Im »Reinke de Vos« von 1498 ist die Trennung schon durchgeführt, da wird scharf unterschieden zwischen »nein« und »nicht«. »Do de hof alsus angink, en was dar nen, än allene den grevink.« Und das »nicht«: »Ok quamen to hove vele stolter gesellen, de men nicht alle konde teilen.« In Laurembergs Scherzgedichten ist »kein« schon eingedrungen, das Hochdeutsche macht sich schon bemerkbar. Man schrieb ja auch bereits 1652. Dann drang das Hochdeutsche zuerst in die Schriftsprache, zum Teil durch Luthers Bibelübersetzung, durch die hochdeutsche Predigt, vor allem aber durch die deutsche Literatur. Schließlich verdrängte die neue Zeit mit ihrer Freizügigkeit das Niederdeutsch auch in der Umgangssprache. Damit ist das »kein« siegreich geblieben, und das »nein« ist nur noch in dem Gebiet gebräuchlich, in dem die Bewohner besonders zäh am Althergebrachten hängen: in Südhannover. Aber auch in England ist es geblieben. Die Angelsachsen brachten es mit nach England, und hier, wo sich ihm nicht das hochdeutsche »kein« ent gegenstellte, ist es heute noch lebendig. Schließlich sei noch ein Mißverständnis klargestellt. Herr Flemes schrieb mir auf meine Anfrage: »Die Frage, ob auch der Heidjer das Wort ebenso spricht, mag ihren Anlaß in den Schlußworten des Gedichtes ,Nasommermorgen‘ haben: ,up dei stille Heide 1 . Dies bezieht sich jedoch auf die Heidelandschaft, die Heimat des Heidjers, nicht. Das Gedicht gibt die Stimmung wieder auf einem Waldstück, ,Auf der Heide* genannt, in nächster Nähe der Stadt Hameln.« Zu dem Aufsatz des Kollegen Georg Schräder: »Die hannoversche Sprache« wird uns von Herrn TV. Wenzel in Bethel bei Bielefeld noch geschrieben: In den »Fachmitteilungen für die deutschen Korrektoren«, Juli 1924, Nr. 7, heißt es auf Seite 27: »Ein Wort, das bis jetzt jeder Erklärung spottete, ist ,igitte‘.« Ich würde es als eine Verzerrung des Wortes »Gott« auffassen, das ja ungeheuer oft und in verschiedenen Abwandlungen bei Ausrufen oder zur Bekräftigung gebraucht wird, z. B.: Gott; ach Gott; Gott ach Gott. »Gitte, gitte!« habe ich schon einmal gehört bei einem Ausruf des Erstaunens und erklärte es mir mit dem Wort »Gott«. »Gitte. gitte!« würde »Gott ach Gott!« entsprechen. »Igitte« ist vielleicht eine Entstellung von »ach Gott«. Als weiteres Beispiel füge ich noch hinzu den Ausruf: »I Gottbewahre!« In diesem Ausruf bedeutet »i« vielleicht soviel wie »ach«, falls es nicht einfach der Verstärkung dient. Auf die eine dieser beiden Arten ist wohl auch das »i« in »igitte« zu erklären, so daß es entweder »ach Gott« oder ein verstärktes »Gott« bedeutet. 4 Kollege Georg Schräder in Hannover ist andrer Ansicht; er schreibt uns: Die Erklärung, die Herr Wenzel für das Wort »igitte« gibt, stimmt wohl nicht; denn der Ausruf »igitte« hat immer die Bedeutung des Ekels oder des Abscheus, und es ist nicht wahrscheinlich, daß dem Worte Gott eine derartige Empfindung untergelegt wird. Hier wird das Wort »igitte« sehr viel gebraucht, es hat abei*nie- mals die Bedeutung des Erstaunens. Wenn es in andern Städten in diesem Sinne gebraucht wird, so hat sich die Bedeutung eben gewandelt, es ist nicht mehr die ursprüngliche Bedeutung. Nach meiner Ansicht deutet das Wort nur tonmalerisch die Empfindung an. Ob es von einem andern Wort abstammt, ist wohl nicht mehr zu entscheiden. Wir bemerken dazu, daß wir auch in Berlin den Ausruf »Gitte, gitte!« oder »Gittegittegitte!« im Volksmunde öfters gehört haben. Die Erklärung Wenzels hat viel Wahrscheinlichkeit für sich und dürfte doch wohl das Richtige treffen. Die Schriftleitung.