geschlechte war es mächtig emporgeblüht. Ringsum strahlten die Fluren in saftigem Grün; im Erzgebirge rauschten die Wälder, im Niederlande wogten die Felder; Silber hegten seine Berge wohl in manchem tiefen Schacht. In Leipzigs Universität floß der Strom der Wissenschaft, in den Städten blühte das Handwerk. Ein Kirchturm grüßte den andern, etwa hundert Klöster waren im Lande zerstreut. Der Bischof zu Meißen konnte sagen: an Elbe, Spree und Mulde wohnt ein der angestammten Kirche rreu ergebenes Volk. Aber an der Kirche saß eine Eiterbeule, die klärlich bewies, daß die Kirche krank war. Sie mußte geöffnet werden. Was den Anlaß zur Reformation gab, das war der schamlose Ablaßhandel, wie er von dem Dominikaner Johann Tetzel in Sachsen getrieben wurde. Die Lehre vom Ablaß, die das ganze Mittelalter be herrschte, war mit der Zeit dahin gesteigert worden, daß man vom Sünder Reue nicht mehr verlangte, sondern lediglich Geld, dem man die Kraft zuschrieb, die Seele nicht bloß von den zeitlichen, sondern auch von den ewigen Strafen zu befreien. „So bald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt." Als die Päpste sahen, wie gern und willig das Volk auf diese bequeme Lehre einging, wie sehr es sich hinzudrängte, auf so billige Weise seiner Sünden los zu werden, beeilten sie sich, das Ablaßwesen für ihre Zwecke nutzbar zu machen; die Kirche ward zum großen Bankhause. Besonders lag es dem heiligen Vater am Herzen, die Sünden der Deutschen als klingende Münze nach Rom wandern zu lassen, und der Ablaßwucher lieferte ihnen zu kirchlichen und politischen Unternehmungen aus Deutschland Riesensummen. Zur Eintreibung des Ablasses wurden Zwischenhändler bestellt, in ihrem Auftrag durchzogen Ablaßprediger das Land. Von 1505 bis 1510 hatte Johann Tetzel das Sachsenland gebrandschatzt, 1516 kam er zum dritten Male. Sachsen war Tetzels Heimatland. Um 1465 in Pirna geboren, hatte er in Leipzig studiert und war dort als Mönch in das Paulinum getreten. Der beredte Mann verstand zu predigen und zog der Leute in Scharen an. Keiner eignete sich so gut zum Ablaßhändler wie er. Hoch zu Roß wie ein vornehmer Prälat, so zog er im Lande umher, in den Städten mit Glockengeläute empfangen. Auf einem Sammtkissen wurde die päpstliche Ablaßbulle vor ihm hergetragen. Mit Kreuz und Fahne zogen ihm feierliche Prozessionen entgegen und geleiteten ihn in die Kirche. Dort wurde ein rotes Kreuz mit des Papstes Wappen aufgerichtet, und kühnlich behauptete der Mönch, das sei