sionisinus hohen Grades. Am sichersten und überzeugendsten dann, wenn er sein raffinier tes Schwarz-Weiß als einziges Darstellungs mittel walten läßt. Das gleiche unbestechliche Feststellungsver mögen wendet er auf das menschliche Modell an. Es gibt Akte, gezeichnete Bildnisköpfe von ihm, deren Wahrhaftigkeit etwas Erschrecken des hat — man möchte ihm nicht in die Hand geraten, ihm, der von der wesenhaften Form so restlos jede Hülle, jede Ver stellung, jede Be schönigung ab zustreifen weiß. Aber die Gelas senheit,mitder er das tut, hebt das Erschrecken wie der auf. Es fehlt seiner Demaskie rung alle Bitter keit und aller Hohn. Erverbin- det damit nicht irgendeine Ab sicht, die außer der Werkarbeit 'liegt; er gibt, wir merken es, sich über einen Sach verhalt Rechen schaft. Er ver fährt in diesen Studienzeich nungen großen Formats, die ein starkes plasti sches Können verraten, wie die Meister des 15. Jahrhun derts, die in werktäti ger Andacht den Mitmenschen, mit dem sie glaubenseins waren, abzeichneten. Auch die Modelle, die Hegen barth für Studien dieser Art bevorzugt, sind primitive Menschen, die ihre seelischen Kräfte noch beisammen haben: Landarbeiter, Bauern mädchen, alte Frauen aus dem Volke, von harter Arbeit ums tägliche Brot geformt. Doch nur verhältnismäßig selten schlägt He genbarth diesen Weg ein, auf dem er ein Nach fahre Leibis werden könnte. Der Zeitgenosse in ihm ist stärker. Das Leben, das zu beobach ten ihn lockt, entbehrt der gesicherten Grund lagen, mischt Existenzen, die in sich vielfach gebrochen sind, und steht unter Beleuchtungs effekten, die — bald grell, bald flimmernd — etwas Aufreizendes und Enervierendes zu gleich haben. Er erkennt und liebt das Balzac hafte unserer Epoche, an der betrachtend teilzunehmen ihm vergönnt ist, und die Tag für Tag die Flut merkwürdiger Erscheinungen an ihm vorbei- spült.Entbürger- licht, entwurzelt die meisten und mit den Spuren des Gleitenden, des V erwehtseins in Gesicht und Habitus.Ersucht die Stätten, an denen sie sich sammeln: den Zirkus, mit sei nen Akrobaten und Clownerien; Zuschauerräume der Kinos; Kaf feehäuser, wo im Umkreis der Theke eine Art Heimatgefühl sich ausbreitet; Trambahnhalte- stelleninRuinen- straßen, regen feucht und win dig, mit einem Haufen Warten der. Man weiß nicht, wo, in wel cher Stadt das jeweils ist; eine internationale Großstadt atmo- sphäre liegt über allem und verstärkt das Ge fühl der Zeitnähe: Unser Schicksal, unser eigenstes Schicksal. Der Schauplatz selbst wird, ohne daß die geringste Unterstreichung mithülfe, nicht selten zum Symbol. Gleicht unser Leben nicht einer Überfahrt in elendem Kahn, wo wir mit Unbekanntem, kaum Er kennbarem Seite an Seite, für ein paar Minuten uns der Laune der Elemente ausgeliefert fühlen? 51 Josef Hegenbarth Studien 122