Drittes Kapitel. Die schottische Clanverfassung in ihrer älteren Gestalt. Die Gestalt der schottischen Clanverfassung, die sich aus den Berichten der letzten Jahrhunderte ergiebt, ist nicht die ursprüngliche. Für die ältesten Zustände der keltischen Bevölkerung Schottlands ist man zunächst angewiesen auf die ziemlich dürftigen Notizen römischer und griechischer Autoren und eine Anzahl von Stellen älterer Chronisten, die aber nicht sehr ergiebig sind. So wäre es ein Ding der Unmöglichkeit, zu einem einigermafsen zutreffenden Bilde dieser ältesten Ver hältnisse zu gelangen, wenn nicht das Verständnis erleichtert würde durch die Rückschlüsse, die sich aus der weiteren Entwicklung der Clanverfassung ziehen lassen. Besonders zu statten aber kommt dann der Untersuchung die ganz parallele Entwicklung der irischen und walisischen Kelten, deren ursprüngliche Gesellschaftsform wir aus den Sprüchen der Brehon Laws und aus den alten walisischen Gesetzen kennen. Dafs diese Verhältnisse für die zur Zeit jenes ältesten Entwicklungsstadiums von Irland her eingewanderten Skoten Geltung haben, ist klar; sie treffen aber auch, wie sich zeigen wird, für die Pikten, den alteingesessenen Teil der schottischen Bevölkerung, zu. Erst durch die Parallelisierung in erster Linie mit den irischen Zuständen erhalten die zer streuten Angaben der antiken Autoren und der britischen Annalisten die rechte Beleuchtung. Es wird daher angebracht sein, von einer kurzen Skizze der ursprünglichen Gestalt der Stammesverfassung in Irland auszugehen 1 . Zu der Zeit, als im benachbarten England die Römer herrschten, lebten die Iren beinahe ausschliefslich von der Viehzucht; Ackerbau wurde nur gelegentlich und in ganz geringem Umfang getrieben. Das ganze irische Volk zerfiel 1 Meitzen, 1. c. Bd. I. Seebohm, the English Village Community, p. 181—251.