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^6. Mai — (1X53) — 30. Juni. Deutsche Gewcrbezeiruug. 18t Ein FirrdelhauS für verstoßene Ideen; „Zu was sind venu die unzähligen Gegenstände des Lurus nütze, deren Masse tagtäglich zunimmt? Unsere Väter besaßen solche Sachen nur die Halste, unsere Großväter gar nur ei» Vier tel, und sie lebten auch ohne sie." So sagte nämlich ein Quäker, als er ehrenfest und steif de» jetzt versetzten Glaspalast in Lon don durchwanderte. „Wozu find denn diese künstlichen Blumen, diese Hutfedern, diese Strome von Diamanten und diese Berge von Gold gut? Wie glücklich find wir. daß wir alle diese überflüssi gen Herrlichkeiten gleichgültig vor uns vorübergehen sehen können," seufzte dessen Frau. „Sehr möglich," warf sein Nachbar ein, „aber für die Arbeiter und die Reichen ist der Ueberfluß eine sehr nolhwendige Sache, weil er zum Leben des Einen und zum Vergnügen des Andern gehört. Laßt uns nur einmal versuche», in Gedanken den Geschmack für LuruS und sogenannte Ueber- flüsstgkeiten zu unterdrücken und nächstes Jahr sind 250 Millio nen Europäer um 100 vermindert, welche vor Hunger gestorben find. Man möchte den» doch daraus schließen, daß der Lurus in der Absicht des Schöpfers gelegen habe, als er zu de» ersten Menschen sprach: „Seid fruchtbar und mehret Euch und füllet die Erde." Man verdamme daher weder Industrie und Kunst, noch Lurus, als teuflische Erfindungen, sondern ermuntere sie wie heilige Satzungen nach dem Willen des Schöpfers, der nicht zum Menschen gesagt hat, vergnügt euch die ganze Woche und ruht am Sonntag, wie heutzutage eine Schaar von falschen Profi ten predigt im großen Babylon Paris. Wahr ist allerdings, daß der Mensch mit sehr Wenigem leben kann, wie uns die Lappländer, Buschmänner und Plattköpse beweisen. — Wenn man aber die sogenannte» überflüssigen Be dürfnisse abschneiden will, so kann man ebensogut seine letzte ir dene Schale zerbrechen, wie Diogenes, und in einer Tonne schla fen. Freilich ist dies kein englischer Komfort und kein Pariser Lurus, den man selbst in späteren Jahrhunderten als armselig belächeln wird; denn man wird nicht begreifen, wie es zu unseren Zeiten die Städtebewohner haben aushalten können, 5—6 Stock werk hohe schmuzige Treppen hinaufzukletter», um in ihre noch schmuzigeren Quartiere zu gelange» — wahrscheinlich zu Gun sten der Chirurgen und Gliedereinrenker damaliger Zeit — weil jedes große Wohnhaus später mit Aufzugsmaschinen versehen sein wird, auf die zu jeder Zeit Jeder treten kan», und die ohne Auf hören hinauf und herunter steigen. Diese Aufzüge werden Jeden in irgend eine Etage absetzen, wo er abtrelen will. Man wirb uns dermaleinst als rohe Völker betrachte», weil wir die Wandelsteige an unseren Häusern dem Regen und in einigen Orten sogar »och den Dachtraufen auögesctzt sein lie ßen, anstatt sie mit Glasdächern zu versehe», die sich an die Mauer» lehnen. Man wird uns beklagen, so lange Zeit das abscheuliche Gerassel der Wagen auf dem Straßenpflaster ertra gen zu haben, anstatt daß wir die Wagenräder mit einem Reif von Schwefelkautschuk versehen oder einen Ring aus solchem Material innerhalb der Nabe gelegt hätten, um die Stöße auf das Pflaster und den Lärm der Räder zu verhindern, wie an dererseits wir es versäumt haben, die klirrenden Fenster der Ei senbahn- und Postwagen mit Streiten von Kautschuk klanglos zu machen. Lächeln wird man über unsere zwecklosen Versuche, das Pflaster zu verbessern, nachdem man endlich dahin gekommen sein wird, die allerbeste Fahrbahn aus genarbten gußeisernen Platten zu verfertigen, die zu gleicher Zeit de» Hufen der Pferde den besten Angriff und den Wagenrädern die angemessenste Rollfläche darbieten. Verunglimpfen wird man uns vielleicht, daß man uns vor Hunger hat sterben lassen bei vollen Heuböden und Strohscheuern, weil eS uns an Stampsmühlen fehlte, um Heu und Stroh, und warum sagen wir nicht gleich auch Holz, auf Schleifmühlen zu zermalmen und sie in Spinat mit Fleischbrühe zu verwandeln, j welches Gericht fast ebenso nahrhaft für Menschen wie für Vieh ist. Schars wird man uns tadeln, daß wir die eine Hälfte des Menschengeschlechts angcstelll haben, um die andere Hälfte zu verfolgen, zu verhaften, zu verunheilen, einzukerkern, weil Was sollen wir denn das noch vielfach auseinandersetzen! Aber spötteln wird man über die Einfalt unserer Gewerbsleute, die ihre Kinder nöthigen, heidnische Sprachen zu lernen, Sprachen die sich seit 2—3000 Jahren in einem fossilen Zustande befinden, was gerade so ist, als wollten wir unsere Hunde zwingen, zu kläf fen, wie die Schovßhündcben der Kleopatra. Man wird uns brandmarken, daß wir verfolgt und zu Geldstrafen tue Wvhlthä- ler des Menschengeschlechts verdammt haben: die einzige», die man nicht bemäkeln kann, die Schöpfer aller Bildung, zumal die Erfinder, und zwar zum Vvrtheil einiger Diebe, die es vor ziehen, die Erfindungen umsonst sich anzueigne», anstatt sie zu be zahlen. Denn vereinst wird man de» Erfindern auch das ge meine Recht angedethen lassen, nämlich das Recht des Besitzes ih rer Schöpfungen, das Recht zu arbeiten, zu leben von den Er trägen ihres Talentes, ihrer Anstrengungen und ihrer Redlichkeit. Ja, dereinst wird man keine Furcht mehr vor ungegohrnen und verrückten Ideen haben, die aus der Trägheit entspringen, zu welcher alle Proletarier verdammt werden, weil sie außer Stand sind, das Recht ihres Eintritts in die Werkställe geisti ger Arbeit zu bezahlen. Dann ist nicht mehr zu fürchten, daß das Wort wahr werde, was ein beredter Proletarier einst dem König Louis Philipp sagte: „Wir halten dafür, daß die Proletarier der Intelligenz, ausgeschlossen vom gemeinen Recht, um so gefährlicher sind, je zahlreicher sie find. Aber sie werden aufhören gefährlich zu sein, wenn sie ein Eigenthum haben, nämlich das Eigenthum an ih ren Werken." Dann wird die Zeit da sein, wo die Quäker Gelegenheit haben, Angesichts einer Fülle von Reichthümern zu schmälen, durch die sie genöthigt find zu wandeln, ohne nur ein Augenlid zu zucken, denn Gold und Silber und Edelgestcin wer den ihnen auf jedem Wege begegnen. Alle die schwarzen, rostigen Gitter, welche z. B. die Häuser in London umgeben, alle Sta tuen und Hausfronten werden galvanisch vergoldet oder mit einer glänzenden Emaille überzogen sein, worauf weder Schmuz noch Staub liegen bleibt. Strahlende Perlenketten elektrischen Lichts werden sich, von einem Funken entzündet, durch alle Straßen und Gäßchen schlän geln, ohne daß sie auslöschten oder gar nicht brannten, wie so manche Gaslaterne in unseren Städten, die wir nicht nennen wollen, und der Preis dafür wird L Sgr. kür jedes Meter der Fassade sein. Die plumpe Heizung mit Steinkohlen wird von der elegan ten Heizung mit Waffergas verdrängt sein, was weder riecht, noch schmuzt. Triebkraft zum Bewegen von Maschine» wird man in den Städten zur Vcrtheilung bringen, wie heutzutage Wasser und Gas. Die Werkstätten werden sich auf Luftröhren abonni- ren und komprimirte Luft »ach der Uhr benutzen, sowie man es jetzt beim Gas macht. Die Omnibusse werden ohne Räder, wie Schlitten in zwei gußeisernen Gleisen fahren, während die Pri vatwagen ohne Geruch sich mit Kautschukreife» « /» T/ fortbewegen. Von Schmuz und Staub ist keine Spur mehr, denn durch die durchbrochenen gußeisernen Platten, aus denen das Pflaster gebildet ist, fließt und fällt Alles hindurch in Schleu ßt» und von da in Kähne, die eS unmittelbar als Dünger auf'S Feld schaffen. Die Leute, die, wie es scheint, ihre Augen hinten haben, weil sie blos rückwärts zu schauen vermögen, werden, wenn sie die Gefilde der Vergangenheit übet blicken, gewahr werden, daß unsere Wohnplätze vollkommen rein gehalten und wir selbst vvr- 25