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Jahrg. 1S82 Allgemeine Zeitschrift für Textil-Industrie. Seite 135 ALLGEMEINE ZEITSCHRIFT für EXTIL-INDUSTRIE. Chef-Redacteub: PH. ZALUD in Chemnitz. Nr. 10. Chemnitz-Leipzig, 15. Mai 1882. IV. Jahrg. Inhalt. Abhandlungen: Zur Geschichte des Chemnitzer Maschinenbaues. II. — Water- spinn- und Zwirn-Maschinen von Louis Kirmse in Dobitzmühle bei Crimmitschau. — Mnster-Compositionen. — Die Baumwoll-Industrie von Spanien und Portugal. — Original- Färberei- und Druckerei-Recepte: Anilinschwarz zum Druck auf Baumwolle. — Neuerungen und Verbesserungen: Ueberzug an Walzen der Streckwerke von Spinnereimaschinen. — Verfahren und Maschine zum Aufwinden von Nähzwirn auf Hülsen aus Papier und anderen Stoffen. — Verbesserungen in der Präparation und Entfärbung von Jute, Chinagras und anderen vegetabilischen Fasern.—Neuerungen an Teppich-Roinigungsmaschinen. — Zwirn- Spindel. — Verfahren zur Herstellung drillirter Fransen. — Garnhaspel. — Schaftmaschine für mechanische Webstühle. — Fadentheiler für Leimmaschinen. — Patentwesen: Patent- Anmeldungen, Ertheilungen, Erlöschungen. Erloschene Patente. — Mittheilungen: Fach schulzeitung. — Meinnngs-Austausch: Blechspulen. — Inserate. Ulli tXAlllXlJ-tXiiXEi BAAlAlll um AiHllIBLÜSGlir, TTTTTTTTTTTTTTT 1UUUU11114 ~t~t: ^ TTTTT’TT^ Zur Geschichte des Chemnitzer Maschinenbaues, n. Auf die einzelnen Etablissements und Branchen eingehend, ist zunächst die „Sächsische Maschinenfabrik“ (vormals K. Hartmann) zu erwähnen. Dieselbe ist sehr vielseitig und das kann bei unseren deutschen Verhältnissen nicht gut anders sein, die 2500 Arbeiter für eine einzelne Branche zu beschäf tigen, wäre fast eine Unmöglichkeit. Das Etablissement liefert demnach Locomotiven und Tender, Dampfkessel und Dampf maschinen, Turbinen, Werkzeugmaschinen,- Streichgamspinnerei- Maschinen, mechanische Webstühle u. s. w. und scheint für alle diese Fächer tüchtige Kräfte an der Spitze zu haben. Da auch der kaufmännische Disponent, die eigentliche Seele des Ganzen, seiner Aufgabe vollständig gewachsen ist, so erfreut sich die Fabrik eines gedeihlichen Fortgangs. Nächstdem ist in erster Linie die „Sächsische Web stuhlfabrik“ (Louis Schönherr) zu erwähnen. Dieses Etablissement treibt als Spezialität nur den Webstuhlbau mit den nöthigen Hilfemaschinen, welche mit der Weberei Zu sammenhängen, und dabei vorzugsweise den Bau schwerer Webstühle für Tuch, Bukskin, Rips, Leinen, Damast u. s. w. Die Fabrik hat sich während ihres circa dreissigjährigen Be stehens durch ihren intelligenten Gründer, Herrn Louis Schön herr, ebenfalls einen Weltruf erworben; die Schönherr’schen Webstühle sind in allen Ländern Europas gekannt und ein geführt, die Geschäftsprinzipien des Hauses sind durchaus solide nnd noble, und da die Direction im Geiste Schönherr’s fortfährt, so kann dem Etablissement das günstigste Prog nostiken gestellt werden; die im vorigen Jahre gezahlte Divi dende war sogar um eine Kleinigkeit höher, als die der erst genannten Fabrik. Besondere Erwähnung verdient es noch, dass Schönherr in seinem Fache einer der tüchtigsten Con- structeure ist, die wir aufzuweisen haben. In dieser Fabrik giebt es nichts Geborgtes, sondern Alles ist rein deutsche Erfindung, deutscher Fleiss hat Alles geschaffen; das beweisen schon die mehr als ein Viertelhundert Patente, die Schönherr erworben hat. Ehre dem strebsamen und schöpferischen Manne! Wir kommen jetzt an die „Chemnitzer Werkzeug maschinenfabrik“ (vormals Joh. Zimmermann). Nachdem schon in den vierziger Jahren Constantin Pfaff den Versuch gemacht hatte, den Werkzeugbau bei uns einzuführen, wollte es noch nicht recht gelingen, Pfaff schien seiner Zeit voraus geeilt zu sein. Anfang der fünfziger Jahre entwickelte sich dieser Bau aber mit grosser Gewalt und Anfang der siebziger Jahre hatten wir in Chemnitz 12 grössere Werkzeugmaschinenfabriken, wovon aber einige der durch den Wiener Krach eingetretenen Crisis erlegen und wieder eingegangen sind. Die bedeutendste von den noch bestehenden ist die eben erwähnte Chemnitzer Werk zeugmaschinenfabrik. Wenn der vorher genannte L. Schönherr viel Werth auf eigene Erfindungen legte, so verfolgte Herr Zimmer mann ein anderes Prinzip, er wählte sich irgend eine gut construirte Maschine aus, benutzte dieselbe als Modell und baute nach dem von ihm adoptirten System weiter; eigene Verbesserungen daran natürlich nicht ausgeschlossen. Das Etablissement zeichnete sich seit seinem Bestehen durch eine musterhafte Ordnung in der Werkstatt aus und die jetzige Direction ist bemüht, das auch aufrecht zu erhalten. Trotz dem ist die Fabrik, wie der gesammte Werkzeugmaschinenbau, seit Jahren nothleidend und der Cours der Actien ein niedriger. Die Crisis musste dieselbe um so härter treffen, weil sie in grossem Maassstab angelegt ist und wenn in den letzten Jahren eine nur geringe oder gar keine Dividende ausgefallen ist, so ist das nicht zu verwundern. Erstens ist ein hohes Actien- capital zu verzinsen, zweitens Versicherungssumme, Abgaben und Unterhaltungskosten auf einen Gebäudecomplex zu ver wenden, welcher momentan nur zu zwei Drittheil mit Arbeitern besetzt sein wird, und wenn man noch hinzurechnet, dass sich auch die Regiekosten nicht immer im Verhältniss zur Arbeiter zahl reduziren lassen, so wird man sich leicht in die Situation hineindenken. So viel dem Verfasser dieses bekannt geworden ist, soll die Fabrik jetzt wieder gut mit Aufträgen versehen sein und mit dem zur Zeit beschäftigten Arbeiterpersonale auf längere Zeit zu thun haben, es wäre recht erfreulich und im Interesse des grossen Ganzen, wenn auch in dieser Branche eine baldige Wendung zum Bessern ein trete. Die nächste Werkzeugmaschinenfabrik ist die „Deutsche Werkzeugmaschinenfabrik“ (vormals Sondermann & Stier). Auch dieses Etablissement gehört zur Zeit unter die nothleidenden. Die Fabrik ist technisch gut geleitet und die Direction steht in grosser Achtung beim Publikum; ich habe auch recht gute Maschinen aus der Werkstatt hervorgehen sehen, aber das Alles vermag es nicht zu erzwingen, wenn all gemeine Stockung in der Branche herrscht. Da die Stockung im Werkzeugmaschinenbau lange anhielt, legte sich die Fabrik den Dampfmaschinenbau zu und zwar liefert dieselbe Maschinen mit zwangsläufigen Präcisions- Ventilsteuerung, C. Kliebisch’s Patent, womit dieselbe zu reussiren scheint, ebenso scheint der gleichfalls eingeführte Bau von Walzenmühlen eine gute Zukunft zu haben. Die Arbeiterzahl ist von ca. 100, auf welche die Fabrik in der schlimmsten Periode reduzirt war, wieder auf über 200 ge stiegen. Von in Actiengesellschaften umgewandelten Werkzeug maschinenfabriken sind noch zu erwähnen „Union“ und „Vulkan“. Beide haben in den vergangenen Jahren ebenfalls keine Ausbeute oder Dividende gebracht und wie die anderen