Das ist nun anders geworden seit dem sich im 19. Jahrhundert voll ziehenden Abbau und der mit Artikel 137 I der Reichsverfassung vom 11. August 1919 nunmehr eingetretenen gänzlichen prinzipiellen Be seitigung des Staatskirchentums, seitdem sich der Staat wie die poli tische Gemeinde allmählich und jetzt endgültig als Quelle des evan gelischen Kirchenrechts und kirchlicher Organisation verabschiedete. Tie letzte Verabschiedung lag in Sachsen erst in dem Staatsgesetz vom 17. Juli 1926 (Sächs. Gesetzblatt S. 153). 8 1 hebt das Landcskonsisto- rium, die Kreishauptmannschaft Bautzen als Konsistorialbehörde und die Kircheninspektionen auf, natürlich nur als Staatseinrichtungen. Nunmehr ist auch in Sachsen die Trennung zwischen Staat und Kirche vollendet — die vermögensrechtliche Auseinandersetzung Vorbehalten, bei der die Kirche gesichert ist durch Artikel 138 I, 173 der Reichs- < Verfassung, den Schiedsspruch des IV. Zivilsenates des Reichsgerichts vom 17. Februar 1926 (IV 320/25) und den ß 2 des erwähnten säch sischen Staatsgesetzes. Tie Kirche mußte nunmehr und muß weiterhin sich selbst ihr Recht schaffen, und zwar aus eigener Machtvollkommen heit, nicht kraft anvertrauter Staatsgewalt. Rudolph Sohm hat hierfür der Kirche das „Können" abgesprochen. Das wurzelt — Sohm richtig verstanden — in seiner Vorstellung von der Omnipotenz des Staates, von einem Monopol des Staates als Rechtsquelle Z. Wir können diese territorialistische, staatsabsolutistische Rechtsquellentheorie Sohms nicht teilen. Ter Staat hat in Deutsch land längst (im 19. unh im 20. Jahrhundert) wieder seine Pflöcke zurückgesetzt. Er kann der Rechtsetzung der Kirchen im Staatsinteresse selbstherrlich Grenzen ziehen; das ist das Unverlierbare des modernen Staatsbcgriffes. Aber was heute die Kirche innerhalb dieser Grenzen als Norm setzt, ist darum nicht weniger Recht und geht nunmehr ganz von ihr selber aus. „Aus dem religiösen Bedürfnis, dessen Befrie digung sie gewähren, folglich auch versagen kann, zieht sie eine eigene Macht über die Gemüter, ausreichend, um eine Rechtsgewalt darauf zu gründen, die ebenso ursprünglicher Art ist wie die des Staates selbst" 2). Das Können vom Rechtsbegriff aus hat also auch die > Lutherkirche. Aber hat diese auch das „Dürfen"? d. h. Dürfen, ohne dem eigensten Wesen und Beruf untreu zu werden? Das ist schlank Siehe z. B. Sohm, „Weltliches und geistliches Recht", Sonderabdruck aus der Festgabe der Leipziger Juristensakultät für Binding, 1914, S. 19, 32 ff. *) So Otto Mayer in Hauck-Herzog, Realencyllopädie für protestantische Theo logie und Kirche, 3. Aufl., Artikel „Staat und Kirche", Bd. 18, S. 724.