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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.01.1854
- Erscheinungsdatum
- 1854-01-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-185401098
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18540109
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18540109
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1854
- Monat1854-01
- Tag1854-01-09
- Monat1854-01
- Jahr1854
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.01.1854
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122 Bekanntmachung. Die Restitutio» der für während der diesjährigen Reujnhrsmeffe an hiesige Platzhundlungen eingegangene Propre-, so wie für Transtto - SpeditionSgüter erlegten Mestnnkosten wird verordnungsmäßig, unter vorausgesetzter Erfüllung der deshalb sonst vorgeschriebenen Bedingungen, nur gewährt, wenn die Verzeichnisse derselben nebst den dazu gehörigen Frachtbriefen und sonstigen Unterlagen spätestens bis zum Sonnabend den 28. Januar dieses JahreS Abends 1L Uhr anher eingereicht werden. Der belheiligte Handelsftand Hierselbst wird hierauf mit dem Bemerken andurch aufmerksam gemacht, daß alle etwa später ein gehende dergleichen Verzeichnisse unberücksichtigt bleiben müssen, indem nach Ablauf des gedachten Termins jeder Restitutionsanspruch erlischt. Leipzig, den 7. Januar 1854 ^ Königliches Haupt - Steuer - Amt. Stadtthcarer. Der Abend des 7. Januars war für unsere Bühne und für unser* Kunstzustände im Allgemeinen ein bedeutungsvoller: Richard Wagners herrliches Kunstwerk „Lohengrin" kam zum ersten Male zur Darstellung. Mit Recht kann man wohl sagen, daß seit dem Erscheinen der unsterblichen Meisterwerke eines Lessing, Göthe und Schiller, eines Gluck, Mozart, Beethoven und C. M. v. Weber kein dramatische- Werk einen so großen und nachhaltigen Eindruck gemacht hat, daß keines seitdem von einem so gewaltigen Einflüsse gewesen, als es „Lohengrin" ist — das erste Musik drama im vollsten Sinne des Wortes, welches überhaupt bis jetzt geschrieben worden. Wagner hat im „ Lohengrin " da- Gebiet der Oper im gewöhnlichen Sinne bereit- verlassen; er steht mit diesem Kunstwerke schon auf einem Boden, der bisher eine terra ineoxnit» war. Das, was den „Lohengrin" von anderen drama tisch-musikalischen Werken unterscheidet, liegt jedoch nicht allein in der äußeren Form, in der mehr auf Wahrscheinlichkeit und Natür lichkeit begründeten scenischen Anordnung; es ist vielmehr die wunderschöne, gedankenreiche Sprache, die Wagner als Dichter führt, der ganz eigenthümliche Zauber, der in seinen höchst aus drucksvollen, ganz von der bisherigen Opernmusik abweichenden Tönen weht. Man hat früher oft behauptet — und seine Gegner mögen vielleicht hin und wieder noch die Ansicht haben — es fehle Wagner an eigentlicher musikalisch schöpferischer Kraft, er habe keine Melodie und wirke nur durch kühne und gewaltige harmo nische Modulationen und eine bis in- feinste Detail berechnete, allerdings höchst geistvolle Orchestration. Es ist dies jedoch ein Jrrthum; denn eine solche Fülle von Melodien der edelsten Gattung, hervorgegangen aus einer üppig blühenden Phantasie, eine solche Naivetät und Ungesuchtheit beim künstlerischen Schaffen, wie sie uns hier entgegentreten, wird man vergebens bei irgend einem dramatisch-musikalischen Werke nach C. M. v. Weber suchen. Nicht plötzlich und mit einem Schlage konnte aber Wagner zu dieser künstlerischen Höhe gelangen: sein Bildungsgang bietet ein Miniaturbild der Geschichte des musikalischen Drama's seit etwa vierzig Jahren dar. Mit der romantischen Zauber-Oper im Weber- schen Geiste begann er sein künstlerische- Schaffen; er durchlief das Stadium der großen französischen, sogenannten historischen Oper und gelangte durch den „Fliegenden Holländer" und den „Tann häuser" — welches letztere Werk man vielleicht noch Oper nennen kann — zu der bis jetzt nicht geahnten Höhe, auf welcher er im „Lohengrin" steht. Das hauptsächlichste, für die dramatische Kunst im Allgemeinen bedeutungsvollste Verdienst WagnerS besteht darin, daß er da- musikalische Drama in die Grenzen der Natür lichkeit und Wahrheit zurückführte, daß er genau das Recht jeder einzelnen der mitwirkenden Künste abwog und endlich der Dichtung, der darzustellenden Handlung der in der bisherigen Oper überwie genden Musik oder vielmehr musikalischen Virtuosität gegenüber Geltung verschaffte, daß er somit das vor fast hundert Jahren begonnene Werk Glucks wieder aufnahm und vollendete. Die Formen, in denen allein die absolute Musik in der Oper auf Kosten der Dichtkunst und Schauspielkunst vorherrschen konnte, sind im „Lohengrin" gänzlich verschwunden. Hier giebt es keine Arien, Duetten rc. mehr, eben so, wie ein recitirendeS Drama ja auch nicht aus einzelnen lyrischen, epischen rc. Gedichten besteht. Die Hand lung geht unaufhaltsam ihren Weg, eine Scene reiht sich an die andere. Die hochpoetische Sprache erhält durch die Musik einen erhöhten Ausdruck; in gesteigerten Momenten herrscht da- Melodische vor, im Uedrigen hat die Musik einen recitativischen Charakter, doch unterscheidet sich diese-, von einer höchst interessanten und aus drucksvollen Begleitung gehobene Recitativ gänzlich von dem in der bisherigen Oper gebräuchlichen. Jede einzeln« Person ist vom Dichter wie vom Componisten äußerst scharf und konsequent charakterisirt. Eine jede von ihnen hat ein eigenthümliches musikalische- Haupt motiv, welches in besonder- wichtigen Situationen immer wieder kehrt; selbst der Moment, in welchem der Knoten de- tragischen ConflictS geschlungen wird (das Verbot Lohengrin-: „Nie sollst Du mich befragen" rc.) ist durch ein Motiv bezeichnet, das der Eomponist gleichsam als Warnung immer wieder durch die reich strömenden Harmonien durchblicken läßt, wenn Elsa schwankt und das Gebot des Gatten zu verletzen droht. Die prachtvollen sechs stimmigen, fast durchgehend- doppelten Ehöre greifen thatkräftig in die Handlung ein oder haben den Charakter des Choros der griechischen Tragödie, dienen also nicht blos als äußere Staffage. Die vollkommenste Herrschaft über alle künstlerischen Mittel zeigt sich in der Steigerung de- Ganzen. Interessant, wie da- Werk von der ersten Scene an ist, wird die Spannung bis zuletzt er halten; der dritte Act ist demnach die Krone des Drama's, und nie ist wohl die reinste Liebe, die edelste Menschlichkeit erhabener und schöner durch die Kunst darqestellt worden, als in der zweiten Scene zwischen Lohengrin und Elsa im dritten Act. Nicht wenig wird das Musikdrama durch die ergreifende christlich-religiöse und deutsch-nationale Färbung gehoben, welche durch den, einer der herrlichsten Blüthen altdeutscher Dichtkunst entnommenm Stoff be dingt wird. Da- Musikdrama „Lohengrin" ist ein echt deutsches Werk, eine Verherrlichung de- deutschen Namen-, eine Kunft- erscheinung, wie sie kein andere- Volk aufzuweisen hat — eS ver dient im vollsten Maße die lebhafteste Sympathie des deutschen Volkes, das gewiß auf dies neue Blatt in dem Lorbeerkranze seines Ruhmes stolz sein darf. Die Darstellung des „Lohengrin" auf unserer Bühne betreffend, so müssen wir vor Allem der Direction und Regie für die glän zende und würdige äußere Ausstattung und die im Ganzen ge lungene mi8e-6n-8cene des herrlichen Werkes Anerkennung zollen. So weit als es nur die beschränkteren Mittel eine- Stadttheaters, der kleine Raum unserer Bühne insbesondere, irgend gestatteten, war Alles geschehen, um das Kunstwerk auch im Aeußeren ent sprechend erscheinen zu lassen. Die Decorationen und Costüme waren durchgehends neu, sehr geschmackvoll und dabei von mög lichster historischer Treue. Nicht unerwähnt mag es bleiben, daß die ersten Mitglieder unseres Schauspielpersonal- zur Verherr lichung des Ganzen stumme Rollen bei dieser Vorstellung über nommen hatten. Ein weniger unbedingtes Lob wie den Leitern der Bühne können wir jedoch den Darstellern — Solosängern, wie Chören — zollen. Der erste Act ging im Ganzen sehr gut: hier zeigte sich Präcision, Abrundung und Verständniß fast überall, und es war daher natürlich, daß nach demselben sich ein wahr hafter und großer Enthusiasmus kundgab. Schwächer in der Aus führung waren die beiden anderen Acte, und am wenigsten genügte der allerdings die ungewöhnlichsten Schwierigkeiten darbietende zweite. Die vom Dichter-Componisten so meisterhaft durchgeführte Steigerung konnte also auch nicht zur gehörigen Geltung gelangen: für diejenigen, welchen das Werk noch ganz unbekannt, mußte nothwendig die schöne Wirkung de- ersten Actes abgeschwächt werden, während bei einer vollkommneren Ausführung geradezu stets da- Gegentheil stattfinden wird. Diese beiden Acte bedürfen noch mehrerer sehr sorgfältiger Proben, besonders in den Chörm, welche oft sehr unsicher und unrein waren, wie z. B. zu Anfänge der dritten Scene im zweiten Acte. — Ueder die Leistungen der einzelnen Hauptdarsteller dürfen wir uns nach dieser Vorstellung, die mehr einer Generalprobe glich, zwar kein entscheidendes Urtheu erlauben und werden bei femeren Aufführungen nochmals auf diesen Punct zurückkommen; nur so viel sei jedoch vorläufig gesagt, daß err Widemann (Lohengrin), Fräulein Mayer (Elsa) und err Behr (Heerrufer) am meisten den Intentionen des Com- onisten entsprachen, und, wie zu erwarten steht, auch für die folge in diesem Musikdrama die ersten Stellen einnehmen werden.
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