Mitteilungen über die Verhandlungen des Ordentlichen Landtags im Königreiche Sachsen / 2. Kammer

(Abgeordneter Schönfeld.) M Ja, Herr Abgeordneter Illge, da möchte ich Ihnen doch einmal empfehlen, sich mit dem zu befassen, was Herr vr. Cornelsen aus Minden in Westfalen (Abgeordneter Hettner: Da hinten in Westfalen ist gut!) über die Verhältnisse in Dänemark geschrieben hat. Gerade mit den Verhältnissen in Dänemark hat sich bei der Be sprechung der Petition der Herr Abgeordnete Schulze zur Begründung seiner Ansicht befaßt. Dänemark ist das typische Beispiel dafür, wie wir es nicht machen dürfen, wenn wir innere Kolonisation treiben wollen. Dort können lange nicht so viel Kleinbauern auf gleich großer Fläche bestehen wie bei uns. Dort ermöglicht der mangelnde Schutzzoll keinen Getreidebau; die Leute müssen die extensivere Weidewirtschaft und Viehzucht treiben. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der mangelnde Schutzzoll in Dänemark eine dichtere Ansiedlung und intensivere Wirtschaftsweise nicht gestattet, abgesehen davon, daß durch Boden und Klima Dänemark für die Viehzucht und Weidewirtschaft prädestiniert ist. Ich bitte um die Er laubnis, einige Sätze zu verlesen. (Vizepräsident Opitz: Wird gestattet.) „Dänemark hat im ganzen etwa zwei Millionen Ein wohner bei 38000 gkm Flächeninhalt, der Kreis D) Minden etwa 115 000 Einwohner bei 590 glrm Inhalt. Wir haben hier also mehr als dreimal, fast viermal stärkere Bevölkerung bei gleicher Fläche als Dänemark, dabei macht die städtische Bevölkerung Dänemarks auch Mindestens aus. Dänemark ist kaum '/-mal so stark bevölkert als ganz Preußen, ja, es ist kaum ein mal so stark bevölkert wie die Hauptgebiete des Groß grundbesitzes Pommern und Ostpreußen, trotzdem es fast ganz Bauernland ist, und seine Bevölkerungs zunahme ist ganz gering. Also Dänemark dürfen wir für die innere Kolonisation nicht als Muster nehmen/' Dann möchte ich weiter noch auf das verweisen, was der englische Generalkonsul in seinem Berichte in Düsseldorf über die außerordentlich günstige Entwicklung Deutsch lands und ihren Zusammenhang mit der Wirtschafts politik kürzlich gesagt hat. Das ist ein hohes Lied für unsere Schutzzollpolitik. Es heißt hier wörtlich: „England kann nach einem solchen Berichte nur mit Bewunderung und fast niit Neid die wirtschaft liche Entwicklung Deutschlands verfolgen. Mag man nun den Außenhandel betrachten, der 1912 gegen das Vorjahr in der Einfuhr um 7,7 vom Hundert, in der Ausfuhr sogar um 9,7 vom Hundert zugenommeu hat, oder die wachsenden Ziffern der Produktion für Kohle und Roheisen berücksichtigen, überall zeigt sich der gleiche, geradezu sprunghafte Aufschwung." Dann heißt es an anderer Stelle: „Am meisten ist jedoch Deutschland zu bewundern (0) wegen des Gleichgewichts zwischen Industrie und Land wirtschaft." Es wird dann weiter gesagt: „Der britische Generalkonsul stellt fest, daß Deutsch land vor rund 30 Jahren den Weg zur Schutz politik eingeschlagen habe und daß seit derselben Zeit der wirtschaftliche Fortschritt Deutschlands geradezu als wunderbar bezeichnet werden müsse." Also das ist das Gegenteil von dem, was der Herr Ab geordnete Illge behauptet hat. Es ist ja auch so, daß wir jetzt schon seit zwei Jahren unser ganzes Sommer getreide, das verregnet ist, schroten müssen, denn wir haben keinen Absatz. Der Zollschutz kann also nicht schuld sein. Der Herr Abgeordnete Illge hat dann weiter gesagt, daß sozialdemokratisch gesinnte Staatsbürger nicht zu Gemeinde ämtern bestätigt werden könnten. Da möchte ich die Frage aufwerfen, warum dann die sozialdemokratischen Arbeiter in großen Jndustrieorten auf dem Lande bleiben, denn von ihnen gilt doch dasselbe. Er hat dann weiter von einem Gute gesprochen, das eine kolossale Wertsteigerung — in 18 Jahren um 300 Prozent — erfahren hat. Er hat uns aber nicht gesagt, was in der Zwischenzeit an dem Gute geschehen (v) ist, ob Meliorationen vorgenommen worden sind, Inventar beschafft worden ist und dergleichen. Darauf kommt es doch an. Wenn ein Gut ganz herunter ist und es wird durch Verbesserungen aller Art dann viel hineingesteckt, dann ist eine derartige Preissteigerung wohl möglich. Der Herr Abgeordnete Illge hat sich dann weiter auf den Freiherrn v. Thüngen und auf den Ministerial direktor Thiel, Berlin, berufen und hat gesagt: „Das ist dasselbe, was wir so oft hören: die Arbeiter auf dem Lande werden durch unsere Schulbildung so hoch gebildet, so daß ihnen die Landarbeit nicht mehr behagt." Herr Abgeordneter Illge, wenn Sie das zu Ihrer Mei nung machen wollten, dann hätten Sie mit Ihren Kollegen nicht in der Volksschuldeputation sitzen dürfen; da hätten Sie eins auf den Mund bekommen, wenn Sie dort solche Ansichten geäußert hätten. Der Herr Abgeordnete vr. Dietel sagte das reine Gegenteil. Er sagte an Schul bildung fehlt's, die Fortbildungsschule muß gefördert werden. „Das hat uns die Leute weggebracht", sagt Freiherr v. Thüngen, also die bessere Schulbildung, be tont hierzu der Herr Abgeordnete Illge nochmals. Wenn es schon so weit ist, daß unsere Schulbildung auf dem Lande zu gut ist und für die Landarbeiter zum Anlaß wird,