24 GESCHICHTE Dazu kommt die politische Unzuverlässigkeit des Gottes. Im Pelo- ponnesischen Kriege schwankt Delphi hin und her zwischen den Parteien, und als Mazedonien drohend sich erhob, da ging es wie in den Perserkriegen: der Vorwurf des Demosthenes, sein Vorwurf des „yäiJimCeiv“ war nicht unberechtigt. Noch bleiben jahrhunderte lang die Formen dieselben. Philipp, Alexander, die Diadochen zollen dem Gotte äußerlich große Verehrung, aber es ist doch bezeichnend für den Wechsel der Zeiten, daß Alexander sich nicht scheute mit brutaler Gewalt die Pythia zu einem Orakelspruch zu zwingen. Die Römer hatten schon seit dem Hannibalischen Kriege sicher nach gewiesene Beziehungen zu Delphi, schon Furius Camillus soll nach der Eroberung Vejis den zehnten Teil der Beute dem Orakel geweiht haben, und als sie die Herrn im Lande wurden, da begabte manches inschriftlich erhaltene Senatsdekret das Ofakel mit Freiheiten und Geschenken nach dem ersten politischen Grundsatz der Römer, die Religion und die Götter der unterworfenen Völker zu ehren. Anderer seits zeigen viele römischen Feldherren und Kaisern geweihte Denk mäler, daß der delphische Gott sich vor der allmächtigen Roma beugen und ihr huldigen mußte, so gut wie die ganze übrige Welt. So sank das Ansehen immer mehr, bis das Orakel schließlich nur noch eine interessante Reisedenkwürdigkeit bleibt. Cicero soll in seiner Jugend selbst noch das Orakel gefragt haben, später sagt er, „es gäbe nichts Verächtlicheres“. Cato Uticensis sagte vor seinem Tode, Orakel müsse man Weibern, Feigen und Unwissenden über lassen. Bekannt ist die Ironie, mit der Lukian den Götterglauben überhaupt und insbesondere das Orakel lächerlich machte, und der Kirchenvater Eusebios sagt, nicht weniger als 600 heidnische Schrift steller hätten gegen das Orakel geschrieben. Auch die Renaissance bestrebungen Hadrians und die Tätigkeit Plutarchs, der lange Zeit (um 100—120 n. Chr.) Oberpriester in Delphi war, konnten den Ver fall des Ansehens nicht aufhalten. Der inneren Entwertung und Aushöhlung folgt auch die Aus plünderung der Tempelschätze und Kunstdenkmäler, eine fortschreitende Verarmung. Im Peloponnesischen Kriege zwar wurden noch viele Monumente dort errichtet, so daß Plutarch vor wurfsvoll sagen konnte, das Heiligtum sei voll von Siegesdenk mälern, die Griechen über Griechen errichtet hätten. Aber dann folgte der erste schwere Schlag im 2. Heiligen Kriege 356 v. Chr.,