande bringen, oder die Bachische Passion wiederholen, so wüßte ich wahrlich nicht, selbst wenn ich die Wahl hätte, welche Aufführung ich vor ziehen mögte, ob diese mir schon bekannte, oder jene mir neue! — und zu Mahl, wenn die Soli der Passion nun besetzt würden, wie im v. J. die Soli Ihres Oratorii...!“ Am 4. Januar 1839 empfiehlt er Spohr, am Karfreitag dessen Vater Unser und Mozarts Requiem zu wiederholen und bekennt: „...Ein gleiches Gewichtstück könnte für mich keine andere Wahl für den Charfreytag für Überwindung einer meiner Dorthinkunft etwa entgegentretenden Schwierigkeit in die Waagschale werfen! — es sey denn etwa eine Wiederholung der Bach isehen Passion! — wonach ich allerdings eine Sehnsucht haben kann, die man Herzbluten nennen mögte! — in der Besorgnis, bey der größten Seltenheit ihrer gelingenden Aufführung, sie viel leicht in meinem Leben auch nicht noch ein Mahl wieder zu hören!...“ 46 Spohrs Antworten auf diese Vorschläge konnten bisher noch nicht auf gefunden werden. Im alten Repertorium des „Cäcilien-Vereins“ sind seit 1834 nur noch die Notenankäufe registriert, alle Nachrichten über Aufführungen fehlen. Nach zeitgenössischen Notizen soll damals ein neues Repertorium angelegt 45 Der erfolgreiche Komponist romantischer Oratorien Friedrich Schneider (1786 bis 1853). Heinrich Marschner (1795—1861) galt nach Webers Tod als der erfolgreichste deutsche Opernkomponist. Ernst Raupach (1784—1852) schrieb 117 Bühnenstücke. 46 Lueder pflegte — zumindest vor der Aufführung von Bach-Werken — auch schon die Proben zu besuchen. So reiste er am 13. April 1843 zu den Proben und der Aufführung der Matthäus-Passion (14. April) nach Kassel, anschließend am 22. April nach Braun schweig, wo in einem am 25. d. M. gegebenen Festkonzert der Singakademie ein Bach werk erklingen sollte.