Volltext Seite (XML)
Die englische Gesetzgebung über die Arbeiterverbin-ungen (Koalizionen) nach Wolowsky von Wieck. England hat keine gesetzlichen Bestimmungen über die Ar beiterverbindungen; die früheren Gesetze sind aufgehoben worden, ohne daß andere an ihre Stelle getreten wären. Weder Straft noch irgend ein Hinderniß, wenn sie sonst wollten, hält die Ar beiter in England ab, unter sich darüber einznkommcn, die Arbeit niederzulegen, oder solche Niederlcgung zu veranlassen. Diese thatsächlichen Zustände hat man nicht verfehlt, geltend zu machen, wenn jene zarte Frage bei eintretenden Fällen in Besprechung gezogen wurde, auch hat eine gewisse feststehende Meinung dem Prinzip der Freiheit Eingang in offiziellen Urkunden verschafft. Die Thatsachen find herkömmlich geworden. Wie sich Lies begreifen läßt, so hat jenes Prinzip als Aus gangspunkt eine Theorie, die darauf hinausgeht, jede gesetzge berische Thätigkeit von allen Beziehungen auszuschließen, in welche Angebot und Nachfrage der Arbeit zueinander treten (Asrlcst ok Isbour). Es dürfte daher nicht unnütz sein, einen raschen Blick auf die Bestrebungen der englischen Gesetzgebung, um die Verhältnisse zwischen Arbeitgeber und Arbeiter zu regeln und die Koalizionen zu verhindern, zu werfen. Wir werden uns überzeugen, daß wenn auch den Gesetzen nicht die Mitschuld bei den Freveln, welche von den Koali zionen verübt wurden, beigemessen werden kann, doch der beabsichtigte Erfolg nicht eintreten konnte, wegen der Schwierig keiten, welche sich der Anwendung der Gesetze entgegenstellten. Aber zu gleicher Zeit wird cs uns vollkommen klar werden, wie verderblich für die Arbeiter selbst jene Maßnahmen und Hand greiflichkeiten ausgeschlagen sind, welche sie sich erlaubten, um die na türlichen Beringungen des Lohnsatzes zu verrücken. Diese Be dingungen sind nicht minder unumstößlich als es die Gesetze vom Gleichgewicht der Flüssigkeiten sind. Sowie sich Nachfrage unv Angebot der Arbeit stellt, so stellt sich auch ver Loh»! Auf diesen Satz läßt sich sicher fortbauen. Die soziale Sicherheit und die Entfaltung der Kapitale sind es allein, welche die Nachfrage nach Arbeit vermehren können. Einsicht, geschickte Voraussicht vermögen allein die Stellung der Anbietenden von Arbeit zur günstigen zu machen; jeder andere Versuch, dies zu erwirken, wird eitel und ohnmächtig sein. Die Geschichte aller Koalizionen in England, sagt mit Recht Theodor Fir, führt uns Nichts wei ter vor, als eine Reihe schmerzlicher Enttäuschungen auf Seiten der Arbeiter. Die durch Koalizionen erzielten Ergebnisse find in allen Fällen so ziemlich die nämlichen. Entweder, daß die Arbeiter endlich doch geuöthigt wurden, wieder in Arbeit zu gehen nach mehr oder minder langer Feierzeik und zwar unter Bedin gungen wie sie von den Arbeitgebern »»geboten wurden, oder daß die Betheiligten gezwungen wurden, gewisse Industriezweige ganz aufzugeben, oder endlich, daß die Arbeiter dem Gesetze ver fielen, weil sie die Ordnung störten, Personen angriffen und Eigenthum vernichteten. Fast immer find es die Arbeitnehmer gewesen, welche zuerst auf ihre eigenen Tarife (Lohntabellen) und ihre Satzungen verzichteten. Fir hätte noch hinzufügen können, daß, wo wirklich die Ver einigung der Arbeiter einen Erfolg gehabt hat, diese nur dazu ge führt habe, einigen Arbeitern einen Vorzug einzuräumen, wodurch > eine wirkliche geschlossene Zunft fick bildete, in welche neu Hi-n- zukommende nicht zugelassen wurden, und eine ungeheure Lohn- i Ungleichheit zwischen den so begünstigten Arbeitern und der übri- ! gen Arbeiterzahl hervorgerufcn wurde. In der ältern englischen Gesetzgebung ordneten unzählige Satzungen in jedem Gewerbszweige die Verhältnisse zwischen Meister und Arbeiter. Dieses Zunft- oder Jnnungssistem, von dem man so oft ein ebenso verlockendes als fantastisches Bild sich macht, sicherte hauptsächlich die Vortheile der Meister; Ge sellen und Lehrlinge waren gleich den Heloten in diesen kleinen gewerblichen Republiken. Hier bestand die Koalizion auf der Seite der Arbeitgeber, im wahrsten Worte verstanden, und man war weit davon entfernt, sie als eine strafbare Handlung zu be trachten. Es war der normale Zustand in den alten Zünften, während auf der andern Seite alle Gesellenverbindungen auf das Strengste verboten waren. Dieselben Grundsätze finden sich in allen Ländern, welche das Jnnungswesen besaßen oder noch besitzen, und überall sind davon Beispiele vorhanden. So liegt aus dem Jahre 1541, datirt vom 28. Dezember, eine merkwürdige französische Verord nung vor, die Pflichten der Buchdrucker in Lyon betreffend, bei deren Lesung man zur Uebcrzeugung gelangt, daß die Fragen, welche uns heutzutage beschäftige», keineswegs neu sind, und Niemand zu bedauern hat, daß er nicht sein Urahne gewesen. Wir wähle» nachfolgendes Beispiel als daS schlagendste; denn in allen Zeiten haben die Buchdrucker eine hervorragende Stellung unter den Arbeitern eingenommen. Die Verordnung lautet: 1. Erstlich sollen besagte Gesellen und Lehrlinge des hie sigen Buchvruckeramts festst) sich nicht unter einander verschwö ren und einander verrufen, und keine Kapitäns, Lieutenants, Van- denführer, auch weder Banner noch Fahnen haben, noch sich außer Haus und Hcrv ihrer Meister versammeln in einer grö ßer» Zahl als fünf Personen ohne Vorwiffen und Erlaubniß der Behörden, unter Strafe eingesperrt, verbazpnt und als Auf wiegler betrachtet und andern Brüchen unterworfen zu werden. 2. Dürfen genannte Gesellen keine/Degen, Dolche noch Stöcke, welche den Händen ihrer Meister und der Stadt Lyon nicht zugänglich wären, tragen unv dstnen keinen Aufstand machen, wenn sie nicht in obige Strafe verfallen wolle». 3. Die genannten Meister können soviel Lehrlinge anneh- mcn, als ihnen gerathen scheint, und die genannten Gesellen dürfen jene Lehrlinge weder/chlagen, noch übel behandeln, auch sie nach dem Willen und der Genehmenhaltung der Meister sich beschäftigen lassen, ebepko die Gesellen selbst, wie es das Wohl der in Rede stehenden Handwerke erheischt, unter Strafe wie oben. 4. Die genannten Gesellen und Lehrlinge dürfen keine Schmäuse und Trinkgelage ausrichten unter Vorwand von Auf dingen oder Lpssprechcn von Lehrlingen, oder aus einem sonsti gen Handwecksgebrauch hergeleitet, unter Strafe wie oben. 5. Sie dürfen keine Brüderschaften bilden oder Messen feiern auf Kosten ihrer und der Lehrlinge und dürfen weder öffent/iche noch geheime Herbergen Hallen, noch eine gemeinschaft lich/ Kaffe führen, wie sie wol früher gehabt haben, uni ihre Brüderschaft aufrecht zu erhalten und Messen und Gelage zu feiern, oder sich zu verschworen, unter Strafe wie oben. 6. Die genannten Gesellen müssen die angefangene Arbeit fortfttzen und nicht Feierabend ansagen, wenn sie noch nicht voll endet ist, und sollen sie keine Tric's machen, (welches Wort der Ausdruck kür Niederlegung der Arbeit ist), und wenn sie nicht Tag für Tag fortarbeiten, und den Meistern Arbeit und Tagsver- h Da sich neuerdings gewisse Gruppen von Arbeitern in England wieder zu rühren aufangen, um zu versuchen, was sie durch Koa lizion erzielen könne, so hat nachstehender Aufsatz ein erhöhtes Interesse, das überhaupt von Niemand verkannt werden wird, der den Einfluß von Arbeiterzuständen auf unser politisches nnd bürgerliches Leben zu würdigen weiß. 17