Einleitung. Nur geringe Reste der keltischen Nationalität, die einst einen grofsen Teil des Westens von Europa, Frankreich, die Britischen Inseln, Süddeutschland, die Alpengebiete und Ober italien ihr Eigen nannte, sind heute noch im Besitze ihrer nationalen Sprache: in der Bretagne, in Irland, in Wales, auf der Insel Man und in den schottischen Hochlanden werden noch Dia lekte der ehemaligen Muttersprache geredet, aber von Jahr zu Jahr mehr zurückgedrängt, in der Bretagne durch die fran zösische, in den übrigen Gebieten durch die englische Sprache x . Schweben also die verschiedenen Zweige der keltischen Sprache in der dringenden Gefahr, in absehbarer Zeit aus der Reihe der lebenden Sprachen zu verschwinden, so hängt diese Entwicklung ganz wesentlich zusammen mit dem tragischen Geschick der Kelten, überall von anderen Völkern aufgesogen und ihrer nationalen Sonderexistenz beraubt zu werden. In einem Zeitraum von bald zwei Jahrtausenden hat sich dieser Prozefs vollzogen in den von Kelten besetzten Ländern des europäischen Kontinents, in England, in Südschottland, in Ir land. Am längsten unter allen keltischen Stämmen haben eine, wenn nicht rechtliche, so doch faktische Selbstständigkeit be hauptet die Bewohner der schottischen Hochlande, die Gälen. Es verdient wohl, zu den merkwürdigen Thatsachen der euro päischen Geschichte gerechnet zu werden, dafs dieses wenige hunderttausend Köpfe zählende Völkchen, von dem ein eng lischer Schriftsteller 2 schon 1848 mit einiger Übertreibung prophezeite, wenn die Austreibungen im nächsten Vierteljahr hundert so fortgingen, wie im verflossenen, so werde man keinen Gälen mehr auf seiner heimischen Erde finden, — dafs 1 „In Europa beträgt nach ungefähren Berechnungen die jetzige Gesamtzahl der keltisch Redenden ungefähr drei und eine halbe Million.“ Windisch, Artikel „Keltische Sprachen“, in der Encyklopädie von Erseh und Gruher, II. Sektion, Bd. XXXY (1880), S. 132—180, p. 180. 2 Robert Somers, Letters from the Higlilands, London 1848, p. 12. L. Studien a. d. Geb. d. Geschichte. V 1. — Conrady. 1