FRESKEN DES POLYGNOT 117 Schönheit und Heldentum, aber auch von der Vergänglichkeit alles Irdischen, von Lohn und Strafe im Jenseits. Polygnot hat in seinen Bildern, die doch soviel aus Homer schöpfen, keine homerischen Götter gemalt. Aber groß und gewaltig steht doch hinter allem mensch lichen Tun der unsichtbare Gott, die Gottheit, für die menschliche Formen ihm ein ungenügendes Gleichnis dünkten. 16. THEATER, STADION, GYMNASIUM D er Dionysoskult war in Delphi aufs engste mit dem Kult des Apollon verbunden, und so ist es begreiflich, daß auch ein Theater nicht fehlte. Es ist miteinbezogen in den Schutz des heiligen Bezirks und bildet dessen Nordwestecke (Abb. 42). Die Um fassungsmauer ist im Norden und Westen zugleich Abschlußwand des Theaters. Der natürliche Hang des Berges ist wie bei so vielen griechischen Theatern aufs glücklichste vom Architekten ausge nützt. In 39 Sitzreihen steigt das Halbrund des Zuschauerraumes den Berg hinan (Abb. 43); sehr steile Treppen, von Stufe zu Stufe führend, teilen die Sitzreihen; in Zweidrittelhöhe ist ein breiter Um gang. Die Säulen der Tempel, die Schatzhäuser, die Denkmäler sind längst gestürzt, aber dieser erdangeschmiegte Bau des Theaters zeigt noch heute die gleiche Schönheit wie zur Zeit des Pausanias, der es „sehenswert“ nannte. Nachdem die Ausgrabungen die ungeheuren Erd- und Geröllmassen, die den weiten Kessel ausfüllten, entfernt haben, können wir uns heute auf den schönen Kalksteinsitzen des großen Gesamteindruckes erfreuen geradeso wie die griechische Theatergemeinde vor 2000 Jahren. Von den oberen Sitzreihen schweift der Blick weit über das Heiligtum hinaus in die grandiose Szenerie der Landschaft, zugleich aber auch sieht man von jedem Platz aus alles, was auf der Bühne geschieht. Nicht minder ist die Akustik auch heute noch so trefflich, daß der Gesang und das ge- gesprochene Wort wie aus einem Muschelhorn von tief unten voll herauftönt. Für Schauspieler und Sänger, die nach Delphi kommen, ist es von besonderem Reiz gewesen, hier ihre Stimme zu erproben, und in den letzten Jahren hat man wiederholt hier altgriechische Dramen aufgeführt. Der Zuschauerraum enthält etwa 4000 Sitz plätze, das Theater in Delphi gehörte also zu den kleineren Theater-