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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.08.1862
- Erscheinungsdatum
- 1862-08-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-186208214
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18620821
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18620821
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1862
- Monat1862-08
- Tag1862-08-21
- Monat1862-08
- Jahr1862
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.08.1862
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4370 Verstöße gegen Sitte und Anstand ohne alle Rücksicht öffentlich gerügt wurden, wie die- einige noch jetzt vorhandene boshafte Pasquille, sogar gegen Mitglieder hochangesehener Leipziger Familien, beweisen. So existirt ein sehr selten gewordenes, in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts unter dem Titel „Leipzig im Taumel" erschienenes Buch, das mit schonungsloser Malice eine Menge scandalöse Anekdoten erzählt, und nach der Versicherung einer eben so plump als pedantisch dagegen verfaßten Verteidigungs schrift den Augen der Betroffenen, namentlich Frauen und Mädchen, Millionen Thränen auSgepreßt haben soll. Eine höchst interessante Schilderung des WirthShauSlebenS außerhalb Leipzigs vor anderthalbhundert Jahren ist uns in Schrift und Bild erhalten worden; damals war nämlich das Brandvorwerk ein sehr besuchter VergnügungSort, und irgend ein lustiger Vogel, der offenbar dort viel verkehrt haben muß, nahm es über sich dasselbe durch ein gar nicht ohne Witz geschrie benes Buch unsterblich zu machen. Daß es darin an derben Späßen nicht fehlt, kann in der Zeit, wo der bekannte General Kyau durch ähnliche Scherze Hof und Volk entzückte, nicht auffallen. Das Brandvorwerk gehörte noch im Jahre 1632 dem Haupt manne der Pleißenburg, Johann Vopelius, nach dessen, wegen leichtsinniger Uebergabe der Festung, erst an die Oesterreicher und dann an die Schweden, zu Dresden am 6. Februar 1633 erfolgter Enthauptung es an einen Herrn von Brand gelangte, woher sein Name rührt. Dieses Brandvorwerk hatte schon sehr zeitig die Schankconcession erlangt, durste jedoch anfänglich nur Leipziger Rastrum verschenken, vis ihm auch Eilenburger Bier einzulegen gestattet wurde. Endlich erhielt die immer mehr in Aufnahme kommende Wirtschaft noch Erlaubniß Merseburger Bier, das bisher nur in Lindenau und auf dem Kuhthurme getrunken worden war, auszuschenken, und zu gleicher Zeit schritt man zur Erbauung eines neuen Schänkhauses, welches noch heute steht. Wir geben unfern Lesern ein Bild daraus, welches das WirthShausleben jener Zelt treulich vergegenwärtigen wird. Das Brandvorwerk, wird berichtet, ist ein Ort, nach dem man ohne alle Gefahr — außer daß Einem manchmal die Bettelleute alles Neble anwünschen — an lauter Häusern und Gärten auf dem ebensten Wege — auf eine ContretempS beim Heimwege über große Steine kommt es nicht an, — gelangen kann. Die Gärten, Bäume, Gras und Wasser begleiten Einen bis an den Tisch, dahin man sich setzen, mag. Im Sommer vergnügt unter Weges auf einer Seite die selbstgewachsene Vocal-Musik der Frösche, darunter einer, so sie nur den großen Frosch nennen, welcher einen vor trefflichen Baß schreiet, so lange als das Gast-Haus gestanden, sich allda aufgehalten, nunmehro mit im Pachte steht, und das erste Inventarienstück präsentiret, welchen allemal im Winter die jüngste Magd füttern muß. Auf der anderen Seite werden die Augen mit den grünen, blau und rothen Blumen melirt gezierten Feld früchten geweidet, über ihn ziehet die Lerche mit ihrem zarten er freulichen Stimmlein. Bleibt man etwas stehen, oder setzt sich in das Grüne nieder, um solchen Gesang recht zu vernehmen, so ziehen die allda befindlichen Mücken auf die subtilste Art das dicke Geblüt aus den Adern, daß es nicht ftockigt wird, und kann einer, wenn er es ein Paar Tage aushält, acht Groschen nach der Taxordnung vor Schreppen erhalten. Vorwärts machet ihm daS vortreffliche Gebüsche von denen vor ihm liegenden Hölzern sowohl als die ausnehmend schöne ebene grüne Gegend derer Wiesen und Felder ein recht innerliches Vergnügen; desgleichen verkündet ihm das sehr angenehm zurückgetriebene Echo der propresten Musik sehr große Freude, er höret zum Voraus, wie die sehr wohl unter einander gesetzten Noten einander wie die Ereditores eines Ban- queroutirer nach der Kunst treiben, ein Tact beständig den andern, wie ein Steckbrief den Dieb verfolget. Heißt dieses noch kein Ver gnügen? Will er noch ein Wenig verziehen, ehe er in das Herz des Vergnügens selber einrucket, kann er sich in die mit denen auf beiden Seiten besetzten, schönsten und mit ihren wohlriechenden Blüten prangenden Linden grüne Tour ä lu woäo begeben, da siehet er oben hinaus eine propre Chaise über die andere mit denen galantesten Besitzern beiderlei Geschlechts vorbei passiren, die aus erlesensten Pferde ihre Lllsvullors in vollem Staate in die benach barten Luftdörfer tragen, unten aber eine Compagnie honetter Per sonen nach der andern vorbei passiren. Man kann auch zu solchem Freudensaale mit vielem Plaisir auf offenen, zugemachten und Iagdchaisen hinfahren, auch reiten, wie denn zu vielen Malen in in die 12 bis 16 Gutschen, Cariole und so viel Pferde vor der Thüre halten, deren Passagier- sich oben belustigen. Ja, vor dem Grimmischen Thore wird man alltäglich eine ziemliche Anzahl Chaisen und Iagdcarossen antreffen, deren Gutscher und Knechte, welches eine ganz besondere artige Sorte, einem sogleich obupearix pLs mit denen zartesten Peitschen unter ihren Armen und ewigen Liverey entgegen laufen und ihr Fuhrwerk zu unserm Göttersaale offeriren. Rücket nun der Winter heran mkd eS ist gefroren, so kann man unten hinaus auf denen Schlittschuhen oder oben hinaus auf denen ausgeputztesten Schellenschlitten fahren, deren starker Klang capable, die Einem auf dem Wege begegnenden Schuldleute so lange zu betäuben, bis man vorbei ist. Manchmal gehet durch solchen Spaß auch xor Uhr, Tabatiere, silberner Degen, Roquelaur und andere uöthige Möbeln mit fort. Vorder sprenget ein, auch wohl mehr, Borreüer, die den Weg reeognoseiren, daß man keinen Schaden nimmt, und erregen durch ihre xur Lore« Peitschen einen erschrecklichen Knall über den andern und die darinnen und darauf sitzende Passagier- befördern solche angenehme Wintertour durch ein prophetisches fort! fort! — Sobald nun ein Gast in unserem Freudencabinet anlanget, entweder zu Schlitten, Wagen oder Pferd, so stehet schon eine außerordentliche artige Be dienung, nämlich (Kandidaten künftiger Pferde- und Gutscherdienste in Bereitschaft, die Wagenthüre aufzumachen, einen ganz sanft unter die Arme zu greifen — manchmal fühlt man seine Achseln nicht — und mit der behutsamsten Art aus der Chaise zu heben und an die äußerste Thür des Freudensaales zu führen oder so gleich dem Reitenden das Pferd mit einer Hand beim Zaume zu halten und mit der andern dem Herrn vom Pferde zu helfen und sodann daS Pferd in sichere Verwahrung zu nehmen bis die Herr schaft wieder aufsitzen will. Dieses kostet nur ein kleines Trink geld. Die aber zu Fuße kommen und nach Gelde riechen, deren Füße werden sogleich bei dem Eintritt auf eine Bank von solchen nur gemeldeten Bedienungen gesetzt, der Koth s. K. mit einer ins Reißen gekommenen Serviette und der Staub mit einer Bürste von ihren Schuhen gegen ein billiges Vergiß mein nicht sehr sauber abgeputzet, auch denen Liebhabern ein Spiegel zu ihrem Ajustement präsentiret. Sobald nun der Gast von der ersten Be dienung absolviret und in die Thüre tritt, so erscheinet eine andere Bedienung ein ä!to viel besser, ehrbarer, reinlicher, auch manchmal gar höflicher, im Winter mit dem sogenannten Bartilgen (?) und mr Sommer mit dem Strohhute wie ein Blitz herunter und führet den Gast, nach Standesgebühr entweder auf den Saal, oder in den wohlangelegten philosophischen grünen Gang oder in die Unter stube, oder läßt ihn auch nach Belleben im Hause sitzen. Er sitze nun wo er will, so findet er allmal einen weißgescheuerten Tisch zu seinen Diensten, dazu ihm nach Gelegenheit ein Stuhl oder in dessen Ermangelung eine gute, ebenfalls sauber gescheuerte Lehne bank — aus der manchmal auch die Lehne oder ein Bein heraus fällt — präsentiret wird. Endlich rücket der Herr Wirth auch mit seinem Bewillkommnungscompliment auf eine ganz obligeante Art mit einer sehr freundlichen und lächelnden Miene herfür und die Bedienungen, welche sich sehr sauber gewaschen, gekämmet und auSgekehret — es sind Mannes - und Weibespersonen, weil manch mal einem Gaste ein Geschlechte zuwider — bringen einen schönen mit Zinn beschlagenen und mit dem edlen Trünke des Merseburger Bieres appetitlich angefüllten Krug, welcher auch so fein poliret ist, daß Einer, so lange er solchen vor sich hat, gar wohl einen Spiegel ersparen kann, wobei sich Mancher bisweilen seinen Kopf zu rechte machet, zumalen wenn er sich gerne siehet, welche- ins besondere das liebe unentbehrliche Frauenzimmer, so ihren Narren an ein Paar Beinkleidern gefressen, sich zu Nutze machen und die Gewohnheit haben, nicht so viel zu trinken, als sie sich darinnen mit einem spitzen Mäulgen und lächerlichen Miene zu sehen be lieben, daß sie ihrem Liebhaber, so sich etwa einfinden würde, jetzo nur um den Kopf herumfallen möchte, eustsr» Texins badet, denn die Verliebten kennen einander gleich, wie die Spitzbuben. Sodann ergehet von der Bedienung an den Gast eine höfliche Frage, mit der allersubmissesten Miene, belieben Musjeh eine Pfeife und Toback? Kaum ist das Ja heraus, so liegt die schönste Holländische da, welche bisweilen mit den reinesten, englischen Siegellack forne lacquirt ist, daß Einer die Sächsischen Lippen nicht mit dem Holländischen. Thone incommodire oder gar verwechsele. Daneben liegt ein Paquetgen des veritabelsten CanasterS, deren viele Rollen auf einmal von allerhand Sorten im Keller parat liegen, davon I^it. öl. öl. der wohlfeilste und I^it. IV 2. der kost barste ist, womit der Herr Wirth diejenigen tractiret, so ihm vorher eine Ehre erwiesen, oder von denen er noch künftighin dergleichen zu gewarten hat, in einer sehr sauberen und künstlich gefertigten papiernen Tabatiere verwahret, dessen Eröffnung manchmal so künstlich verstecket, daß Einer die ganze Tabatiere zerreißen muß, ehe er zu dem Toback selber kömmt. Darzu präsentirt sich zugleich das schönste gegossene Licht auf einem hellglänzend gescheuerten Leuchter, nebst dazu behöriger Lichtputze auf jedem Tische, und wenn auch nur eine einzige Person daran sitzen sollte, und läßt eS sich der ehrliche Mann gewiß viel kosten um nur seine Gäste recht zu bewirthen. Hat Einer nicht Appetit sich selber die Pfeife zu stopfen, so darf er nur winken, wenn er mit dem Kruge etliche mal klopft, ist es noch besser, so ist schon die Bedienung Mit ihrem „was befiehlt Er denn?" zugegen und Met ihm selbige auf zweimännische Fayon sehr künstlich ein. Oder hat Einer selber seinen eigenen Toback, so noch uvgeschnitten, so darf er ebenfalls nur befehlen, — denn an dem Orte ist nichts als befehlen und dienen — und den Augenblick erscheinet er mit einer holländischen Schneidebank und schneidet darauf ihm solchen so klar als den subtilesten Silberfaden. Man muß aber Acht haben, denn wenn der Toback recht gut ist, so schneidet er sich auf die Hälfte ein, ist er aber schlecht, behält er sein vollkommenes Gewicht. Dergleichen Höflichkeit und Aufwartung widerführet nun einem jeden Gast — er müsse denn lange schuldig sein und nicht an Zahlung denken — wv er auch immer sitze, pur mit dem Unterschiede, daß unter»,
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