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Beiträge zur Würdigung -er Zustände der Weberei in Chemnitz. i'Wrgl. Dezbr.-Heft >861 u. S. 63 des tten Hefts 1862.) sChemnitz ist eine derjenigen Fabrikstädte Deutschlands, in welcher sich von jeher eine ungemeine Rührigkeit und scharfe sichere Beurlhellung der bestehenden und kommenden Gewerbs- verhältnifse kundgegeben hat, obgleich oftmals die Lage der Dinge nicht so günstig gewesen ist, daß das Klarerkanme auch kräftig unv entschieden in's Werk gerichtet werden könnte. Die Weberei ist bekanntlich der Hanplgewerbzweig der eigent lichen Stadt. In derselben scheint sich gegenwärtig eine Krisis bemerkbar zu machen, deren Schilderung wir zunächst durch Wie dergabe einiger Veröffentlichungen im Chemnitzer Tageblatt (1851) und Abdruck zweier Urkunden aus dem Jahre 1848 versuchen wollen. Sämmtliche lassen ein scharfes Schlaglicht auf das Kaufsy- stcm fallen, nach welchem jetzt noch die Weberei in Chemnitz ge schäftlich betrieben wird. Die erste Urkunde sind die sogenannten ,,Satzungen", welche dazu bestimmt waren die Verhältnisse zwischen den Fabrikkauf leuten und Webermeistern in Chemnitz zu regeln. Inzwischen da vorgesehen war, daß die Fabrikkausteure thatsächlick Freiheit be hielten, sich der Übereinkunft anzuschließen oder nicht, so ist es erklärlich, daß nach und nach alle von ihr zurücktralen, um so mehr, da ein großer Theil der Webermeister jene Satzungen als unausführbar und für nachlheilbringcnd für Chemnitz betrachtete, wie solches die Depulazio» des allgemeinen Webervereins (113 Mitglieder) in einer Eingabe vom 13. August 1848 an die Kommission für Erörterung der Gewerbs- und Arbeiterverhält- niffe zu Dresden ausführlich darthat. (Zweite Urkunde). Sehr schade ist es aber, daß die ganz entsprechende Einrichtung des Schiedsgerichts auch zugleich gefallen ist, und damit wieder die al ten Wirrnisse bei vorkommenden Differenzen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, bei Entfremdungen von Mustern, bei Vorschüssen, Anverlrauung von Fabrikmaterial, Arbeitsverträgen rc. wieder ein traten. da in Sachsen bis diesen Augenblick keine den neuzeitlichen Zuständen entsprechende Gesetze bestehen, nach denen sich die gewöhn lichen Zivilgerichte richten und eine billige, prompte und gerechte Ju- stizpstegen könnten. Die Fachjuristen sträuben sich gegen Handels und Fabrikgerichte, die Kammern haben andere Angelegenheiten zu besprechen als die Interessen des Handels und der Gewerbe und so sind mit den „Satzungen" alle Wünsche wegen Maßregeln zur Abstellung wirklicher Uebelstände ohne Weiteres zur Ruhe gebracht. Und damit wollen wir hier heute unsere Auslassung schließen und Andere sprechen lassen. Auch an uns wird wieder die Reihe kommen.) Satzungen, einige Bestimmungen zwischen Fabrikanten bunter Weberwaa- ren, mit dergleichen Maaren handelnden Kanfleuten und Webermeistern zu Chemnitz, betreffend. Zwischen den Fabrikanten bunter Weberwaaren und den mir dergleichen Waaren handelnden Kaufleuten zu Chemnitz, als Arbeitgebern auf der einen, und den Webermeistern zu Chemnitz, als Arbeitnehmern auf der andern Seile, welche durch folgende aus ihrer Mitte gewählte Deputirte, als die Herren: W. Matches, I. Waldau, Kaulfers, Röhrich, Gerhardt, C. Hösel, Gottlob Klemm, Heuberger, C. L. Tcnner, Brandt, Thümer, Richter, Streusler, Drescher, Martin, Grohmann, A. Klemm, Mensel, bei den diesfallsigen Verhandlungen vertreten worden, sind, bis zur Einführung allgemeiner gesetzlicher Vorschriften darüber, fol gende interimistische Bestimmungen über vie Verhältnisse zwischen den Genannten vereinbart und getroffen worden. I. Allgemeine Bestimmungen. §. 1. Die Arbeitgeber erkennen die vorgenannten Deputir- len ver Webermeister als das Organ der hiesigen arbeitenden Webermeister an. Aber auch abgesehen von der Frage, ob die genannten Deputaten als ein, nacv Len gegenwärtig bestehenden gesetzlichen Bestimmungen gewähltes Organ der Webermeister zu betrachten seien, sollen die Satzungen als eine unter Len Ar beitgebern getroffene verpflichtende Uebereinkunst angesehen werden und gelten. §. 2. Jever Fabiikanl oder Kaufmann, welcher ein der artiges neues Geschäft begründet, soll gehalten sein, dieser Ver einbarung beizurrelen und viese Satzungen zu unterschreiben. §. 3. Jedes Zuwiderhandeln Seilen der Arbeitgeber wird nach dem Ausspruche des Schiedsgerichts (§. 21.) mit einer Konvenzivnalstrafe von 1 bis 3 THIr. belegt. Diese Strafgelder werden beim Rathe allhier aufbewahrt und zu einer künftig zu gründenden Unterstützungskasse für hülfs- bedürftige Webermeister abgegeben. §. 4. Abänderungen dieser Satzungen durch gegenseitige Vereinbarungen sind nicht ausgeschlossen. II. Besondere Bestimmungen. §. 5. Akkord geben. Die Arbeitgeber verpflichten sich, das summarische Jnakkord- geben an auswärtige Faktore und Unternehmer gänzlich zu un terlassen. Vielmehr dürfen nur hiesige Faktore genommen wer den, und zwar nur solche, welche das Faktorgeschäst selbst betreiben und keine Unterfaklore haben. §.6. Ablieferungszeit. Es soll tägliche Ablicferungs- zeit stattfinden, jedoch soll den Arbeitgebern sreistehen, die Ab- lieferungszeit auf den Vormittag oder Nachmittag eines jeden Tages, und zwar aus mindestens drei Stunden, festzustellen. Diese Zeit ist mittels Anschlags in der betreffenden Lokalität be kannt zu machen. §. 7. Abfertigung. Jeder Arbeitgebende ist verpflich tet, den Arbeiter, welcher Waaren abliefert, sofort vollständig abzufertigen. §.8. Frauenspersonen. Frauenspersonen dürfen zum Erpediren in den Komptoirs nicht verwendet werden. §.9. Behandlung. Nicht-nur der Prinzipal deS Ge schäfts ist verbunden, die Arbeiter human und anständig zu behandeln, sondern hat auch dafür zu sorgen, daß solches durch seine Offi zianten geschehe. In letzter Hinsicht hat jeder Prinzipal in sei nem Arbeitslokale mittels Anschlags bekannt zu machen, daß Jedermann, welcher vurch einen Offizianten unanständig behan delt zu sein glaubt, solches vem Prinzipal anzuzeigen habe. §.19. Preis des GarneS. Bei allen Veranschlagun gen sowol von Garn als Waaren in Gelde, einschließlich der Fälle, wo Garn als Ausgleichungsmittel dient, darf kein fingirtcr Preis, sondern nur der Tagespreis zu Grunde gelegt werden. Gibt der Arbeitgeber Garn, welches der Arbeitnehmer nicht für gut erkennt, so entscheidet bei nicht erfolgender Vereinigung das Schiedsgericht. Z. 11. Aufkündigung der Arbeit. Zwischen Arbeit gebern und Arbeitnehmern soll eine gegenseitige Aufkündigungs-