Suche löschen...
Germania
- Bandzählung
- 1.1894/95
- Erscheinungsdatum
- 1895
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Hist.Germ.univ.158.m-1.1894/95
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id411898116-189500009
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id411898116-18950000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-411898116-18950000
- Sammlungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Ausgabebezeichnung
- Nr. 8
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Titel
- Germania
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
258 GERMANIA. Schrift — würde sich nicht so lebensvoll auf drängen, wenn es nicht bis auf unsere Tage an dem Holzbau festgehalten hätte; überall steht unser Bauernhaus noch mit seinen Füfsen im Walde, wenn auch sein Haupt die alte moos' bewachsene Strohkappe abgeworfen hat. Wenn die Dörfer des slavischen Ostens einen so eins förmigen Anblick gewähren, so liegt das daran, dafs sie im struppigen Urwalde stecken geblieben sind, dafs sie sich bei der Starrheit slavischer Art nicht haben entwickeln wollen; bei den ro manischen hat das gleiche Verhältnis seinen Grund darin, dafs sie bei ihrem Steinbau sich nicht haben entwickeln können. Denn für den ländlichen Bau bietet nur das Holz die Möglich keit einer selbständigen und lebendigen Ent wicklung. Zur Bearbeitung und künstlerischen Behandlung des Holzes genügen die Werkzeuge und Kenntnisse des einfachen ländlichen Zimmer- manns-Handwerkes; es genügte eine blofse, durch Übung zu erwerbende Kunstfertigkeit, geleitet von dem angeborenen, durch die Überlieferung des Dorfes geschulten Geschmack, und von dieser Seite steht selbst der Ausbildung und Bethätigung eines bäuerlichen Kunstsinnes nichts im Wege. Das lange Werkholz bietet in seiner Aufstellung, Lagerung und Schichtung eine Menge Möglich keiten, die zum Nachdenken verleiten, und die vorstehenden und abgeschnittenen Balkenköpfe, die Enden der Windbretter an den Giebeln und ähnliches fordern den Kunstsinn und Geschmack des Bauern, wenn er noch so unentwickelt ist, geradezu heraus. Nichts von alledem beim Stein bau. Der eckige kleine Stein kann nur geschichtet werden und birgt kein Leben in sich wie das Holz. Die tote Steinwand mufs künstlich belebt werden, um sie wirkungsvoll zu gestalten, kommt man mit einem Handwerk nicht aus, es braucht neben dem Maurer noch den Steinmetz, beide vereint unter einer höheren Leitung; zu alledem gehört eine schulgerechte Kunst, gehören Mafs- stäbe und Mittel, wie sie über den Durchschnitt der einfachen Verhältnisse und Bedürfnisse des Dorfes hinausgehen. Das Eindringen des reinen Steinbaues — das ist keine Frage — gräbt der Selbständigkeit bäuerlicher Baukunst unfehlbar das Grab. Aber auch wo der Holzbau sich noch eine Zeitlang fristet, kann das nur noch ein Vegetieren genannt werden, kein triebkräftiges Leben. Im besten Falle werden die alten Vor bilder dem Bauer zuliebe eine Zeitlang nach geahmt, aber von einer liebevollen Fortentwicklung des alten Bauernstils kann keine Rede mehr sein. Ohnehin gerät das Zimmerhandwerk der Dörfer heutzutage in eine immer gröfsere Ab hängigkeit von den Baugewerkschulen, denen nichts ferner liegt, als die Pflege eines länd lichen Geschmacks, und für die der Holzbau ein viel zu überwundener Standpunkt ist, als dafs es der Mühe lohne, sich in der Praxis damit anders als widerwillig zu befassen. Wer sich ein Bild von dem kräftigen deut schen Dorfe im Gegensatz zu dem alten machen will, der möge bei einem Besuche des Spree waldes das bei Burg liegende Dorf Werben auf suchen, das infolge verschiedener Brände ganz neu aufgeführt worden ist. In Burg noch die alten braunen Holzhäuser mit Strohdach und Giebelschmuck, in Werben „ein wahrer Ausverkauf von kleinstädtischem Hausplunder : niedrige Back steinwände in allen möglichen Farben, zum Zierat wohl ein paar weifse Backsteine hinein gekleckst, als spritze der Maurer seine Kelle aus; die Dächer in jedem Geschmack, bald hoch und steil, bald flach und niedrig, in allen Farben: Ziegel, Schiefer, Pappe, kurz das Ganze ein Spiel kasten für Kinder aus einem Fünfzigpfennigbazar, nur dafs die Häuser in diesem doch in einem Geschmacke sind. Das ist unser künftiges Dorf.« Eine Abhilfe dagegen aus der Mitte der Bauernschaft steht kaum zu erwarten. Denn nicht minder als das alte Dorf bricht in unsern Tagen auch der alte Bauernstand zusammen. Wir können uns heute über diesen Prozefs nicht weiter aus- lassen: dafs er sich vollzieht, und zwar rascher als man gemeiniglich annimmt, kann dem näher zuschauenden Auge kaum verborgen bleiben. Die oberste Schicht der Bauern entwächst all mählich dem alten Dorf, um sich zu einem Stande kleinerer Gutsherren zu entwickeln; häufiger kehren sie auch dem Dorfe ganz den Rücken und ziehen in die Stadt, und wenn sie auch noch auf der heimatlichen Scholle sitzen bleiben, so werden sie doch den alten Überlieferungen un treu, lassen ihre Söhne studieren und schicken ihre Töchter in eine städtische Pension. Dafs dann bei solchen Erziehungsmaximen in den Kindern die Liebe zur Heimat und ihren schlichten Sitten und alten Anschauungen schwin den mufs, liegt auf der Hand; häufig genug bil det sich diese Gleichgültigkeit noch in Hafs und Verachtung gegen alle alten Traditionen fort.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder