554 75. Schrift. Den Gesehentwurf wegen Zulassung der FrauenschneidereL betreffend. Allerdurchlauchtigster:c. Ew. K. M. haben geruhet, mittelst Decrets vom 7cen Januar 1830. den getreuen Standen den Entwurf zu einem Mandate, die Frauenschuciderci betreffend, vorzulegen, und darüber deren Meinung zu vernehmen. Wir bringen daher über diesen Gegenstand unter Berücksichtigung der unö mitgetheilten Motiven zum Gesetzentwürfe unsere Ansich ten und Anträge mit Folgendem in unterthanigsten Vortrag. Das einzige Bedenken, welches darwider erregt werden kann, die Fertigung der weiblichen Kleider dem weiblichen Geschlechte zu überlassen, welchem dieses Geschäft ein gewisses natürliches Gefühl der Schicklichkeit und des Anstandes anzuweifen scheint, liegt allerdings in der jetzt bestehenden Innungsverfassung und dem darauf beruhenden Bannrechte der Gilde der Schneider. Weit entfernt, diesen Anlaß benutzen zu wollen, um dem Zunftzwange, wider welchen sich gegenwärtig so manche Stimmen erheben, das Wort zu reden, und diesem Gebilde des Mittelalters eine völlige Unverletzbarkeit in einem Stücke beizulegcn, wo sich die cultivirtcrn Sitten des Zeitalters dagegen erklären; oder Vorrechte hervorzurufen, welche schon seit geraumer Zeit als aufgehoben oder auf gegeben zu achtel: sind, dürfen wir demungeachtet nicht aus dem Auge verlieren, daß die Befugnisse, um deren Abschaffung oder Beschränkung es sich handelt, vom Staate selbst verliehen und garantiret, und von den Iunungsverwandten tittilo one- I-O8O erworben sind, daß namentlich die Erlangung der Mcisterrechte jedem Jnnungs- gliede einen, für seine öconomifehen Verhältnisse, sehr ansehnlichen Aufwand verursacht hat, und daß ihm seine Jnnungsrechte bei Abgaben und Steuern verschiedener Art, die er als Bürger und als Zunftgenosse zu entrichten hat, vielfältig in Anschlag ge bracht werden. In dessen allen ernster Erwägung hat es uns zwar unbedenklich erscheinen können, daß den Weibspersonen 1. ) die Ausbesserung und Umänderung alter weiblicher Kleidungsstücke schlechter dings, und 2. ) auch die Anfertigung neuer Kleider nicht blos für das weibliche Geschlecht, son dern auch (was wir zur Vermeidung aller Misverständnisse in das Gesetz mit ausge nommen wünschen) sür Kinder beiderlei Geschlechts, insoweit cs in den Wohnungen ihrer Kunden für deren Hausbedarf und gegen Tagelohn geschiehet, gestattet werde,