14 GESCHICHTE Durchaus sagenhaft ist auch dieDeutung des O m p h a 1 o s (Abb. 11), des Nabels der Erde, der in Delphi neben dem geheimnisvollen Erd spalt stand und schon von Pindar erwähnt wird. Nach der einen Sage war es ein Grabstein für den Drachen Python, nach einer än dern war es ein Grenzstein, an dem die Adler des Zeus von den beiden Enden der Erde abfliegend sich getroffen hätten. Über seinen wirklichen und ursprünglichen Sinn ist viel gestritten worden. Jedenfalls ist die Deutung als Erdnabel, als Erdmittelpunkt so gut wie die Sage von den Adlern späte Erfindung, durch die man die universelle Geltung Delphis erklären wollte. Weder Homer noch Hesiod wissen davon, und in einem dem Epimenides zugeschriebenen Verse heißt es: „Wenn es einen Nabel der Erde gibt, so ist er den Menschen unbekannt und nur die Götter kennen ihn.“ 3. GESCHICHTE U ** her die Vorgeschichte Delphis brachten die Ausgrabungen nur dürftigen Aufschluß. Immerhin zeigen minoische und mykenische Scherben und Idole, Asche und Knochenreste, die man auf dem östlichen Tempelgebiet und in der Marmariä fand, daß die Stätte schon früh besiedelt war und daß in der Gegend des späteren Altars schon in mykenischer Zeit geopfert wurde. Mit der Erwäh nung bei Homer tritt wie vieles andere so auch die Existenz des Apolloorakels in Pytho ins Licht der Geschichte. Die Ilias kennt des Schützen Phoibos Apollon „Steinschwelle“ und die sprichwört lich gewordenen Reichtümer der steinigten Pytho, und nach der Odyssee sucht Agamemnon vor dem Feldzug nach Troja Rat beim Orakel. Es gab also dort zu Homers Zeiten einen vielbesuchten, reichbeschenkten, irgendwie steinerbauten Tempel, wie denn auch der Apollohymnus ein stattliches Heiligtum voraussetzt. Bereits herrscht dort nicht mehr Themis und Gaia, sondern Apollo, der Name des Ortes ist zuerst Pytho; aber schon in dem Homerischen Hymnus auf Artemis begegnet der später übliche Name Delphi. Ein tnya dwua „ein großer Tempel“ im reichen Volk derDelphier wird darin genannt. In der durch Homers Zeugnis beglaubigten Frühzeit des Orakels stand Delphi unter der Vorherrschaft der phokischen