Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.02.1869
- Erscheinungsdatum
- 1869-02-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-186902038
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18690203
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18690203
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1869
- Monat1869-02
- Tag1869-02-03
- Monat1869-02
- Jahr1869
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.02.1869
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Nationalmuseen aufhängt, sondern wegen seine- hohen dramatischen WertheS; die polnische ReichktagSscene ist die glänzendste Haupt- und StaalSaction der deutschen Bühne und der Monolog der Marfa gehört zu jenen Ergüssen dichterischer Begeisterung, die, wie auch der gestrige Abend bewies, stets eine zündende Wirkung ^aüSüben. Der Sprung auS einer Dichtweise in die andere har immer sein MißltcheS, der Riß im zweiten Act des DemetriuS wird immer empfindlich bleiben; denn die erste Hälfte dieses ActeS ge hört Schiller, die zweite Laube an; doch sobald man sich einmal an den um einen Ton niedriger gestimmten dramatischen Styl de- neuen AutorS gewöhnt hat, nimmt unS sein Drama durch die Sicherheit und Festigkeit des dramatischen Aufbaues, durch den Zusammenhalt einer energisch fortgehenden Handlung, durch viel fache scharf charakteristische Züge, welche den einzelnen Personen realistische- Leben verleihen, durch die geschickte dramatische und theatralische Technik unfehlbar gefangen, und wir folgen mit Spannung dem Fortgang der Action. z Der zweite Act führt unS das Charakterbild des Czaaren Boris Godunoff und seiner Tochter Axinia vor. Die Nachricht von der Niederlage der Russen, dir Fürst SchuiSkoi dem Czaaren und dem Publicum sehr geschickt beibringt, so daß diese historische Thatsache unser Mitempfinden weckt, bildet den Höhenpunct deS ActschlufseS. Im dritten Act erfolgt der Tod deS Czaaren durch selbstgenommenes Gift, nachdem er in DemetriuS seinen Sohn erkennt und seine Tochter Axinia seinem Schutz vertraut. Die Angriffe der übermüthigen Polen auf Demetrius, seine Rettung durch die Russen, daS Gegevübertreten der wilden hochfahrenden Marina und der sanften Axinia, daS Opfer, welches die Letztere bringt, indem sie mit des Vater- Schätzen den Sold der rebelli schen Polen bezahlt — daS Alles bildet eine Folge bewegter und lebendiger Scenen, welche mit dramatischer Schärfe die kämpfenden Parteien gegenüberstellen und mit geschickter Steigerung den Ab schluß herbeiführen. Der vierte Act, dramatisch bedeutender in der Anlage, bringt den GlückSumschlag. Schwankend geworden in der Scene mit der Mutter über seine Geburt erfährt der Held von dem Kosaken- helman Komla, daß er nur der Bastardsohn deS Boris, nicht der Sohn Marfa's und der legitime Thronerbe sei. Der Czaar sieht sich auf einmal als das Opfer eines Betrügers, und in höchster Wulh sucht er ihn, der ihn selbst zum Betrüger macht, zu ermorden. Sein ganzes Trachten geht jetzt nur auf Wahrheit, er klammert sich noch an einen Anker der Hoffnung, an die Mög lichkeit, daß der Kosakenhetman lüge, an das Zeugniß der Axinia, über seine Anerkennung durch Boris. Doch der fünfte Act bringt durch den Schwur der ihn verleugnenden Mutter die zweifellose Entscheidung, die Verurtheilung und den Tod deS Helden. Verständlich, biS in daS Einzelne der Vorgeschichte genau motivirl baut sich die Handlung auf, der Charakter deS DemetriuS ist von durchsichtigem Edelmuth und ritterlicher Offenheit und Wahrheitsliebe. Ein Vergleich mit dem Schiller'schen Fragment, welchem Laube doch die wichtigsten, wenn auch ander- gestellten und beleuchteten Scenen entlehnt hat, ist doch für die Klink unerläßlich, eS ist dieS kein Vergleich mit dem Schiller'schen Genius, der unbillig wäre bei jedem modernen Dichter, am unbilligsten bei den Dichtern der realistischen Schule, deren ganze BehandlungSweise in directem Gegensatz zu der Schiller'schen steht. Daß Laube den Schiller'schen Plan außerordentlich vereinfacht hat, ist selbstverständlich. Unser großer Dichter griff anfangs immer sehr in's Weite, erst die Ausführung gab ihm die Be schränkung, in der sich der Meister zeigt. Romanow und Axinia waren in dem Schiller'schen Fragment zum Beispiel eine ganz überflüssige Episode. Den großen Styl der Kampf- und VolkS- scenen würde er freilich auch in diesem Stück betbehalten haben, wie in der „Jungfrau von Orleans". Die technische Verein fachung Laube'-, der in den drei letzten Acten selbst keine Ver wandlung braucht, ist indeß durchaus vortheilhaft. Dagegen erscheint unS die tragische Idee bei Schiller viel größer und bedeutender, und die Abweichung Laube'- nach dieser Seite hin als eine Abjchwächung, die im Monolog de- DemetriuS am Schluß deS vierten ActtS hervortriit und deshalb auch eine geringe Wirkung übt. Nachdem DemetriuS in Schiller'S Fragment erfahren hat, daß er nicht der rechtmäßige Czaar sei. da fühlt er nach innerem Kampf die Nolhwendigkeit, sich als Czaar zu behaupten. ES geht eine gewaltige Umwandlung in ihm vor; das dämonische Schicksal, daS ihn verfolgt, entwickelt in ihm die dämonische Natur; er wird zum Usurpator, zum Tyrannen. Hier tritt seine tragische Schuld ein, hier beginnt er erst ein Held der Tragödie zu werden. DaS über den Schuldlosen hereinbrechende Fatum macht ihn zum Schul digen; er nimmt den Kampf mit ihm auf, zu weit vorgeschritten «in der glänzenden Bahn, um zurückzutreten. Wozu da- tückische Schicksal den Willenlosen verlockt — mit eignem stolzen Willen führt er eS durch. DaS Fieber de- Despotismus packt ihn; in wildem Rausch erhebt er sich über fein Geschick. Und gleichzeitig — welch ein Protest der eigenen Kraft und jnnern Bedeutung gegen da- leere Pnncip der Legitimität liegt in dieser Wandlung, die wir fiel- als eine der großartigsten § A peüen in den Tragödien aller Zeiten betrachtet haben! Der DemetriuS Laube's aber erhebt sich zu keiner tragischen Größe, nimmt kein dämonisches Element in seine Natur auf. Er bleibt der edle Jüngling biS zur Neige seines LebeuS; wie bn MarryatS Iaphet, der seinen Vater sucht, ist sein ganzes Streben darauf gerichtet, seine Vergangenheit aufzuklären; und als sein legittmeS Thronrecht zweifelhaft wird, sucht er den Untergang! Er ist ein schuldloses Opfer, der Held einer verschollenen Zeit; er trägt in seinem Wappen die Lilien der BourbonS, nicht die Bienen der Napoleone! Edelmuth und ritterliche Gesinnung geben noch nicht die Anwartschaft zu tragischer Bedeutung. Den gleichen Fehler hat HebbelS DemetriuS. auch er ist ein durchweg ritterlicher Held, und das ganze Laube'sche Charakterbild stimmt mit dem Hedbel'schen überein. Nachdem er die Kunde seiner Herkunft erfahren, ruft er vor seiner Krone auS: Jetzt seh ich, daß ich ein Betrogner bin; WaS bleibt mir übrig, als sie wrgzuwersen, Wenn ich nicht auch Betrüger werden will? Er führt seine Rolle nur fort auS Edelmuth, „um seiner Freunde willen". Noch ein anderes Motiv hat Laube dem Hebbel', scheu DemetriuS entlehnt — er macht ihn, wie dieser Dichter, zum Bastardsohn des früheren Czaaren, obgleich er daS weit bester be gründet und verwerthet. Die Zeltscene mit Marfa, die sich auch im Schiller'schen Frag ment findet, ist bei Laube in ein ganz anderes Licht gerückt, rer geht sie der entscheidenden EnthülluvgSscene voraus, bei -chiller folgt sie derselben. Laube'S DemetriuS kommt seiner Mutter mit vollem Glauben entgegen; Schillers Held ist bereits überzeugt von seiner unechten Abkunft und benutzt die Scene mit der Mutter nur als Gaukelspiel, um daS Volk zu blenden. Ebenso liebt Schillers DemetriuS als Tyrann die Axinia mit wilder Leiden schaft, während diese ihn verabscheut; Laube'S DemetriuS und Axinia erinnern mehr an Max und Thekla. Doch verblaßen die beiden Frauengestalten in der zweiten Hälfte deS Stücks, nament lich die so bedeutend angelegte Marina, und die Stellung des Helden zu beiden wird nicht genügend gerechtfertigt. Desto schärfer sind die Charaktere deS Czaaren Boris, deS Kosakenhetman Komla und deS Fürsten SchuiSkoi gezeichnet, mit tüchtiger Detailmalerei, welche der Darstellung willkommene AnhaltSpuncte bietet. Der Styl Laube's im Demetrius ist bestimmt, dramatisch scharf geprägt, oft energisch, auch von Gedanken durchdrungen, doch ohne dichterischen Adel und dichterische Schönheit. Die Aufführung war eine vorzügliche und leitete die neue Aera sjin verheißungsvoller Weise ein; die tumultuarische ReichStagSscene erhielt mit Recht stürmischen Beifall; alle späteren, mit Bewegung der Massen- oder vielköpfiger Staffage ausgestatteten Scenen waren trefflich arrangirt; man merkte die große Zahl von Proben, welche auf die würdige Herstellung deS Dichtwerke- verwendet worden waren. Herr Herzfeld verdient alle- Lob in der großen Hauptrolle de- StückeS; er überraschte unS durch eine klare Auseinander setzung und logische Betonung, die offenbar auf eine neue Schule hinwefft. Gerade für diesen Darsteller, der so viel Wärme und Feuer hat, ist eine derartige technische Fortbildung nicht hoch genug zu schätzen. Nur hin und wieder verfiel er in feine frühere, über hastende und die Sätze wie Kegel zusammenregelnde Sprechweise. Doch waren dieS nur Ausnahmen^ Die ersten Reden im Reichs tage sprach er mit edler Klarheit, namentlich die Erzählung, die seine Vergangenheit schildert. Der Charakter deS Helden ist so durchsichtiger Art, daß er den DarMer mit keinen Problemen verwirrt. Die freie und ritterliche Haltung, da- volle Feuer, auch der wildauflodernde Affect in der Scene mit Komla, die warme Empfindung in Len Scenen mit der Mutter traten im Spiel deS Herrn Herzfeld durchaus dem dichterischen Gemälde entsprechend hervor. Frau Straßmann-Damböck als Marfa spielte die beiden großen Scenen mit dem Sohn dramatisch wirksam und gab dem Innern Kampf der Mutter lebendigen Ausdruck. Nach dem großen Schiller'schen Monolog im zweiten Act wurde sie zweimal hervor gerufen, und doch war der Vortrag desselben verfehlt und über reich an Betonungsfehlern. Gleich die ersten Verse: Es ist mein Sohn, ich kann nicht daran zweifeln, u. s. f. sprach sie mit dem nachdenklichsten Phlegma, statt sie mit auf jubelndem Triumph zu sprechen. In dem VerS: Und dränget euch zu eures Königs Fahnen legte sie einen schweren Accent auf Fahnen, während da- vorher« stehende Wort die Betonung verlangt. Die- ist nur ein Beispiel für viele. Herr Falleubach gab dem Czaren Boris-Godunoff einen gewissen russisch-nationalen Zug und energische- Gepräge und spielte namentlich die Sterbesccne mit markigem Au-druck. Eine leise Ermäßigung dürfte noch zu empfehlen sein; Einzelne- in Spiel und Ausdruck stand noch etwa-auf der Spitze. Herr Cla ar al- Kosakenhetman Komla erhielt in der großen Scene de-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder