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Wochenblatt für Zschopau und Umgegend : 20.12.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-12-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtarchiv Zschopau
- Digitalisat
- Stadtarchiv Zschopau
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512512809-188412205
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512512809-18841220
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512512809-18841220
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- ZeitungWochenblatt für Zschopau und Umgegend
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840 — Viele Teilnahme erweckt in Hainichen das über eine dortige Familie gekommene Unglück. Der Fleischcrmcister Merkel hat sich am Dienstag aus Schmerz und Verzweiflung über den Tod seiner Frau, welche dem Typhus erlegen und am Montag beerdigt worden ist, erhängt. Das in geordneten finanziellen Verhältnissen befindlich ge wesene Ehepaar hinterläßt 3 unmündige Kinder. — In einem Hause zu Aue, in welchem sich mehrere Geschäfte — Goldarbeiter, Buchhändler, Materialist rc. — befinden, bemerkte ein Dienst mädchen kürzlich abends beim Schließen des Kel lers ein auffallendes Geräusch. Sie verschloß die Thüre und teilte ihre Beobachtungen einem ihr in dem Hausflur entgegenkommenden Kommis mit. Als dieser, mit einem Revolver bewaffnet und von mehreren Lehrlingen begleitet, eine Zeit ver geblich im Keller umhergeleuchtct hatte, sprang plötzlich ein hinter Fässern versteckt gewesener Mann auf ihn zu und entriß ihn« den Revolver. Die Lehrlinge ergriffen die Flucht, das Licht verlöschte, und einige Zeit herrschte lautlose, peinliche Stille. Schließlich gerieten die beiden hart an einander, wobei der Kommis dem Fremden den Revolver wieder entriß. Dieser fand nun die Thür wieder und entfloh inS Freie. Die ihm nachgcsandtcn Schüsse des Kommis scheinen den Fliehenden nicht getroffen zu haben; bis jetzt konnte man seiner noch nicht habhast werden. Wahrscheinlich hatte der Unbekannte die Absicht, während der Nacht dem Goldarbeitcr einen Besuch abzustatten. — Der Brandstifter der kürzlich in der Bahn hofstraße zu Markneukirchen abgebrannten 12 Scheunen ist in der Person eines gewissen Scheeler aus Zwota ermittelt. Der erst 17 Jahre alte Brandstifter Adler aus Landwüst, welcher die Lederersche Scheune an der Wernitzgrüncr Straße daselbst angezündct hat, ist verhaftet worden. Der selbe ist der That geständig. Der Anarchisten-Prozetz wider Reins dorf und Genossen. Leipzig, 17. Dezember. In der heutigen Verhandlung vor dem Reichsgericht wider Reins dorf und Genossen wnrdc zunächst die gestern begonnene Vernehmung Küchlers fortgesetzt. Auch heute suchte derselbe nachzuwcisen, daß er lediglich unter dem Drucke seiner „Genossen" gestanden und deshalb die Reise nach Nüdesheim unternommen habe. Er habe die Absicht gehabt, das Attentat auf den Kaiser zu verhindern, und deshalb habe er die Zündschnur am Niedcrwaldwege ins Feuchte gelegt. Dadurch, nicht durch das Zuthun des Rupsch, sei das Verbrechen unausgeführt geblieben. Auch habe es nicht in seiner Absicht gelegen, den Kaiscrpavillon in Nüdesheim in die Luft zu sprengen, es hätte nur so aussehen sollen Hie ein Attentat — seinen Genossen gegenüber. Hierauf folgte die Vernehmung Holzhauers, bei welchem die Angeklagten (außer dem damals im Krankenhause liegenden ReinSdorf) sich zu- sammengefunden hatten, um über die Beschaffung der Geldmittel zu beraten. Holzhauer will nicht gewußt haben, wozu das Geld dienen solle, er sei der Meinung gewesen, Rupsch brauche es zu seiner Abreise von Elberfeld. Er will auch nichts von dem Attentat gewußt haben, ebensowenig will er an Rupsch Dynamit auSgchändigt haben, er habe überhaupt Dynamit nicht besessen. Eben so sagten Rhein bach und Söhngcn aus. Die selbe» verwickeln sich jedoch mehr oder minder in Widersprüche, cs werde» ihnen ihre vor dem Untersuchungsrichter gemachten Angaben vorge halten, die zum Teil ganz anders lauten, sodaß cs nicht zweifelhaft sein kann, daß diese Ange klagten sämtlich gewußt haben, zu welchem Zwecke sie das Geld zusammeubringen. Nur der Ange klagte Töllner behauptet, er sei bei jener Zu sammenkunft total betrunken gewesen, habe nicht gewußt, um was cS sich handle und wozu er seine 2 M. 50 Pf. hingebe. Dies wird von den übrigen, namentlich Rupsch, bestätigt. In der Nachmittagssitzung folgte die Vernehmung des Angeklagten Reinsdorf. Auf die Frage des Präsidenten, ob er sich des ihm in der An klage zur Last Gelegten schuldig bekenne, erwidert der Angeklagte: Ich bin an dieser Sache, an dem Attentat auf dem Niederwald nicht ganz unbetei ligt und habe dabei meine Hand im Spiele gehabt. Allerdings habe ich nur allgemeine Anordnungen erteilt, für die Einzelheiten der Ausführung, in sonderheit für die an der Festhalle in Nüdesheim begangene Dummheit bin ich nicht verantwortlich. — Hieraus fragte der Präsident, welche Motive er zu seiner verbrecherischen Handlung hatte. Der Angeklagte hatte sichtlich auf diese Gelegen heit, eine weitere anarchistische Rede vom Stapel zu lassen, gewartet und begann denn auch alsbald, sie mit theatralischen Geberden zu halten, welches letztere ihm übrigens der Präsident energisch ver wies. Wir betrachten es nicht als die Aufgabe der Presse, die fanatischen, von Wut gegen die bestehenden gesellschaftlichen Zustände erfüllten langen Redewendungen deS Angeklagten weiter zu verbreiten, sondern resümieren sie nur kurz in folgender Weise. Nach Reinsdorf ist die große Masse des Volkes geknechtet und in Elend ver sunken. Der Krieg von 1870 ist kein „heiliger" Krieg, sondern ein dynastischer EroberungSzug ge wesen, durch den dir Menschheit nur noch unglück licher geworden ist. Die Befreiung der Masse muß das Werk der Arbeiter selbst sein. Un würdig, ein feiger Sklave ist der. welcher an die sem Kampfe nicht teilnimmt. Die sozialdemokra- kratische Partei hat mit ihrem Stimmzettelkampf eine ganz falsche Richtung eingrschlagen und darum hat sich auch in Deutschland eine anarchistische Partei gebildet, welche die Propaganda der That auf ihre Fahne geschrieben hat. Die Leiter der sozialdemokratische» Partei haben eine verächtliche Parole ausgegcben, als sie ihre Parteigenossen ausfordertcn, cvcnt. ihre Gesinnung zu verleugnen, zu sagen, sie seien keine Sozialisten. Die sozial demokratische Bewegung ist in eine fortschrittliche Bourgeoisbewegung ausgcartet, mit welcher wir nichts zu thun haben wollen; wir legen den Schwerpunkt auf das geistige Befinden der Ar beiter. Es ist auch verächtlich, wenn wir deut schen Arbeiter ruhig zusehen, wie die französischen Arbeiter die Kastanien für unS aus dem Feuer holen. Bei uns heiligt der Zweck daS Mittel. OberrcichSanwalt von Seckendorf beantragt, diese Auslassungen zu Protokoll zu nehmen, um daraufhin wegen Aufforderung zum Hochverrat gegen ReinSdorf Vorgehen zu können. Der Prä- sident macht den Angeklagten darauf aufmerksam, daß er ihm das Wort entziehen müsse, wenn er sich nicht kürzer fasse und zur Sache spreche. Der Angeklagte fährt fort: „Er bekenne sich zu dieser anarchistischen Partei, er habe handeln wol len." Was nun seine Thätigkcit bei demNieder- waldattentat anlange, so habe er nicht gewollt, daß irgend ein anderer außer Rupsch, welcher jung und unverheiratet sei, an dem Attentat teilnchmen solle. Den Rupsch habe er sich allein ausersehen, habe ihn zu sich inS Krankenhaus bestellt und ihn in struiert, was er zu thun habe. Er habe ihm ge sagt, wo er daS Attentat unternehmen, wo er die Zündschnur kaufen solle; das Dynamit, welches er im Garten Holzhauers ohne dessen Mitwissen vergraben, solle er holen, aber niemand etwas da von sagen; er habe Rupsch gezeigt, wie er die Zündschnur zu befestigen habe rc.; zu letzterer Manipulation habe er ihm sein Taschenmesser ge geben. Dann habe er ihn instruiert, wie er Reise geld beschaffen und dahin bedeutet, daß er die anderen unter keiner Bedingung in die Sache ver mengen solle, da sie alle Familienväter mit zahl reichen Kindern seien. Den Küchler habe er nur mitgeschickt, damit Rupsch nicht allein gehen müßte. Küchler solle sich aber an nichts beteilige», er solle dem Rupsch nur als „sympathische Deckung" die nen, diesem falle vielleicht das Herz vor die Füße, es sei besser, daß ein zweiter dabei sei. Daß Rupsch bei Holzhauer den Plan ausgeplaudert, sei ganz gegen seine Intentionen gewesen. Ob er zu Rupsch gesagt, durch daS Attentat solle der Kaiser, der König, der Kronprinz rc. getötet wer den, wisse er nicht genau, das sei für ihn Neben sache gewesen, Hauptsache war die Störung deS Feste-, die Demonstration. Auf die Frage des Präsidenten, wie er eS über sich bringen konnte, mit der Ausführung eines Verbrechens, auf dem eine schwere Strafe stand, einen anderen zu be trauen, antwortete der Angeklagte, er habe das nur gethan, weil er krank war, im andern Falle würde er daS Attentat wahrscheinlich selbst auS- geführt haben. Auf die von seiten des Präsiden ten nochmals an den Angeklagten gerichtete Frage, ob er sich der ihm in der Anklage zur Last ge legten strafbaren Handlungen schuldig bekenne, er widerte derselbe: Ich betrachte die ganze Sache als eine Machtfrage. Ständen mir einige Armee corps zur Verfügung, dann stände ich nicht hier als Angeklagter. Ich bin derjenige, der abzuwar ten hat, waS Sie beschließen. ES meldet sich der Angeklagte Rupsch, welcher erklärt, eS sei nicht wahr, daß Reinsdorf ihm die Stelle, wo das Dynamit vergraben lag, genau bezeichnet habe; er hätte die Steinkruke mit dem Dynamit von Holzhauer empfangen, der und dessen Frau von der ganzen Sache genau Wußten. Es wurde nun zu der Vernehmung von Zeugen »erschrittrn, deren Aussagen nichts von allgemei nem Interesse enthielten, und damit schloß die heutige Sitzung. — 18. Dezember. An dem heutigen Vormit tage wurden die gestern nachmittag bereits be gonnenen Zeugcnverhöre fortgesetzt. Dabei wurde etwas wesentlich NeueS nicht vorgcbracht. Es handelte sich vielmehr namentlich um Konstatierung des Befunds an den Attentatstellen auf dem Wege nach dem Niederwald-Denkmal und nach der Festhalle in Nüdesheim. In dieser Richtung ließen sich insbesondere der Bürgermeister Alberti von Nüdesheim, die Polizcikommissarc Gottschalk aus Elberfeld und Wilsing auS Barmen und meh rere in der Fcsthalle anwesend gewesene Personen dahin aus, daß das Dynamit nicht, wie von Rupsch behauptet, 12 Fuß von der Wand der Festhalle entfernt niedcrgclegt worden sein könne, sondern daß es unmittelbar an oder unter derselben unter- gcbracht gewesen sein müsse. Zur Zeit der Ex plosion ist in der qu. Fcsthalle Konzert und in folgedessen eine ziemlich große Menge Menschen anwesend gewesen. Nach der Darstellung des Kü fers Joh. Lauter aus Nüdesheim ist die eine Seite des Pavillons (Festhalle) unter bedeutendem Knall zusammengebrochen, ein Feuerstrahl ist sicht bar gewesen und die an dieser Seite sich befinden den Menschen sind mehrere Schritte weit ins In nere der Halle geworfen worden. Er, der Zeuge, ist ca. 3 Stunden der Sehkraft beraubt gewesen. Dicht an der Stelle, wo die eingedrückte bezw. zerstörte Wand der Frsthalle gestanden, hat der Erdboden ein großes Loch gezeigt. Der als Sach verständige geladene Major Pagenstcchcr erklärt auf das bestimmteste, daß die Menge Dynamit, welche angeblich von Rupsch an die Festhalle ge legt worden ist, nicht groß genug gewesen ist, den erzielten Effekt herbeizuführen, wenn sic dorthin gelegt worden sei, wohin Rupsch behauptet, daß vielmehr mit Sicherheit anzunehmen sei, daß die Sprengstoffe dicht an oder unter der Wand der Festhalle lociert worden seien. Dann aber unter liege eS keinem Zweifel, daß das Leben der in der Nähe befindlichen Menschen in hohem Grade gefährdet gewesen sei. Daß niemand getötet wor den, sei darin begründet, daß die Explosion an einer Seite stattgefunden habe, wo Flaschenkisten rc. längs der Wand ausgestellt gewesen sind. Zu dem Attentatsversnch auf dem Nicderwald- wege befragt, erklärt Major Pagenstecher, daß die dort von Küchler und Rupsch in die Drainageröhre gelegte Menge Dynamit vollkommen hinreichend gewesen sei, alle im Augenblick der Explosion in der Nähe befindlich gewesenen Personen zu löten, bez mehr oder weniger gefährlich zu verwunden. Der Sachverständige ist der Ueberzeugung, daß infolge des Regens während der Nacht vom 27. zum 28. September die von Rupsch und Küchler gelegte Zündschnur an der Schnittfläche, sowie an dem daran befindlich gewesenen Schwamm soviel Feuch tigkeit angezogen haben müsse, daß sic ein Stück hat abgeschnitten werden müssen, um wieder brauch bar zu werden. Dadurch dürfte das Abschneiden der Schnur seitens RupschS eine Erklärung finden. Eine weitere Anzahl Zeugen wird sodann ver nommen über das Vorleben und die Gesinnungen der Angeklagten Rupsch und Küchler. Im Laufe der Nachmittagssitzung gelangt noch eine Reihe von Schriftstücken, namentlich Artikel auS der „Freiheit" (ein solcher ist betitelt: „Wis senschaft und Praxis der Sprengstoffe") zur Ver lesung. Selbstverständlich ist der Inhalt dieser Schriftstücke solcher Art, daß er sich nicht wieder- geben läßt. Nachdem sämtliche Schriftstücke verlesen sind, fragt der Präsident, ob noch irgend welche Anträge gestellt werden. Da das von keiner Seite geschieht, erklärt der Präsident die Beweisauf nahme und die Sitzung für geschlossen. Freitag früh 9 Uhr beginnen die Schlußvor träge. Werden dieselben an diesem Tage been det, dann dürfte vielleicht am Montag die Ver kündigung deS Urteils erfolgen.
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